Analyse

Die Union und die Kirchen: Ein Schritt vor, zwei zurück

Die politischen Bevollmächtigen der Kirchen hatten die Union in der Vorwoche für deren Asyl-Pläne heftig kritisiert – schlugen aber wenig später versöhnliche Töne an. Namhafte CDU-Politiker schießen aber zurück.
Von Martin Schlorke
Friedrich Merz wird der Kanzlerkandidat der Union für die Bundestagswahl 2025

Es war ein Paukenschlag. Vergangene Woche warnten die beiden großen Kirchen in einem Brandbrief die Unionsparteien davor, eine Verschärfung der Asylpolitik notfalls mit Unterstützung der AfD durch den Bundestag zu bringen. Die Befürchtung: Die Demokratie könne dadurch Schaden nehmen. Unterzeichnet war das Schreiben von den Leitungen der Berliner Büros der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der katholischen Deutschen Bischofskonferenz (DBK) – namentlich Anne Gidion und Karl Jüsten.

Der Aufschrei war innerhalb der Union, aber auch in den Kirchen selbst groß. Bei den Katholiken schien der Vorgang nicht abgesprochen zu sein. Zudem war wohl die Mehrheitsmeinung im Ständigen Rat, sich nicht öffentlich zu äußern. Die EKD verwies gegenüber PRO darauf, dass Stellungnahmen der Bevollmächtigten auf „Grundlage der entsprechenden Beschlusslage der EKD“ erfolgen.

Bekanntermaßen fand der Gesetzesvorschlag der Union am Freitag keine Mehrheit – obwohl die AfD dafür stimmte. Dennoch war die Folge bundesweiter Protest, der auch in Gewalt gegenüber CDU-Einrichtungen ausuferte.

Befürchtete die Union einen „Budde-Moment“?

Auch der CDU-Parteitag am Montag in Berlin wurde mit Protesten begleitet – und traditionell mit einem Gottesdienst eröffnet. Grußwort und Predigt sollten von eben jenen Gideon und Jüsten gehalten werden, die wenige Tage zuvor im Alleingang die CDU heftig kritisiert hatten. Nicht unberechtigterweise stellten sich deswegen politische Beobachter die Frage, ob es zu einem „Budde-Moment“ kommen würde. Zu Erinnerung: Bischöfin Mariann Edgar Budde redete in ihrem Gottesdienst öffentlichkeitswirksam Donald Trump ins Gewissen, Gnade gegenüber Ausgegrenzten und Benachteiligten zu zeigen.   

Wohl auch aus Angst vor einem solchen Szenario erklärte die CDU kurzerhand den Gottesdienst zu einer nicht presseöffentlichen Veranstaltung – zur Verwunderung anwesender Pressevertreter, die sich mit Erlaubnis der Berliner Grunewaldkirche zum Gottesdienst eingefunden hatten. Die Focus-Journalistin Miriam Hollstein sprach gar von einem „Eklat“. Die Union sei „schwer nervös“.

Gegenüber PRO erklärte ein CDU-Sprecher, der Gottesdienst sei grundsätzlich nicht presseöffentlich gewesen, „das galt für alle und wurde klar kommuniziert“. Zugleich habe niemand Journalisten daran gehindert, ohne Kamera und Mikro an der Messe teilzunehmen. „Wir hatten das Vorgehen vorab mit der Gemeinde abgeklärt und dann so umgesetzt.“

Doch die Sorge der CDU war umsonst. Anstatt die Union weiter für ihren eingeschlagenen Weg zu kritisieren und ihnen die Leviten zu lesen, schlugen Gidion und Jüsten versöhnliche Töne an, verurteilten die Übergriffe auf Parteibüros der CDU „aufs Schärfste“ und dankten dafür, dass die Union „immer“ gegen Antisemitismus und Rassismus eingetreten sei. In Jüstens Predigt klang sogar sowas wie Selbstkritik an, als er etwa sagte: „Vielleicht sollten wir auch etwas milder sein, wenn Wahlkämpfenden im Eifer des Gefechts Fehler unterlaufen.“

Vorerst keine Befriedung in Sicht

Und auch der CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz wählte auf dem Parteitag versöhnliche, mindestens jedenfalls diplomatische Worte und schien wieder einen Schritt auf die Kirche zuzugehen. Denn er bedankte sich artig für den „eindrucksvollen“ Gottesdienst: „Das war ein guter Start in den heutigen Tag“, sagte er fast schon erleichtert. Und vielleicht hat sich Merz auch an seine eigenen Worte erinnert. Erst im Juni des Vorjahres würdigte er die Arbeit der Kirchen: Die Kirche begegne Krisen nicht mit Angst. Merz lobte damals vor allem die Flüchtlingsarbeit, mit der die Kirche ihre Stärke besonders in Notsituationen zeige. Auch deswegen sollte es Merz eigentlich kaum überrascht haben, dass die Kirchen seine Migrationspläne kritisch sehen.

Die Aufgabe jedenfalls, die Kirche teils heftig zu kritisieren, scheint anderen Parteimitgliedern zuzukommen. Auf dem Parteitag warf Bundestagsabgeordnete Detlef Seif den Kirchen gegenüber dem „Deutschlandfunk“ vor, schon seit Jahren nur noch grüne Politik zu vertreten. Auch in sozialen Netzwerken war dieser Vorwurf vielfach zu lesen.

Die frühere CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer beendete bereits am Tag der Bundestagsdebatte ihre Mitgliedschaft im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Sie selbst wollte sich zum am Montag bekanntgewordenen Rücktritt nicht äußern. Wie das „domradio“ jedoch berichtet, habe sie ihren Rückzug mit der Haltung des ZdK zur Migrationspolitik begründet.

Es gibt auch eine Zeit nach der Bundestagswahl

Gegenüber der FAZ äußerte auch der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) Unverständnis darüber, dass sich die Kirchen „überhaupt gegen die letzte verbliebene, sich klar zum Christentum bekennende politische Kraft aussprechen“. Die Politik müsse gegen irreguläre Migration handeln, auch „um den sozialen Frieden und die Solidarität unsere christlich geprägte Gesellschaft zu wahren.“

Die Kritik, von Rhein, Seif und Co. wirkt beinahe so, als würde man – nachdem Merz einen versöhnlichen Schritt auf die Kirchen zugegangen ist und die Kritik der Kirchen auf dem Parteitag ausgespart hat – wieder zwei Schritte zurückgehen und auf Angriff schalten.

Versöhnlichere Worte fand dagegen das katholische Urgestein Wolfgang Bosbach am Dienstag. Im Interview mit dem „domradio“ erklärte er, dass er in dem Streit mit der katholischen Kirche einen „schon länger anhaltenden Prozess“ sehe, der nun während des Wahlkampfes „ein bisschen eskaliert“. Allerdings sei er über die Härte und den Zeitpunkt verwundert. Trotz allem aber rät Bosbach zur Deeskalation. Denn nach dem Wahltag am 23. Februar müssten Demokraten am 24. Februar wieder zusammenarbeiten.

Nun werden die Kirchen nicht wahlentscheidend sein. Und dennoch: Einer Partei, die – trotz des internen Ringens – weiterhin das ‚C‘ im Namen trägt, steht es gut zu Gesicht, auch ohne eigenen Nutzen ein gutes Verhältnis zur katholischen und evangelischen Kirche zu pflegen.

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