Der italienische Bildungsminister Giuseppe Valditara hat in der vergangenen Woche eine größere Bildungsreform präsentiert, die ab dem Schuljahr 2026/2027 in Kraft treten soll. Das Ziel ist laut dem Minister der rechten Regierungskoalition, „das Beste aus unseren Traditionen für eine Schule zu nutzen, die in der Lage ist, die Zukunft zu gestalten“.
So sollen italienische Schüler wieder Latein lernen und Religionsunterricht haben. Beide Fächer sollen ab der Sekundarstufe mit einer Wochenstunde unterrichtet werden – allerdings ist die Teilnahme freiwillig. Im Religionsunterricht soll auch die Bibel als Lektüre dienen. Dazu sagte die Unterstaatssekretärin für Bildung, Paola Frassinetti, laut Angaben der Agentur ANSA, dass die Bibel „zahlreiche Werke der Literatur, Musik und Malerei inspiriert und das kulturelle Erbe vieler Zivilisationen beeinflusst hat“.
Im Geschichtsunterricht soll der Fokus künftig auf italienische und europäische Geschichte gelegt werden. „Die Idee besteht darin, dieses Fach als eine große Erzählung zu entwickeln, ohne sie mit ideologischen Überstrukturen zu beladen, und dabei auch die Geschichte Italiens, Europas und des Westens zu bevorzugen“, so Valditara. Zudem sieht die Reform vor, dass ab der Grundschule ein verstärkter Fokus auf die Fächer Musik und Grammatik und Literatur gelegt werden soll, beim Thema Literatur sollen Schüler auch wieder mehr auswendiglernen. Das Ziel liegt darin, den Kindern kulturelle Bildung näherzubringen.
Dies ist nicht die erste größere Bildungsreform der Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (Fratelli d’Italia). Im vergangenen September wurde die Note für Betragen wieder eingeführt. Sie bewertet das Verhalten des Kindes auf einer Skala von eins bis zehn. Um versetzt zu werden, müssen die Schüler mindestens fünf Punkte erreichen. Bei sechs Punkten müssen sie über die Sommerferien einen Aufsatz über aktive Bürgerschaft und Solidarität verfassen. Hintergrund dieser Reformen ist die schlechte Leistung italienischer Schüler. So können laut einer OECD-Umfrage 35 Prozent aller italienischen Erwachsenen (16–65 Jahre) einfache Sätze nicht verstehen. Eine Studie des italienischen Instituts „Censis“ zufolge mangelt es vielen Italienern an grundlegendem kulturellen und geschichtlichen Wissen.
Elly Schlein, Vorsitzende der größten Oppositionspartei der Sozialdemokratischen PD (Demokratische Partei), kritisierte, dass Valditara eine nostalgische Vorstellung von Bildung habe und Autorität mit Autoritarismus tauschen würde. Die laut „Süddeutscher Zeitung“ auf mehr Disziplin, mehr Heimatverbundenheit und mehr traditionellen Werten ausgelegte Reform stößt nicht nur in der Politik auf Widerstand. Kritik für diese Reformen kam auch aus der Wissenschaft und von Verbänden. „Die Aufnahme des Bibelstudiums in das Programm ist eine klare politische Entscheidung im Einklang mit den reaktionären und konservativen Vorstellungen der Regierung“ erklärte Tommaso Martelli, nationaler Koordinator der Schülervertretung. Pädagogische Experten warnen zugleich vor einer „Retro-Politik“, die nicht dem Stand der Wissenschaft entspreche.
Von: Noah Beier