Theologen protestieren gegen Vereinnahmung Bonhoeffers in den USA

Theologen protestieren gegen die Vereinnahmung Dietrich Bonhoeffers durch christliche Nationalisten in den USA, die sein Erbe zur Legitimation politischer Gewalt nutzen. Ein offener Brief fordert eine klare Abgrenzung.
Von PRO
Dietrich Bonhoeffer wurde einen Monat vor Kriegsende erhängt. Er wurde 39 Jahre alt. Seine theologischen Aufsätze, Briefe und Gedichte sind unvergessen.

Deutsche und amerikanische Theologen haben in einem offenen Brief gegen die Vereinnahmung des NS-Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) protestiert. Christliche Nationalisten beriefen sich in der aufgeheizten Stimmung in den USA immer häufiger auf Bonhoeffer. Sein Leben und Werk würden in diesem Milieu zunehmend dazu benutzt, politische Gewalt zu legitimieren, heißt es in dem offenen Brief, den die „Zeit“ am Donnerstag veröffentlicht.

Unterzeichnet ist der Brief unter anderen von den beiden ehemaligen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber und Heinrich Bedford-Strohm. Huber war als junger Theologe an einer Neuedition von Bonhoeffers Werk beteiligt.

In dem offen Brief führen die Unterzeichner als Beispiel unter anderem den US-amerikanischen Autor Eric Metaxas an. Der habe 2010 in seiner Biografie „Bonhoeffer: Pastor, Martyr, Prophet, Spy“ (dt. Bonhoeffer: Pastor, Agent, Märtyrer und Prophet) – die im englischen Original Fehler enthalte und kritisiert worden sei – Bonhoeffer für den christlichen Nationalismus instrumentalisiert. Im Dezember 2020 sei Metaxas beim „Jericho-Marsch“ in Washington mit Anführern gewaltbereiter Milizen und Verschwörungstheoretikern aufgetreten, kurz vor der Kapitolstürmung. Der Autor vergleiche die Verurteilten des Kapitolsangriffs mit Widerstandskämpfern wie Dietrich Bonhoeffer und Martin Niemöller.

Vor allem christliche Nationalisten behaupteten historisch falsche Gleichsetzungen zwischen der Gegenwart und dem totalitären NS-Regime und legitimierten so ihre zunehmende Gewaltbereitschaft. Im aktuellen, stark polarisierten Klima der Vereinigten Staaten sei das besonders gefährlich. Denn der Ausgang der Präsidentschaftswahl am 5. November könne eine noch nie da gewesene Welle der Gewalt nach sich ziehen, schreiben die Autoren. „Jeder Versuch, Dietrich Bonhoeffer und seinen Widerstand gegen Hitler als Legitimation für heutige politische Gewalt heranzuziehen, ist entschieden zurückzuweisen.“

Dietrich Bonhoeffer war ein deutscher evangelischer Theologe und Mitglied des militärischen und zivilen Widerstands gegen das NS-Regime. Als früher Gegner des Nationalsozialismus setzte er sich gegen die Verfolgung von Juden ein und war an den Attentatsplänen des 20. Juli 1944 gegen Adolf Hitler beteiligt. Bonhoeffer wurde schon 1943 verhaftet und 1945 wenige Tage vor Kriegsende im Konzentrationslager Flossenbürg hingerichtet. Sein theologisches Werk umfasst akademische Schriften wie seine „Ethik“, aber auch Briefe und Gedichte über seine Haftzeit. Viele Menschen kennen sein Gedicht „Von guten Mächten“.

epd/Norbert Schäfer

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