Es gibt keinen anderen Zeitpunkt im Leben jeder iranischen Familie, der so einschneidend ist wie das Jahr 1979: Das Gründungsjahr der Islamischen Republik Iran. Ein historischer Machtwechsel mit bis heute nachwirkender Tragweite. Auch meine Familie verließ damals aufgrund der politischen Entwicklungen ihre Heimat. Es war eine Flucht mitten im Krieg. Wir kehrten seitdem nie wieder in den Iran zurück.
Seit dem Machtwechsel im Iran sind inzwischen 45 Jahre vergangenen. Zwei neue Generationen sind bereits unter der Propaganda der Islamischen Republik aufgewachsen. Doch der Einfluss des iranischen Regimes geht weit über die eigenen Ländergrenzen hinaus. Er erstreckt sich über den ganzen Nahen Osten. Iran ist das Zentrum des schiitischen Islams und weltweit die einzige Theokratie, bei der ein oberster religiöser Führer (Ayatollah) die höchste Macht über Regierung und Gesellschaft innehat. Ideologisch und militärisch unterstützt die Islamische Republik weltweit radikale schiitische und andere islamistische Gruppen. Sie positioniert sich damit entschieden gegen den Westen und insbesondere gegen Israel. Die Islamische Republik hat die Auslöschung Israels zur Staatsraison erklärt.
Iran teilt mit Israel zwar keine Grenzen, führt jedoch im gesamten Nahen Osten Stellvertreterkriege gegen Israel. Durch milliardenschwere Finanzierung, Waffenlieferungen und militärische Ausbildung unterstützt der Iran seine regionalen Verbündeten in der Region, um gezielt gegen Israel vorzugehen – darunter die Hisbollah im Libanon, die Hamas im Gazastreifen, die Huthi-Rebellen im Jemen sowie Syrien als wichtiger Verbündeter. Der Iran ist der gefährlichste Brandherd im Nahen Osten, fast jeder der regionalen Konflikte wird von Iran weiter angefacht.
Explosives Wachstum von Untergrundkirchen
Was nach außen wie ein militärisch unbezwingbarer Machtapparat aussieht, gleicht im Innern einem maroden Bauwerk, das kurz vor dem Kollaps steht. Die iranische Wirtschaft steckt tief in der Rezession. Hohe Arbeitslosigkeit und Inflation sorgen dafür, dass Teile der Mittelschicht immer weiter verarmt sind und der Rückhalt der iranischen Bevölkerung gegenüber der Regierung abnimmt. Die iranische Bevölkerung hat sich längst von der Propaganda des Regimes entfernt. Der iranische Staat bröckelt von innen.
Vermutlich gibt es in keinem anderen Land eine größere Diskrepanz zwischen der Bevölkerung und ihrer Regierung. Im Gegensatz zur staatlichen Propaganda, die den Iran als eine schiitische Nation darstellt, identifiziert sich nur ein knappes Drittel der Bevölkerung explizit als Schiiten. Schätzungen zufolge besuchen nur noch drei bis fünf Prozent der Bevölkerung eine Moschee. 2023 wurden 50.000 von insgesamt 75.000 Moscheen im Iran aufgrund sinkender Besucherzahlen geschlossen. Eine stärkere Identifikation finden viele Iranerinnen und Iraner in ihren historischen Wurzeln und ihrer jahrtausendealten persischen Kultur. Trotz oder vielleicht gerade wegen des Islamischen Regimes, ist der Iran heute das säkularste Land dieser Region. Parallel dazu konvertieren immer mehr Menschen zum christlichen Glauben. Doch sie leben gefährlich. Denn die Konvertierung zum christlichen Glauben wird als Abfall vom Islam gewertet und bestraft – in vielen Fällen mit dem Tod. Trotz Bedrohung, Verfolgung und Inhaftierung bleibt die Untergrundkirche ein dynamischer Bestandteil der iranischen Gesellschaft und erlebt ein explosives Wachstum.
Schaue ich auf diese ferne Heimat, habe ich Hoffnung. Meine Hoffnung stützt sich nicht auf politische Atomabkommen oder wirtschaftliche Sanktionen. Meine Hoffnung stützt sich auf die Menschen im Iran, die unter Einsatz ihres Lebens für ihre Freiheit einstehen.
„Meine Hoffnung stützt sich auf die Menschen im Iran, die unter Einsatz ihres Lebens für ihre Freiheit einstehen.“
In den vergangenen 45 Jahren gab es im Iran immer wieder Protestbewegungen, die von der Regierung blutig niedergeschlagen wurden. Allein in den 80er und 90er Jahren wurden mehr als 20.000 Oppositionelle aufgrund eines geheimen Todesurteils des Ayatollah Khomeini hingerichtet. Seit der Ermordung von Jina Mahsa Amini im September 2022 ist der Widerstand nicht nur im Iran, sondern weltweit in einer neuen Dimension entfacht. Doch wie in der Vergangenheit geht das Regime mit aller Härte gegen die eigene Bevölkerung vor, in dem sie Dissidenten bedroht, inhaftiert, foltert und hinrichtet.
