82 Prozent der Deutschen nehmen eine Spaltung der Gesellschaft wahr. Das ist ein Ergebnis der Studie „Verständigungsorte in polarisierenden Zeiten“ der Evangelischen Arbeitsstelle für missionarische Kirchenentwicklung und diakonische Profilbildung (midi). Bei der repräsentativen Online-Befragung durch das Meinungsforschungsinstitut Forsa wurden vom 12. bis 20. Dezember 2024 insgesamt 2.000 Bürger ab 18 Jahren befragt.
„Unsere Studie legt den Schluss nahe, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt als angespannt bezeichnet werden muss“, erklärte midi-Studienleiter Daniel Hörsch am Donnerstag. Seinen Angaben zufolge empfinden zwei Drittel (77 Prozent) der Befragten die sozialen Unterschiede als ungerecht. Die Studie lasse zudem Entsolidarisierungstendenzen erkennen. Nur noch etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung vertrete die Meinung, dass sich Arme und in Not Geratene auf Unterstützung verlassen könnten.
Vertrauen in die Kirchen gering
Nur knapp die Hälfte der Befragten ist mit der Demokratie in Deutschland zufrieden. Die geringere Zufriedenheit mit der Demokratie im Osten (52 Prozent) im Vergleich zum Westen (63 Prozent) hat der Studie zufolge eine Ursache im schwindenden Vertrauen in gesellschaftliche Institutionen.
Das größte Vertrauen haben die Bundesbürger in die Polizei (81 Prozent) und
Universitäten (75 Prozent). Die evangelische Kirche liegt mit 27 Prozent im unteren Drittel der Vertrauensskala. Schlechter schneiden die Bundesregierung (22 Prozent), politische Parteien (15 Prozent), die katholische Kirche (11 Prozent) und soziale Medien (3 Prozent) ab.
Zwei Drittel der Befragten (66 Prozent) sind über gesellschaftliche Entwicklungen oder Ereignisse verärgert, viele sogar wütend. „Triggerthemen“ sind die Politik (21 Prozent), der Zerfall der Demokratie (10 Prozent), Rechtsextremismus (9 Prozent). Besonders gering ist das Vertrauen in politische Institutionen wie Parteien und die Bundesregierung. Für 6 Prozent ist die Migration ein „Triggerthema“.
Mehrheit geht Konflikten aus dem Weg
Jeder dritte Befragte (36 Prozent) hat bereits erlebt, dass Diskussionen über polarisierende Themen unsachlich oder respektlos verlaufen. Ein Drittel (32 Prozent) der Befragten hat schon einmal den Kontakt zu Menschen wegen kontroverser Themen eingeschränkt oder abgebrochen. Dies führt dazu, dass der Austausch über polarisierende Themen bewusst vermieden wird. 59 Prozent der Befragten gaben an, Konflikten aus dem Weg zu gehen.
Um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken, wollen Evangelische Kirche und Diakonie laut einer Pressemitteilung vom Donnerstag deutschlandweit Orte des Dialogs über gesellschaftliche Krisen und Konflikte schaffen. Dazu haben sie die Kampagne #VerständigungsOrte ins Leben gerufen.
Bischöfin Kirsten Fehrs, die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), erklärte dazu: „Die meisten Menschen in unserem Land spüren eine Spaltung. Und viele ziehen sich in ihre Blasen zurück. Als Kirche und Diakonie leiten wir daraus – und auch aus unserer biblisch-geistlichen Tradition – einen Auftrag und eine Verpflichtung ab. Wir wollen uns für Verständigung, Dialog und ein respektvolles Miteinander stark machen.“ Nach Worten von Rüdiger Schuch, Präsident der Diakonie Deutschland brauche es „weniger Konfliktarenen“, dafür mehr Verständigungsorte.
Im Rahmen der Kampagne sollen Kirchengemeinden und andere kirchliche und diakonische Einrichtungen Orte zum Austausch über gesellschaftliche Krisen und Konflikte anbieten. Die Kampagne unterstützt eigenen Angaben zufolge die Verantwortlichen vor Ort mit Tipps, Material, Praxisbeispielen sowie digitalen Coachings. Zudem sind sechs #VerständigungsOrte-Dialogforen mit prominenten Gästen zu den Themen Migration, Frieden, Corona, Klima, Minderheiten und rechtsextreme Gewalt geplant.