„Typen wie Trump werden verehrt, gerade weil sie Normen brechen“

Dass Donald Trump erneut Präsident der USA werden konnte, ist zu einem großen Teil auch den Evangelikalen zu verdanken. Der Soziologe Detlef Pollack meint: Dass sich Trump als Krieger für Gott präsentiert, sei „ein apokalyptisches Szenario“.
Von Jörn Schumacher
Der Religionssoziologe Detlef Pollack

Evangelikale Christen machen in den USA etwa 20 Prozent der Bevölkerung aus. Wie Studien zeigen, stehen etwa 80 Prozent von ihnen stehen hinter Trump. Dass Trump sich ihnen als Erlöser und als ein Krieger für Gott präsentiert, nennt der Religionssoziologe Detlef Pollack „ein apokalyptisches Szenario“. Im Interview mit „Domradio“ sagt er: „Am Ende der Zeit wird die Erlösung kommen, aber zuvor sollen sich die Verhältnisse verschlechtern. Trump tut ja vieles, um die Situation in der Welt, besonders in Amerika, als schlecht darzustellen. Er redet vom wirtschaftlichen Niedergang, einem zugemüllten Amerika, das gereinigt werden müsse.“

Trump präsentiere sich als derjenige, der die USA wieder „reinigen“ könne. „Er nutzt religiöse Sprache, um sich als Retter zu inszenieren.“ Pollack ist Professor für Religionssoziologie an der Universität Münster, zu seinen Forschungsgebieten gehört der religiöse Wandel in West- und Osteuropa und in den USA. Zu den Gründen, warum so viele Evangelikale Trump gewählt haben, sagt Pollack: „Die Evangelikalen fühlen sich seit Jahrzehnten von der amerikanischen Mehrheit verachtet und betrachten sich als am stärksten verfolgte Gruppe, noch stärker als Afroamerikaner oder Muslime.“

Diesen empfundenen Niedergang und das Gefühl, nicht anerkannt zu sein, wollten sie umkehren. Trump sei aus dieser Sicht betrachtet „die Rettung, weil er bestimmte evangelikale Werte vertritt – wie etwa die Abtreibungsfrage – und konservative Richter ernennt“. Pollack weiter: „Trotz aller Zweifel daran, dass Trump wirklich ein Christ ist, erkennen sie ihn als Bündnispartner.“ Gott könne eben auch einen Sünder für seine Zwecke einsetzen. „So sehen sie Trump als Mittel, um ihre Interessen durchzusetzen.“

„Trickster“ bringen absichtlich göttliche Ordnung durcheinander

Wenn Atheisten kritisieren, erst Religion könne so größenwahnsinnige Typen wie Trump hervorbringen, sei diese Kritik „nicht völlig unberechtigt“, findet Pollack. „In der Religionsgeschichte gibt es die Figur des Tricksters – einer Figur, die ständig Grenzen überschreitet und oft als ‚Dümmling‘ erscheint, die aber zugleich eine Verbindung zum Übermenschlichen und Göttlichen herstellt. Solche Figuren werden verehrt, gerade weil sie Normen brechen, was viele als befreiend empfinden.“

Trickster werden Figuren in der Mythologie oder Literatur genannt, die mit Hilfe von Tricks die Ordnung im (göttlichen) Universum durcheinanderbringen. Johann Wolfgang von Goethe etwa lässt in „Faust“ Mephistopheles sagen: „Ich bin der Geist der stets verneint! / Und das mit Recht; denn alles was entsteht / Ist werth daß es zu Grunde geht; / Drum besser wär’s daß nichts entstünde. / So ist denn alles was ihr Sünde, / Zerstörung, kurz das Böse nennt, / Mein eigentliches Element.“ In neuerer Zeit wird oft eine Verbindung zwischen dem Trickster und dem klassischen „Internet-Troll“ hergestellt.

Der Religionssoziologe ist überzeugt, dass viele amerikanische Evangelikale bereit wären, auch die in der Verfassung verankerte Trennung von Staat und Kirche aufzuheben. Auf die Frage, ob er so etwas auch in Deutschland für möglich halte, erwidert der Soziologe: „In Westeuropa und speziell in Deutschland fehlt die religiöse Leidenschaft für so etwas. Wenn jemand hier Ähnliches versuchen würde, wäre das lächerlich. In den USA dagegen sind über 80 Prozent der Menschen religiös und glauben an Gott.“

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