Deutschland muss sich klar positionieren
Die Verfolgung geht weit über die eigenen Ländergrenzen hinaus. Iranische Botschaften und Konsulate werden weltweit als Rückzugsort des iranischen Geheimdiensts genutzt. In der Reaktion der westlichen Länder darauf gibt es jedoch Fortschritte: Das Islamische Zentrum Hamburg (IZB), auch „blaue Moschee“ genannt, war über Jahrzehnte ein iranisches Spionagezentrum in Deutschland. Nach langen Bemühungen der iranischen Diaspora wurde es im Sommer 2024 endlich geschlossen. Die deutsche Staatsbürgerin Nahid Taghavi wurde nach vier Jahren Haft im Januar endlich freigelassen. Dennoch reicht der Arm des iranischen Terror-Regimes noch immer weit über die Landesgrenzen hinaus: Die Hinrichtung des deutschen Staatsbürgers Jamshid Shahrmad – der zuvor vom iranischen Geheimdienst im Ausland entführt worden war – ist ein erschreckendes Beispiel dafür.
Deutschland spielt als wichtigster europäischer Handelspartner für den Iran eine entscheidende Rolle – auch wenn das Handelsvolumen aufgrund der Sanktionen eingeschränkt ist. Kein anderes Land des Westens ist seit Jahrzehnten wirtschaftlich so eng verknüpft mit dem Iran wie Deutschland. Die Anfänge dieser Verbindung gehen zurück bis in das deutsche Kaiserreich. Doch nicht nur wirtschaftlich kommt Deutschland eine wichtige Verantwortung zu, sondern auch in Bezug auf Israel. Das Existenzrecht Israels ist eine deutsche Verpflichtung. Deutschland muss sich vor diesem Hintergrund klar positionieren: als Brückenbauer und Friedensstifter in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Es muss in unser aller Interesse liegen, dass die in Deutschland lebenden Deutsch-Iranerinnen und -Iraner sicher sind und dass die seit über 45 Jahren – seit der islamischen Revolution – andauernde explosive Feindschaft zwischen Iran und Israel ein Ende hat.
Hoffnung für Israel
Heute erscheint unvorstellbar, dass Iran und Israel zwischen 1948 und 1979 enge Verbündete waren. Der Iran zählte 1948 zu den ersten Staaten, die Israels Existenzrecht sowie seine Unabhängigkeit anerkannten. In den darauf folgenden Jahren entwickelten Iran und Israel etwa Kooperationsprojekte in der Infrastruktur- oder Landwirtschaftspolitik. Die heutige Feindschaft der beiden Länder steht auch im Kontrast zu ihrer jahrtausendealten gemeinsamen Geschichte, die bis auf die Eroberung Babylons durch den persischen König Kyros II. zurückgeht. Er befreite die Juden aus dem babylonischen Exil und erlaubte ihnen, ihren Glauben frei auszuüben und den Tempel in Jerusalem wieder aufzubauen. Noch heute befinden sich wichtige jüdische Heiligtümer und Pilgerstätten im Iran. Im Mittelalter hatten jüdische Gelehrte hohe Staatsämter inne. Im 20. Jahrhundert lebten zeitweise über 100.000 Juden im Iran. Auch meine Familie lebte damals in direkter Nachbarschaft, Haustür an Haustür, mit iranischen Juden zusammen und mein Urgroßvater besuchte eine jüdische Schule.
Doch seit Beginn der Islamischen Republik haben viele Juden den Iran verlassen. Damit sank 1979 die Zahl der Juden von etwa 65.000 auf heute unter 10.000. Trotzdem befindet sich die größte jüdische Gemeinde in der islamischen Welt auch heute noch im Iran. Ein Ende des Islamischen Regimes wäre nicht nur für den Iran der Anfang eines neuen Kapitels. Das Ende des Regimes hätte für die ganze Region enorme Auswirkungen. Insbesondere für die Beziehungen zwischen Iran und Israel. Es wäre ein neues Kapitel, das über eine politisch-strategische Partnerschaft – wie sie zwischen 1948 und 1979 bestand – hinausgehen kann. Mein Traum ist, dass diese neue Partnerschaft an die Jahrtausende alte gemeinsame Verbindung anknüpft. Aus dieser Verbindung soll Leben statt Tod hervorgehen. So kann der Iran erneut zum Segen für Israel werden.
![Dr. Ana Hoffmeister, Jahrgang 1985, ist verheiratet und Mutter von zwei Kindern. Sie arbeitet freiberuflich als Unternehmensberaterin. Kurz nach ihrer Geburt floh ihre Familie aus dem Iran nach Deutschland.](https://www.pro-medienmagazin.de/wp-content/uploads/2025/02/DR_eRGB2_28_Ana_Hoffmeister_176_neu_sw_03-scaled-e1738932082400-1024x577.jpg)
Dr. Ana Hoffmeister, Jahrgang 1985, ist verheiratet und Mutter von zwei Kindern. Sie arbeitet freiberuflich als Unternehmensberaterin. Kurz nach ihrer Geburt floh ihre Familie aus dem Iran nach Deutschland.
Von: Ana Hoffmeister