Antisemitismus weltweit verbreitet

Antisemitische Haltungen nehmen weltweit zu, wie eine Studie zeigt. Dabei befürworten viele Bürger Beziehungen mit Israel.
Von Elisabeth Hausen
Juden in Berlin sind zunehmend mit antisemitischen Angriffen und Beleidigungen konfrontiert

Fast die Hälfte der Erwachsenen weltweit vertritt antisemitische Auffassungen. Das geht aus einer Studie der „Anti-Defamation League“ (ADL) mit Sitz in New York hervor. Für den Index „Global 100“ wurden zwischen Juli 2023 und November 2024 in 103 Ländern und Regionen Umfragen durchgeführt. Seit der ersten Studie im Jahr 2014 hat sich der Anteil mehr als verdoppelt.

An der Erhebung nahmen mehr als 58.000 Bürger teil. Die Länder und Regionen repräsentieren 94 Prozent der weltweiten Bevölkerung, teilte die ADL am Dienstag mit.

Die Organisation spricht von tief eingewurzelten antisemitischen Auffassungen. Teilnehmer, die mehr als sechs von elf negativen Stereotypen gegen Juden als „auf jeden Fall wahr“ oder „wahrscheinlich wahr“ ansehen, haben demnach eine antisemitische Haltung. Das gilt für 46 Prozent der Teilnehmer – also für etwa 2,2 Milliarden Menschen.

Zu den genannten Klischees gehörten die Aussagen „Menschen hassen Juden wegen ihres Verhaltens“ oder „Juden haben zu viel Kontrolle über die Medien“. Auch den Satz „Juden kümmern sich nur um das, was ihren eigenen Leuten passiert“ sollten die Teilnehmer bewerten.

Nahost und Nordafrika vor Asien und Osteuropa

Am höchsten ist der Anteil derjenigen, die einen großen Teil der angeführten Klischees für wahr halten, in Nahost und Nordafrika. Dort liegt er bei 76 Prozent. Darauf folgen Asien (51 Prozent), Osteuropa (49) und Afrika südlich der Sahara (45). Vergleichsweise niedrig ist der Anteil in Nord- und Südamerika (24), Ozeanien (20) und Westeuropa (17).

Im Westjordanland und im Gazastreifen halten 97 Prozent der Befragten die meisten Stereotype für wahr, ebenso in Kuwait. In Indonesien sind es 96 Prozent. Am niedrigsten ist der Anteil mit 5 Prozent in Schweden. Je 8 Prozent der Teilnehmer äußerten derlei Ansichten in Norwegen, den Niederlanden und Kanada. In Deutschland waren es 9 Prozent, in Österreich 16 und in der Schweiz 23 Prozent.

Von den Befragten weltweit hatten 20 Prozent nichts vom Holocaust gehört. Knapp die Hälfte (48 Prozent) erkennt dessen historische Genauigkeit an. Bei den 18- bis 34-Jährigen beträgt der Anteil 39 Prozent – für die ADL ein „besorgniserregender demografischer Trend“.

Von den Jüngeren hegen 50 Prozent antisemitische Empfindungen. Bei den Teilnehmern über 50 Jahre sind es 13 Prozentpunkte weniger. Von den 18- bis 34-Jährigen stimmten beispielsweise 40 Prozent der Aussage zu: „Juden sind für die meisten Kriege der Welt verantwortlich“. In der Altersgruppe über 50 waren es 29 Prozent.

Fast drei Viertel für Beziehungen mit Israel

Allerdings meinen 57 Prozent aller Befragten, dass Hass gegen Juden ein ernstes Problem in der Welt ist. Das ziehe sich durch alle geografischen Regionen, Altersgruppen, Bildungsniveaus und politischen Orientierungen. Hier könnten Regierungen anknüpfen, um dem Trend entgegenzuwirken, schreibt die ADL.

Dass ihr jeweiliges Land Beziehungen mit Israel haben sollte, denken 71 Prozent der Teilnehmer. 75 Prozent sind sprachen sich dafür aus, israelische Touristen zu empfangen. Einen Boykott israelischer Produkte lehnten 67 Prozent ab. Hingegen bekundeten 23 Prozent Unterstützung für die Terrorgruppe Hamas. Bei den Jüngeren betrug dieser Anteil 29 Prozent.

ADL-Generaldirektor Jonathan A. Greenblatt sagte: „Antisemitismus ist nichts weniger als ein weltweiter Notfall, vor allem in einer Welt nach dem 7. Oktober.“ Die Befunde seien zutiefst alarmierend. Die Organisation forderte staatliche Eingriffe, mehr Bildung, zusätzliche Schutzmaßnahmen in den Sozialen Medien und neue Sicherheitsprotokolle, um antisemitische Hassverbrechen zu verhindern. Daran müssten sich Regierungen, Zivilgesellschaft und Einzelpersonen beteiligen.

Die Fehlerquote der Studie wurde mit 4,4 Prozent bei einem Kontingent von 500 Befragten (die große Mehrheit der Umfragen) und mit 3,2 Prozent bei 1.000 Teilnehmern angegeben. 

Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen