Der Medien-Dienstleister Pressrelations hat die Social-Media-Aktivitäten von Abgeordneten des Bundestags vor der Wahl unter die Lupe genommen. Dabei zeigt sich: Mitglieder des Bundestages (MdB) nutzen intensiv die sozialen Medien, um Inhalte und Meinungen zu teilen. Vom Bekanntwerden der Neuwahlen am 16. Dezember 2024 bis zur Wahl am 23. Februar 2025 wurden insgesamt rund 114.000 Beiträge der Abgeordneten des Bundestags auf Social-Media veröffentlicht. Von 718 der insgesamt 736 Abgeordneten konnte der Medien-Dienstleister den Angaben zufolge eine Social-Media-Präsenz identifizieren und untersuchen.
Die Analyse zeigt: Tiktok erzielt die meisten Interaktionen, besonders für SPD, AfD und Linke. Daran haben den Angaben zufolge die jeweiligen Spitzenkandidaten entscheidend beigetragen. X bleibt die Plattform mit der größten Reichweite. Abgeordnete aller Parteien sind dort vertreten. Am erfolgreichsten auf der Plattform agiert demnach die AfD. „Auffällig ist, dass Bluesky fast ausschließlich von MdBs der Grünen und der Linken genutzt wird, während Abgeordnete anderer Parteien dort nur in Ausnahmefällen vertreten sind“, lautet es in der Analyse.
Die zeigt: Die Anzahl der Beiträge variiert stark zwischen den Parteien. Besonders aktiv sind dabei MdBs der Union (26,2 Tausend) und der SPD (24,3 Tausend). Abgeordnete der AfD teilten 21,8 Tausend Beiträge in sozialen Medien, die Grünen 17,6 Tausend, die FDP rund 15 Tausend Beiträge. Deutlich geringer nutzen MdBs der Linken (5,8 Tausend) und des BSW (1,5 Tausend) Social Media. Im 20. Bundestag veröffentlichten demnach die Abgeordneten der fünfstärksten Fraktion im Parlament, der AfD, fast so viele Beiträge wie die beiden größten Fraktionen von Union und SPD. Gemessen an den Sitzen würde das bedeuten, dass jeder AfD-Abgeordnete etwa 287 Beiträge auf Social Media geteilt hat. Ein SPD-Abgeordneter käme auf 117 Beiträge, ein Unionspolitiker auf 132.
Spiegel.de noch auf Platz 1
Die Untersuchung ergab, dass die AfD (83 Sitze) vor SPD (206 Sitze) und FDP (92 Sitze) mit ihren Beiträgen sowohl die größte Reichweite (969,1 Mio.), als auch die meisten Interaktionen (32,6 Mio.) verbuchen konnte. Zum Vergleich: Die größte Fraktion im 20. Bundestag, die SPD (206 Sitze), erreichte eine Reichweite von 830,1 Millionen und 15,2 Millionen Interaktionen. Die größte Oppositionsfraktion, die Union, kam auf eine Reichweite von 438,2 Millionen bei einer Interaktion von 6,3 Millionen.
Die Analyse zeigte zudem, dass die AfD am häufigsten Beiträge mit Outlinks – Links zu externen Medieninhalten oder internen Quellen – teilte. Bei der AfD verwiesen 16,68 Prozent der Beiträge auf externe Inhalte, bei der Union taten das rund 5,18 Prozent, bei der SPD 5,86 Prozent, bei den Grünen 11,9 Prozent und dem BSW 14,24 Prozent.
Am häufigsten teilten die MdBs Beiträge von spiegel.de (539), bild.de (464), welt.de (389), Tagesschau.de (271) und handelsblatt.com (241). Inhalte der Leitmedien teilten vor allem Abgeordnete der FDP und der Grünen. Die AfD verlinkte den Angaben zufolge überproportional häufig auf Quellen wie „Nius“ und der „Jungen Freiheit“. Vor allem AfD, CDU und FDP teilten vielfach Artikel aus Medien des Axel-Springer-Verlags, was dazu führte, dass „Bild“ und „Welt“ zu den am häufigsten geteilten Onlinezeitungen zählen.
In der Untersuchung heißt es: „Während die Grünen und die SPD häufig auf eher liberal-progressive Medien wie ‚Spiegel‘ und ‚Tagesschau‘ verweisen, teilen FDP und CDU/CSU verstärkt wirtschaftsnahe und eher konservative Titel wie ‚Handelsblatt‘, ‚FAZ‘, ‚Bild‘ und ‚Welt‘. Die AfD setzt hingegen überproportional auf politisch randständige Medien wie ‚Nius‘ oder ‚Junge Freiheit‘. Dabei entspricht das Social-Media-Teilverhalten der Mitglieder des Bundestags weitgehend der Medienauswahl ihrer jeweiligen Wählerschaft.“
Alternative Medien könnten politischen Diskurs bestimmen
Auf Grundlage der berechneten Medienbeiträge pro Sitz sowie den von den einzelnen Parteien im Auswertungszeitraum veröffentlichten Posts hat Pressrelations hochgerechnet, wie sich die neue Sitzverteilung des 21. Deutschen Bundestags nach Anteilen an der Social-Media-Präzenz darstellen würde.
Demnach würde sich die Zusammensetzung des Parlaments deutlich von den Wahlergebnissen abheben. Die AfD wäre mit 39 Prozent (20,8 Prozent real) die stärkste Kraft, sagt die Berechnung. Die Union läge bei 25 Prozent (28,5 Prozent real), die SPD bei 13 Prozent (16,4 Prozent real), Grüne (11,6 Prozent real) und Linke (8,8 Prozent real) bei jeweils zwölf Prozent.
In einem weiteren Schritt prognostiziert Pressrelations aufgrund der tatsächlichen Sitzverteilung, welche Medien von Abgeordneten des neuen Bundestags künftig voraussichtlich geteilt werden. Im neuen Bundestag würde „Bild“ demnach mit 18 Prozent den „Spiegel“ von der Spitze verdrängen, der sich den zweiten Platz mit 15 Prozent mit „Nius“ teilen müsste. Nach der Prognose käme die „Welt“ auf zwölf Prozent und die „Tagesschau“ auf zehn Prozent.
Die Auswertung kommt zu dem Fazit: „Die Bundestagswahl 2025 veränderte nicht nur die politische Sitzverteilung, sondern könnte auch deutliche Verschiebungen in der Sichtbarkeit politischer Inhalte auf Social Media bewirken.“ Einzelne Parteien würden durch ihre gestiegene Anzahl Bundestagsabgeordneter weiter an Präsenz und Reichweite gewinnen, während andere mit einem Rückgang ihrer Sichtbarkeit als Teil des Bundestags rechnen müssten. „Durch die gestiegenen Sitzanteile der AfD und – in geringerem Ausmaß – der Linken könnten vermehrt alternative Medienquellen wie ‚Nius‘ den politischen Diskurs bestimmen und Themen vorgeben.“