Welchen Einfluss haben soziale Medien auf Wahlen?

Vier Forscher kommen zu dem Entschluss: Soziale Medien beeinflussen die öffentliche Meinung, sind aber nicht entscheidend für Wahlentscheidungen. Allerdings erhalten Extrempositionen durch Plattformen wie Tiktok mehr Aufmerksamkeit.
Von Petra Kakyire
Hand zu sehen, hält ein Smartphone, es sind die Facebook-Meta Apps und weitere zusehen

Die Rolle der sozialen Medien im Wahlkampf wird oft überschätzt. Diese These vertraten vier Forscher Anfang Januar bei einem Pressegespräch des „Science Social Media Centers“. Soziale Medien spielten demnach zwar eine Rolle bei der politischen Ausrichtung der Wahlberechtigten, seien aber nicht ausschlaggebend für die Wahlentscheidung selbst, sagte Judith Möller, Professorin für empirische Kommunikationsforschung an der Universität Hamburg. Der Einfluss von Plattformen wie Tiktok, Instagram und Facebook auf die Wahlentscheidung sei deutlich geringer als oft angenommen. Vielmehr würden verschiedene Faktoren wie Herkunft, Bildung und persönliche Erfahrungen darüber entscheiden, wem die Wähler ihre Stimme geben.

Informationen aus sozialen Netzwerken beeinflussen bei zunehmender Nutzung die Meinung, erklärte Möller. Soziale Medien bieten laut Möller eine Plattform für extreme Positionen, die in der öffentlichen Debatte oft eine größere Rolle spielen, als sie es in der Gesellschaft tatsächlich tun. Von dieser Dynamik profitierten vor allem Parteien wie die AfD, die sich frühzeitig auf soziale Medien konzentriert hätten, sagte Möller. Der Bamberger Professor Andreas Jungherr plädierte dafür, dass auch die etablierten Parteien stärker auf soziale Netzwerke setzen sollten, um die pluralistische Demokratie als solche zu unterstützen. Ein Engagement „drei Wochen vor der Wahl“ sei nicht förderlich.

Soziale Medien verzerren die Realität

Gleichzeitig warnen die Forscher davor, dass die klassischen Medien nicht jede provokante Nachricht aufgreifen sollten, da dies die Verbreitung von Desinformation nur verstärke. „Nicht jede Desinformation muss berichtigt werden. Wenn Massenmedien eine Desinformation aufgreifen, um sie zu berichtigen, erhält sie dadurch oft erst eine viel größere Verbreitung, als sie es vorher hatte“, sagte der Leipziger Professor für Kommunikationsmanagement, Christian Hoffmann.

Probleme und Unzufriedenheit seien häufige Themen in den Medien. Dabei werde die Realität durch die sozialen Medien ins Negative verzerrt. In der Folge würden die Menschen die Lage des Landes schlechter wahrnehmen, als sie tatsächlich ist. „Social Media ist wie ein Stresstest für die Demokratie“, sagte Jungherr. Phillip Müller, Medienwissenschaftler an der Universität Mannheim, betonte, wie wichtig es sei, dass die Gesellschaft lerne, die verschiedenen „Diskussionsarenen“ differenziert zu betrachten und sich nicht von den Verzerrungen der sozialen Medien ablenken zu lassen. Er sei optimistisch, dass sich die Menschheit durch „Social-Media-Verzerrungen, von den Überbetonungen randständiger Positionen oder Problematiken wie Hassrede“ nicht komplett abbringen lasse.

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