PRO: 733 Millionen Menschen sind laut den Vereinten Nationen von Hunger bedroht. Was genau bedeutet das für die betroffenen Menschen?
Johannes Peter: Das hängt von der konkreten Situation ab. Es gibt zum Beispiel Böden, die die Lebensmittelpflanzen nicht mehr ausreichend mit Mikronährstoffen versorgen. Diese Mangelernährung ist eine große Gefahr gerade in der frühkindlichen Entwicklung etwa des Gehirns. Und dann geht es natürlich bis dahin, dass Menschen so stark von Nahrungsmittelarmut betroffen sind, dass sie davon krank werden und sterben. Das Problem sehen wir vor allem bei Kindern.
Warum geben manche Böden nicht mehr so viel her?
Das liegt zumeist an zu intensiver und einseitiger Bewirtschaftung mit Monokulturen, was die Böden auszehrt und praktisch wertlos macht. Einseitig besonders ertragreiche Sorten anzubauen, zahlt sich am Ende nicht völlig aus, auch weil die nicht so resistent gegen extremes Wetter sind. Früher war es in bestimmten Kulturen üblich, durch eine Diversität von Saatgut und Anbauprodukten das Risiko zu streuen. Heute entdeckt man manche traditionelle Anbauweise wieder und stellt fest, dass das sehr sinnvoll ist. Ich erinnere mich da auch an Ratschläge, die man in der Bibel liest, ein Sabbatjahr für den Acker zum Beispiel.
Was führt noch zu gesundheits- und lebensbedrohlichem Hunger?
Wir sehen ganz stark den Einfluss von klimatischen Bedingungen und Extremwetterlagen: ausbleibender Regen, extreme Hitze oder auch Heuschreckenplagen. Menschen, die als Nomaden gelebt haben, müssen dann in andere Gebiete ziehen, um für sich und ihre Tiere genug Nahrung zu finden. Das führt wiederum zu Konflikten mit anderen Gruppen.
Dann sind wir schon beim nächsten Treiber von Hunger: Konflikte führen dazu, dass die Menschen ihre Felder nicht bestellen können, weil sie Angst haben oder weil sogar Minen dort liegen. Dadurch sind weniger Lebensmittel verfügbar, lokal, aber auch auf den Märkten. Das treibt teilweise auch wieder die Preise an. Diese verschiedenen Faktoren, Extremwetter, Konflikte und Armut, spielen zusammen und erzeugen eine Spirale von Hunger. Auch die Corona-Pandemie hat viele Lieferketten beeinflusst, auch der Ukraine-Krieg hat Lieferketten von Nahrungsmitteln unterbrochen. Bei Corona war ein Treiber für Hunger auch, dass viele Menschen, Tagelöhner, nicht mehr arbeiten konnten. Die wurden nach Hause geschickt und das hat auch zu Armut und ganz viel Hunger geführt.
Wo auf der Welt sind die größten Hunger-Hotspots?
Das sind Länder wie Somalia, der Jemen, der Südsudan oder der Tschad.
Wie helfen Sie mit „humedica“ Menschen, die von Hunger bedroht sind?
In Somalia zum Beispiel unterstützen wir bei der Versorgung mit Wasser. Es gibt in Äthiopien oder Kenia Projekte, wo Menschen geschult werden, Nahrungsmittel anzubauen, die widerstandsfähiger sind bei Extremwetter und die sich an die klimatischen Veränderungen besser anpassen. Auch die Versorgung mit geeignetem Saatgut unterstützen wir. Im Südsudan und Äthiopien unterstützen wir vor allem auch mangelernährte Menschen mit Lebensmitteln und auch Spezialnahrungsmitteln. In Äthiopien liegt der Fokus stärker auch darauf, dass wir zum Beispiel unterernährte Kinder in Gesundheitsstationen versorgen.

Hat die Ernährungsgewohnheit von Menschen hier in Deutschland Einfluss darauf, wie die Hungerlage in anderen Teilen der Welt ist?
Das ist komplex. In den wohlhabenden westlichen Ländern haben wir uns daran gewöhnt, dass wir Zugang zu einer enormen Vielfalt an Lebensmitteln haben. Manche davon benötigen in der Produktion sehr viel Wasser, Rindfleisch oder Avocados etwa. Nun ist es lukrativ, für den westlichen Markt zu produzieren. Aber das kann eben auch bedeuten, dass die lokale Bevölkerung weniger Wasser zur eigenen Versorgung hat und auch die Böden trockener werden. Unser Konsum kann zu einer Extraktion von Rohstoffen führen, die negative Auswirkungen hat auf lokale Gemeinschaften und ihre Lebensbedingungen. Es wichtig ist, sich solche Dynamiken bewusst zu machen und vielleicht auch auch in den eigenen Konsumentscheidungen darauf zu achten, sie nicht zu befördern.
„Fasten beinhaltet für mich auch die Suche, den Hunger nach Gott, der der Schöpfer des Reichtums und der Ressourcen und des Lebens ist.“
Was ist dann für Sie ein verantwortungsvoller Umgang mit Lebensmitteln?
Lebensmittel sehe ich als ein Geschenk an, auch wenn es selbstverständlich scheint. Wir beten mit unseren Kindern immer für das Essen und danken Gott dafür, dass die Schöpfung uns ernährt und so wunderbar eigentlich der ganzen Welt Zugang zu Nahrungsmitteln gibt. Dieses Bewusstsein drückt sich dann natürlich auch im Umgang mit den Lebensmitteln aus. So vieles wird verschwendet. Den Überfluss, den wir haben, sollten wir nicht für uns allein beanspruchen. Wir sind gesegnet und das ist auch gleichzeitig eine Verantwortlichkeit, solidarisch in der Liebe zu anderen Menschen davon abzugeben und sich auch kritisch damit auseinanderzusetzen, wo man am System Kritik äußern muss, weil unser Überfluss teilweise auf Kosten anderer entsteht.
Jetzt beginnt die Fastenzeit bevor. Wie nutzen Sie die persönlich?
Ich verzichte immer mal wieder auf ein bestimmtes Nahrungsmittel, esse für eine ganze Zeit kein Fleisch oder keine Süßigkeiten oder trinke keinen Alkohol. Das plane ich auch dieses Mal. Fasten beinhaltet für mich auch die Suche, den Hunger nach Gott, der der Schöpfer des Reichtums und der Ressourcen und des Lebens ist. Fasten bedeutet für mich, dass man sich von manchen Gewohnheiten – auch Mediennutzung gehört dazu – abwendet, um sich darauf zu konzentrieren, woher diese guten Dinge kommen.
In der Fastenzeit stellt „humedica“ zusammen mit dem TV-Sternekoch Christian Henze in den sozialen Medien jede Woche ein Lebensmittel aus Projektländern vor, inklusive Rezepten. Was erhoffen Sie sich von der Aktion?
Wir hoffen, dass die Aktion das Bewusstsein dafür weckt, dass wir hier im Überfluss leben, dass wir gesegnet sind – und dass man dankbar dafür wird und das den Blick von sich weg auf andere lenkt. Also eine Wertschätzung für die Lebensmittel, die wir haben. Und eine Solidarität mit Menschen, die gar nichts haben, damit diese nicht ihrem Schicksal ausgeliefert bleiben.
Vielen Dank für das Gespräch!