Kolumne

Halima Hamadi: Ein Bund Zwiebeln gegen die Verzweiflung

In der von Dürre betroffenen Region Baligubadle in Somaliland haben sich Frauen zusammengeschlossen, um durch nachhaltige Anbaumethoden und den Bau von Zisternen eine neue Lebensgrundlage zu schaffen. Uwe Heimowski hat sich die Kooperativen angesehen.
Von PRO
Halima Hamadi

Mehr als einhundert Meter – durch felsigen Boden – muss man bohren, um in der Region Baligubadle an Wasser zu kommen, ein aufwendiges und sehr teures Verfahren. Der Grundwasserspiegel ist in den letzten Jahren stark gesunken, die meisten Quellen sind versiegt. Nach der verheerenden Dürre am Horn von Afrika im Jahre 2022 waren mehr als 800.000 der Bewohner von Somaliland auf humanitäre Nothilfe angewiesen, viele mussten ihre angestammte Heimat verlassen. Bis heute ist jeder sechste Somali ein IDP (internally displaced person), ein Flüchtling im eigenen Land.

Halima Hamadi hält ein Bund Zwiebeln in der Hand. Sie steht in einem Gewächshaus, das rote Tuch, das sie um ihre Schultern und den Kopf geschwungen hat, leuchtet vor dem grünen Hintergrund. „Diese Zwiebeln habe ich geerntet“, sagt sie stolz. „Und bald sind die Gurken reif, dann die Okra und danach die Papaya. Mein Mann bringt sie in die Stadt und verkauft sie auf dem Markt. Endlich wissen wir wieder, wovon wir leben können.“

Halima lebt im Distrikt Baligubadle in Somaliland. Somaliland ist eine autonome Republik im Norden Somalias mit gut sechs Millionen Einwohnern, die sich nach dem Bürgerkrieg von 1991 von Somalia gelöst hat, aber international nur von Taiwan als souveräner Staat anerkannt wird. Somaliland hat eine eigene Regierung, eigenes Militär, eine eigene Währung, ein unabhängiges Rechtssystem – und im Unterschied zu Somalia eine gewisse politische Stabilität. Das Land ist reich an Bodenschätzen, wie Erdöl oder Gold, doch fehlt es am Geld und der Technik, diese abzubauen. China und Saudi-Arabien zeigen Interesse. Aber ob deren Knebelverträge der Bevölkerung zugutekommen werden? Die Menschen auf dem Land sind bettelarm, eine weitere Dürre wie 2022 würde die nächste humanitäre Katastrophe auslösen.

Neue Konzepte für die Landwirtschaft

Halima und ihre Familie mussten verzweifelt mitansehen, wie das Getreide auf ihren Feldern vertrocknete. Doch sie wollten ihre Heimat nicht verlassen, hier ist ihr Land, seit Generationen in Familienbesitz, hier leben ihre Verwandten. Ohne internationale Hilfe hätten sie vielleicht nicht überlebt. Die Nahrungsmittelpakete des Welternährungsprogramms haben tausende Leben gerettet. Auch das von Halima und ihrer Familie. Doch die Nothilfe ist zeitlich befristet – nun gilt es, eine beständige Lebensgrundlage aufzubauen.

Die traditionellen Anbaumethoden funktionieren nicht mehr. Die Veränderungen des Klimas führen zu längeren Trockenzeiten, die Keimlinge verbrennen, die Früchte vertrocknen. Der Boden trocknet so stark aus, dass er das Wasser während der Regenzeiten, deren Niederschlag immer größer wird, nicht mehr aufnehmen kann. Auf die Dürre folgen Überschwemmungen. Ein Phänomen, das in vielen Ländern der Erde auftritt. Neue, nachhaltige Konzepte für die Landwirtschaft sind gefragt. Es braucht verfügbares Wasser, klimabeständige Saaten, gutes Werkzeug. Und dazu qualifizierte Bäuerinnen und Bauern. Entwickelt und umgesetzt („implemented“) werden diese Konzepte der sogenannten Übergangshilfe in Zusammenarbeit von lokalen und internationalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs), finanziert werden sie über die Entwicklungszusammenarbeit (EZ).

In Baligubadle schlossen sich kleine Gruppen zu Kooperativen zusammen. Diese werden von Trainern auf dem Weg begleitet, um neue Anbaumethoden zu erlernen, damit sie auf lange Sicht vom Ertrag ihrer Arbeit nachhaltig leben können. Halima bewarb sich für ein Projekt, bei dem vor allem Frauen beteiligt sind – und wurde genommen.

Was haben diese Frauen gemacht, dort in Baligubadle? Da die Brunnen versiegen, wurden als erstes Zisternen gebaut, die das Wasser auffangen und es durch Überdachungen gegen Verdunsten schützen, Berkeds heißen diese Becken in Somaliland. Im nächsten Schritt wurden Felder abgesteckt und Wälle gebaut, ums sie gegen Hochwasser zu schützen, und Gewächshäuser errichtet. Dann ging es an das Bestellen der Felder und die Aussaat. Ein schwieriger Schritt im Projekt. Fast alle Frauen haben keine Schule besucht und können nicht lesen und schreiben. Sie kommen aus bäuerlichen Traditionen, doch sie müssen viel lernen über die veränderten Trocken- und Regenzeiten, über klimabeständiges Saatgut, über Fruchtwechsel und vieles mehr. Halima lässt sich darauf ein. Und staunt selber, wie gut sie mitkommt. Mit Eifer ist sie dabei, kräftig unterstützt von ihrem Mann.

Vor zwei Jahren hat das Projekt begonnen, heute präsentiert Halima stolz die Ernte, die sie und ihre Mitstreiterinnen vor kurzem eingebracht haben. Und ich sehe es in ihrem Blick: Das Bund Zwiebeln in ihrer Hand ist so viel mehr als nur ein schöner Ernteerfolg, es ist ein lebendiges Symbol der Hoffnung – nach der Verzweiflung durch die Hungersnot.

Zur Person

Uwe Heimowski ist Leiter der christlich-humanitären Hilfsorganisation „Tearfund“ und Mitglied des Vorstandes der Christlichen Medieninitiative pro, die auch das Christliche Medienmagazin PRO herausgibt. An dieser Stelle schreibt er einmal im Monat darüber, was er mit Menschen aus aller Welt erlebt.

Von: Uwe Heimowski

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