Kommentar

Was Paulus zur „Schwachkopf“-Debatte sagen könnte

Beleidigungen im Netz sind Normalität geworden. Strafanzeigen dagegen auch. Müssen wir uns alle mal entspannen? Oder sollte jeder Fall zur Anzeige gebracht werden? Vielleicht geht es aber auch um etwas ganz anderes.
Von Nicolai Franz

Es gibt Menschen, die fühlen sich im Internet so richtig frei und machen ihrem Unmut gerne Luft. Unter dem vermeintlichen Schutz der Anonymität hacken sie zwischen dem ersten und zweiten Kaffee am Morgen verbale Breitseiten in die Tasten, dass es nur so donnert. Im echten Leben würden sie es sich wohl kaum trauen. Aber das stört sie nicht.

Dass solches Verhalten Konsequenzen haben kann, zeigte der Fall eines Mannes, der kürzlich Robert Habeck (Grüne) als „Schwachkopf“ bezeichnete. Zwar hatte er auch schon zu Nazi-Vergleichen gegriffen, aber die Staatsanwaltschaft nahm dennoch die Beleidigung zum Anlass, dem Mann im Morgengrauen einen Besuch abzustatten.

Habeck und die Grünen sind kein Einzelfall. Viele Politiker, auch zum Beispiel aus den Reihen der Union, nutzen sogar Firmen, die Beleidigungen im Netz aufspüren und sich um eine mögliche Strafverfolgung kümmern.

Man könnte jetzt lange darüber diskutieren (das taten wir in der Redaktion auch), ob es der richtige Ansatz ist, solche Aussagen anzuzeigen oder sie besser stoisch zu ertragen. Ob die Staatsanwaltschaft hier verhältnismäßig gehandelt hat (meine Meinung: hat sie nicht) oder ob Politiker besonders zu schützen sind.

Zwei Beobachtungen darüber will ich mit Ihnen teilen, liebe PRO-Leser.

Die erste Beobachtung: Immer mehr Politiker ziehen sich aus der Politik zurück, weil sie für ihre Positionen, für ihre Aussagen, für ihre Fehler nicht nur kritisiert werden, sondern auch beleidigt – und sogar bedroht. Einer von ihnen ist der CDU-Abgeordnete Marco Wanderwitz, der auch Mitglied im Trägerverein der Christlichen Medieninitiative pro ist.

Wollen wir es wirklich ignorieren, dass Politiker, die sich großteils ernsthaft um gute Arbeit bemühen, den ganzen Tag und die ganze Nacht lang angeschrien und beleidigt werden – bis sie nicht mehr können? Weil ihnen ihre eigene Gesundheit und der Schutz ihrer Familie im Zweifel wichtiger sind als ein Dienstwagen und ein Bundestagsbüro? Politik ist ein hartes Geschäft, hieß es schon immer. Nicht jeder kann diesen Job durchhalten. Aber wo Menschen mit Worten gebrochen werden, ist eine rote Linie überschritten.

Die zweite Beobachtung: Freiheit ist etwas Wunderbares. Die Meinungsfreiheit ist eine der vornehmsten. Sagen, was man denkt, das dürfen nur wenige Menschen auf dieser Erde. Aber mit dieser Freiheit kommt eine Verantwortung.

Paulus hat das schön zusammengefasst: „Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten.“ Wir dürfen sehr viel sagen. Das ist unsere Freiheit. Und manchmal ist es auch richtig, auf den Tisch zu hauen und in die sprachliche Waffenkiste zu greifen.

Aber diese Freiheit muss auch Grenzen haben, denn nicht immer wird aus deftigen Worten etwas Gutes. Diese Worte müssen eine Ausnahme bleiben, denn sie sind auch für den Absender eine Gefahr: Wer sich in Kakophonie suhlt, der wird auf Dauer bitter, pessimistisch und griesgrämig. Solche Menschen gibt es viele, leider auch unter Christen. Sie sind beherrscht von ihrer Unbeherrschtheit, und sie zerstören mehr, als sie aufbauen. Paulus spricht diese Warnung einen Satz weiter aus: „Alles ist mir erlaubt, aber nichts soll Macht haben über mich.“

Beleidigungen im Netz haben eine größere Macht auch über die, die sie schreiben und lesen, als ihnen bewusst ist. Sie dienen der Befriedigung niederer Instinkte, sie streben nicht nach dem Guten. Sie sind keine gut gemeinten konstruktiven Ratschläge, sondern schlecht gemeinte destruktive Angriffe auf die Person.

Daran sollten sich Christen nicht beteiligen.

Was bedeutet das in der Praxis auf Facebook, Instagram, X und Co.? Man kann statt „Schwachkopf“ (oder weit Schlimmeren) auch schreiben: „Frau Politikerin, ich finde Ihre Politik grundfalsch. Bitte ändern Sie sie sofort.“

Oder auch mal einfach schweigen. Die größte Macht hat der Bürger nämlich ohnehin an der Wahlurne.

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