Gefährdet Donald Trump die Demokratie in den USA? Falls dem so ist, bedürfte es mutiger Helden, die sich dem entgegenstellen. Helden wie Dietrich Bonhoeffer. So beschwor der amerikanische Pastor Jim Wallis vor kurzem in seinem Buch „The False White Gospel“ den Heldenmut des deutschen Widerstandskämpfers und Theologen. Es sei der „Bonhoeffer-Moment“ für die amerikanische Kirche gekommen, und „christlicher Widerstand“ müsse sich gegen den christlichen Nationalismus stemmen. Doch es geht auch andersherum: Rechte Amerikaner, die sich auf Bonhoeffer berufen.
Der Theologe kämpfte gegen das Nazi-Regime in Deutschland und verlor dadurch sein Leben. Auf Hitlers Befehl wurde Bonhoeffer im April 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg hingerichtet. „Angel Studios“ („The Chosen“) hat den Spielfilm „Bonhoeffer: Pastor. Spy. Assassin.“ produziert, der am 14. November in den USA in den Kinos startete. Er erzählt die letzten Jahre Bonhoeffers nach, mit namhaften Schauspielern, auch aus Deutschland. Der Film basiert auf der umstrittenen Bonhoeffer-Biografie „Pastor, Agent, Märtyrer und Prophet“ des amerikanischen Autors Eric Metaxas.
Nun haben sich zehn Hauptdarsteller des Films gegen eine Vereinnahmung durch radikale Evangelikale gewehrt. In einem öffentlichen Statement heißt es, die Schauspieler seien „tief besorgt über den Missbrauch unseres Films und des Vermächtnisses von Dietrich Bonhoeffer durch christliche Nationalisten“. Unterzeichnet wurde das Statement unter anderen von den deutschen Schauspielern Jonas Dassler, der Bonhoeffer spielt, August Diehl (Martin Niemöller) und Moritz Bleibtreu (Karl Bonhoeffer). Ihr Film erzähle etwas ganz anderes „als das, was einige wenige Radikale aus ihm machen wollen“, heißt es in dem Statement, das von der Internationalen Bonhoeffer-Gesellschaft veröffentlicht wurde.
„Dietrich Bonhoeffer lebte in einer Zeit, in der Faschismus und Nationalismus Demokratie und Menschenrechte unterdrückten und letztlich Millionen von Menschenleben kosteten“, heißt es in der Erklärung. „Er sprach offen über die Verbrechen der Nazis, die Unterwanderung der Kirche durch die Nazis und unterstützte Opfer dieses Staates.“ Weiter heißt es: „In der heutigen Gesellschaft haben Populisten und Nationalisten keine Angst davor, die Geschichte und in diesem Fall das Erbe eines ganzen Mannes zu verdrehen, um ihre unmenschliche Weltanschauung zu untermauern.“ Der Film diene unter anderem dem Zweck zu erinnern, „dass es notwendig ist, sich gegen jeden autoritären, gewalttätigen Versuch auszusprechen, Demokratie und Menschenrechte zu schädigen“.
„Populisten interessieren sich nie für die Sanftmütigen, sie erzählen Lügen“
Zu Bonhoeffers Lieblingsstellen aus der Bibel habe die Bergpredigt gezählt. Darauf anspielend warnen die Unterzeichner: „Populisten und Nationalisten auf der ganzen Welt interessieren sich nie für die Sanftmütigen, die Trauernden oder die Friedensstifter. (…) Stattdessen spalten sie uns, verbreiten Angst, Lügen und bedrohen ihre politischen Gegner, indem sie sich selbst als Opfer und Ausgegrenzte darstellen – ein gängiger Trick rechtsextremer Gruppen weltweit.“ Gegen diese Art von Menschen habe sich Bonhoeffer ausgesprochen.
Der Film handele davon, wie man sich gegen totalitäre Regime aussprechen und gegen „Systeme der Lüge, Bigotterie, des Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus, Homophobie, Transphobie und Fremdenfeindlichkeit“ vorgehen könne.
Nachkommen Bonhoeffers wehren sich
Erst Mitte Oktober hatten 86 von 100 Nachkommen der Bonhoeffer-Geschwister ebenfalls einen Offenen Brief veröffentlicht, in dem sie vor einer Vereinnahmung des berühmten Theologen warnen. „Mit Entsetzen verfolgen wir, wie das Vermächtnis von Dietrich Bonhoeffer zunehmend von rechtsextremen Antidemokraten, Fremdenfeinden und religiösen Hetzern verfälscht und missbraucht wird“, heißt es in der Stellungnahme.
Eine „Schlüsselfigur“ für diesen Missbrauch sei Eric Metaxas, dessen Bonhoeffer-Biografie aus dem Jahr 2010 eine Millionenauflage erreichte. Der Autor mache in dem Buch aus Bonhoeffer „einen frommen Evangelikalen“. Metaxas sei zudem inzwischen ein „radikaler Trump-Anhänger“, der regelmäßig US-Präsident Joe Biden mit Hitler verglichen habe, vom „totalen Krieg“ spreche und Fotos von einer Bibel mit einer Pistole in den sozialen Medien poste.
Die Produktionsfirma hinter dem Film „Bonhoeffer“, „Angel Studios“, nennen die Unterzeichner „rechts-evangelikal“. Sie bewirbt den Film mit dem Satz: „Der Kampf gegen die Tyrannei beginnt jetzt.“ Auf dem Bild dazu hat Bonhoeffer eine Pistole in der Hand.
Der Film trage zu einer „Trivialisierung und Verkitschung“ von Bonhoeffers Vermächtnis bei, kritisieren die Erben. Bonhoeffer sei jedoch ein „vielschichtiger Denker“ gewesen, der sich vor allem mit Fragen der Ethik befasste. „Aus dem Zusammenhang gerissen, zu frommen Sprüchen und Widerstandspathos degradiert, sind Bonhoeffer-Zitate zu Versatzstücken verkommen, mit denen sich inzwischen vom ‚Project 2025‘ bis zum deutschen Rechtsextremisten Höcke auch viele schmücken, deren Absichten Bonhoeffers Denken und Handeln diametral widersprechen.“
„Bonhoeffer nicht zur Legitimation politischer Gewalt heranziehen!“
Im Film spiele die Gewaltfrage eine wichtige Rolle. Das vernachlässige etwa das ökumenische Engagement Bonhoeffers, kritisierte Florian Höhne, Präsident der deutschsprachigen Sektion der Internationalen Bonhoeffer-Gesellschaft, gegenüber der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ). „Dieses Bonhoeffer-Narrativ kann als Legitimierung der Gewalt verstanden werden, auch gegen demokratisch gewählte Regierungen“, sagt Höhne. Im stark polarisierten Klima der USA seien dies gefährliche Worte.
Auch eine internationale Gruppe von Bonhoeffer-Forschern startete Mitte Oktober auf der Plattform change.org eine Kampagne gegen den Film. „Jeder Versuch, Dietrich Bonhoeffer und seinen Widerstand gegen Hitler als Legitimation für heutige politische Gewalt heranzuziehen, ist entschieden zurückzuweisen“, heißt es in dem Offenen Brief, der unter anderen von der Präsidentin der Internationalen Bonhoeffer-Gesellschaft und den ehemaligen Ratsvorsitzenden der evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber und Margot Käßmann, unterzeichnet wurde sowie von Heinrich Bedford-Strohm, Gründer der Dietrich-Bonhoeffer-Forschungsstelle für öffentliche Theologie an der Universität Bamberg.