Kolumne

Malala und das Recht, zur Schule zu gehen

Malala Yousafzai ist die jüngste Trägerin des Friedensnobelpreises. Uwe Heimowski erzählt in seinem Buch „Ist das fair?“ ihre Geschichte. Ein Textauszug.
Von PRO
Die jüngste Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai kämpft um das Recht auf Bildung für Mädchen.

Es ist ein dunkler, kühler Morgen in Schweden an diesem 10. Dezember 2014. Heute ist Malalas großer Tag. Schon morgens kann sie vor Aufregung nicht stillsitzen. Sie probiert ein Kleid an. Dann ein anderes. Und wieder das Erste. Schließlich entscheidet sie sich für das orange mit den roten Stickereien, wie man es traditionell in Pakistan trägt. Dazu eine dünne weiße Jacke und einen roten Schal als Kopftuch, der lose um ihre Schultern hängt. Ihr Haar ist gescheitelt und zu einem Zopf gebunden.

Malala liest ihre Rede noch einmal durch und probt sie vor dem Spiegel. Malala ist 17 Jahre alt und heute wird sie hier in Stockholm, der Hauptstadt von Schweden, den wichtigsten Preis überreicht bekommen, den es gibt: Den Friedensnobelpreis. Malala ist der jüngste Mensch, der jemals den Friedensnobelpreis bekommen hat. Die Preisträger halten eine Rede. Hunderte Millionen von Menschen auf der ganzen Welt werden Malala auf ihren Fernsehgeräten sehen.

Einmal in jedem Jahr wird der Friedensnobelpreis an Menschen verliehen, die sich für Frieden und Menschenrechte einsetzen. Manchmal bekommt ihn eine einzige Person, manchmal sind es mehrere und manchmal erhält ihn auch an eine Organisation. 2014 werden zwei Preisträger ausgezeichnet: Malala, die aus Pakistan stammt, und ein Mann aus ihrem Nachbarland Indien.

Das ist eine gute Wahl: Ein Mann und eine Frau. Ein etwas älterer Mensch und ein Teenager. Aus zwei Ländern, die sich oft bedrohen. Gemeinsam sollen sie auf der Bühne stehen. Ein Zeichen für den Frieden.

„Ich erhebe meine Stimme nicht, um zu schreien, sondern um für die zu sprechen, die keine Stimme haben.“

Malala Yousafzai

Der Inder Kailash Satyarthi, setzt sich für die Rechte von Kindern ein und möchte, dass alle Jungen und Mädchen die gleichen Chancen auf Bildung erhalten. Das passt gut, denn auch Malala kämpft dafür, dass alle Kinder zur Schule gehen dürfen. In ihrem Land Pakistan war das für viele Mädchen verboten.

Malala Yousafzai ist in Mingora geboren. Die Stadt hat ungefähr 300.000 Einwohner – das sind so viele wie in Karlsruhe oder in Augsburg. Mingora liegt im Swat-Tal, ist 1000 Meter hoch und von sehr hohen Bergen umgeben.

Malalas Vater war Lehrer und leitete eine Schule. Natürlich besuchte auch die wissbegierige Malala die Schule und liebte es, zu lernen und sich mit Freundinnen zu treffen.

Doch ein einziger Tag veränderte alles, Malala war gerade 11 Jahre alt. In ihrem Land Pakistan und im Nachbarland Afghanistan gibt es eine Gruppe, die sich Taliban nennt. Diese Taliban führten Krieg gegen die Regierung des Landes. Die Taliban wollen einen Gottesstaat errichten, wie sie es nennen. Alle Menschen sollen so an Gott glauben wie sie. Wer das nicht will, wird mit Gewalt dazu gezwungen.

In der Vorstellung der Taliban dürfen Mädchen nicht zur Schule gehen. Sie müssen sich um die Hausarbeit kümmern und Kinder erziehen. Wenn sie das Haus verlassen, müssen sie eine Burka tragen, ein schwarzes Kleid, das nur ganz kleine Schlitze für die Augen enthält. Viele ältere Taliban zwingen junge Mädchen, sie zu heiraten.

An diesem Tag überfielen die Taliban das Swat-Tal. Sie hatten Gewehre auf Autos geschraubt und schossen auf die Menschen auf der Straße. Sie nahmen den Bürgermeister und die Polizisten gefangen und herrschten jetzt über die Stadt Mingora.

Sofort verboten die Taliban den Mädchen, weiter die Schule zu besuchen. Malalas Eltern ließen sich das nicht gefallen. Sie schickten ihre Tochter heimlich weiter zum Unterricht. Als die Taliban das erfuhren, wurden Malala und ihre Familie beschimpft und bedroht.

