Die Zahl der von einer deutschen Sterbehilfeorganisation vermittelten Fälle von Hilfe bei der Selbsttötung ist im vergangenen Jahr erneut gestiegen. Insgesamt vermittelten die drei Organisationen „Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben“ (DGHS), „Sterbehilfe Deutschland“ und „Dignitas-Deutschland“ nach eigenen Angaben in 977 Fällen Suizidassistenz. Das waren gut 100 Fälle mehr als im Vorjahr. Nur die DGHS registrierte aber einen Anstieg der Zahlen, bei den anderen Organisationen gingen sie zurück.
Der Verein DGHS, der am Dienstag in Berlin seine Bilanz präsentierte, vermittelte im vergangenen Jahr in 623 Fällen Ärzte an Menschen, die sich das Leben nehmen wollten. 2023 waren es nach Angaben des Vereins 418, im Jahr davor 229. Die Hamburger Organisation „Sterbehilfe Deutschland“ hatte in der vergangenen Woche einen Rückgang der Fallzahlen gemeldet – von 200 im Jahr 2023 auf 171 im Jahr 2024. Zudem vermittelt in Deutschland die Organisation „Dignitas“ diese Form der Sterbehilfe. Deren Fallzahl verringerte sich 2024 auf 183, wie die Organisation auf Nachfrage mitteilte. 2023 waren es demnach noch 257 Fälle.
DGHS-Präsident Robert Roßbruch rechnet nach eigenen Worten damit, dass auch bei seinem Verein die Zahlen künftig nicht mehr so stark steigen wie in der Vergangenheit. Es sei ein „Sättigungsgrad an Anträgen“ erreicht, sagte er. Im Januar hätten sich die Fälle des Vereins auf dem Niveau des Vorjahresmonats bewegt.
Die Zahl der Fälle, in denen sich Menschen durch Hilfe von Sterbehilfeorganisationen das Leben nehmen, war seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Suizidassistenz im Jahr 2020 stetig gestiegen. Die Karlsruher Richter hatten damals entschieden, dass das Recht auf selbstbestimmtes Sterben auch das Recht umfasst, sich das Leben und dabei Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen. Es kippte damit ein pauschales Verbot organisierter Suizidassistenz. Eine neue Regelung, die diese Form der Sterbehilfe ermöglicht, gleichzeitig aber vor Missbrauch schützt, kam seitdem nicht zustande.
Die „Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben“, zuvor vorrangig ein Interessenverein, vermittelt seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts selbst Suizidhilfe. Voraussetzung ist nach Angaben des Vereins eine mindestens sechsmonatige Mitgliedschaft. Neben den Kosten dafür berechnet der Verein für die Hilfe bei der Selbsttötung eine Pauschale in Höhe von 4.000 Euro, bei Paaren, die sich gemeinsam das Leben nehmen wollen, 6.000 Euro. Auch bei den anderen Organisationen werden Mitgliedsbeiträge und Kosten bei einer Inanspruchnahme der Vermittlung verlangt.
In 38 Fällen nahmen sich 2024 Paare unterstützt von der DGHS gemeinsam das Leben – dreimal so viele wie im Jahr zuvor, wie Roßbruch sagte. In der überwiegenden Mehrheit entscheiden sich den Angaben zufolge hochaltrige Menschen für die Sterbehilfe. Motive seien Multimorbidität und „Lebenssattheit“.
In 18 Fällen habe die Organisation Suizide von Menschen, die in stationären Einrichtungen untergebracht waren, vermittelt, sagte Roßbruch. Darunter seien drei evangelische und zwei katholische Pflegeeinrichtungen gewesen. Während Suizidassistenz in evangelischen Einrichtungen „wesentlich liberaler“ gesehen werde, lehnten katholische Einrichtungen dies weiter kategorisch ab, sagte Roßbruch. In den beiden Fällen seien die Menschen per Krankenhaustransport zu Angehörigen gebracht worden, um sich dort und nicht in der Einrichtung das Leben zu nehmen. Roßbruch kündigte an, dass der Verein in einem nächsten vergleichbaren Fall gegen die Einrichtung klagen wolle.