Doch obwohl sie damals erst 11 Jahre alt war, ließ sich das mutige Mädchen nicht einschüchtern. Malala begann, die schlimmen Erfahrungen in einem Tagebuch aufzuschreiben. Ein Freund der Familie schickte die Texte an einen Radiosender, den englischen BBC. Der BBC machte daraus Sendungen, die man in vielen Ländern hören konnte. Malala wollte, dass die Menschen auf der ganzen Welt etwas über ihr Leben unter der Herrschaft der Taliban erfahren. Sie und ihre Eltern kämpften dafür, dass Mädchen weiter zur Schule gehen durften.

Anfangs wurden die Beiträge anonym gesendet, das bedeutet, ohne den Namen von Malala zu nennen, um sie zu schützen. Doch Malalas Tagebücher wurden weltweit bekannt. Überall auf der Welt redeten Menschen über dieses mutige Kind. Malala wurde zu einer Symbolfigur. Andere Menschen nahmen sich an ihr ein Beispiel für den Kampf gegen die Unterdrückung von Mädchen und Frauen.

Malala wurde noch mutiger: Sie trat öffentlich auf und sprach vor vielen Menschen. Malala forderte die Regierung auf, dafür zu sorgen, dass alle Kinder – in Pakistan und anderen Ländern – zur Schule gehen können. Bildung ist ein Menschenrecht. So steht es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, auf die sich alle Länder gemeinsam geeinigt haben. Auch Pakistan. Malala wusste das. In ihren Reden und Tagebucheinträgen forderte sie dieses Recht ein.

Doch nicht nur die Menschen weltweit, auch die Taliban bekamen natürlich mit, was Malala sagte und schrieb. Sie wurden wütend. So wie Malala durfte nach ihrer Meinung ein Mädchen nicht leben und nicht reden.

Ein feiger Taliban-Kämpfer versteckt sich auf ihrem Schulweg und schoss auf Malala. Sie wurde schwer verletzt. Aber zum Glück kam sie schnell in ein Krankhaus und die Ärzte operierten das Mädchen.

Malala überlebte den Angriff. Zeitungen und Radios und Fernsehsender auf der ganzen Welt berichteten darüber. In Schulklassen wurde Malalas Geschichte im Unterricht erzählt. In Gottesdiensten wurde für sie gebetet. Malala ist eine Muslima. Ihre Religion ist der Islam. Auch die Taliban nennen sich Muslime. Aber sie benutzen ihren eigenen Glauben, um andere Glaubende zu unterdrücken. Dabei soll der Glaube eines Menschen doch eigentlich zum Frieden führen.

Nach dem Attentat gab es immer mehr Menschen, vor allem Frauen und Mädchen, die Malala unterstützten. Das mutige Mädchen ließ sich von dem Angriff nicht entmutigen. Im Gegenteil: Sie setzte ihren Kampf für Bildung noch entschlossener fort. Sie gründete den Malala-Fund, eine Organisation, die Spenden sammelt und sich mit dem Geld für das Recht auf Bildung für alle Mädchen weltweit einsetzt.

Als sie 16 war, erzählte Malala ihre Geschichte einem Schriftsteller. Das Buch „Ich bin Malala“ wurde veröffentlicht. Es wurde ein Bestseller und in viele Sprachen übersetzt.

Im Jahr darauf erhielt Malala den Friedensnobelpreis für ihren Einsatz für Bildung und ihren Kampf gegen die Unterdrückung von Kindern und Jugendlichen

Heute lebt Malala in Großbritannien und setzt sich weiterhin für Bildung ein. Sie hält Vorträge, schreibt Bücher und arbeitet mit verschiedenen Organisationen zusammen, um sicherzustellen, dass alle Kinder Zugang zu Bildung haben.

Malalas Geschichte zeigt, dass auch junge Menschen etwas bewirken können, wenn sie für das kämpfen, woran sie glauben.

Uwe Heimowski: „Ist das fair? Ein kleines Buch über Gerechtigkeit“, Neufeld Verlag, 86 Seiten, ISBN 978-3-86256-193-3

Zur Person

Uwe Heimowski ist Leiter der christlich-humanitären Hilfsorganisation „Tearfund“ und Mitglied des Vorstandes der Christlichen Medieninitiative pro, die auch das Christliche Medienmagazin PRO herausgibt. An dieser Stelle schreibt er einmal im Monat darüber, was er mit Menschen aus aller Welt erlebt.

Von: Uwe Heimowski

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