Lausanne entschuldigt sich für Vortragsäußerungen über Israel

„Geiseln, die sowohl von Israel und Hamas gehalten werden“: Dieser und andere Sätze in einem Vortrag von Ruth Padilla DeBorst auf dem Lausanne-Kongress in Seoul hatten am Montag für Irritationen gesorgt, unter anderem unter messianischen Juden. Nun hat Konferenzdirektor Bennett um Entschuldigung gebeten.
Von Nicolai Franz

David Bennett, Direktor des Lausanne-Kongresses 2024 in Seoul, hat für einen Vortrag um Entschuldigung gebeten, der unter Teilnehmern Empörung ausgelöst hatte. Stein des Anstoßes waren Äußerungen zum Thema Israel.

„Als Kongressdirektor möchte ich mich für einen Vortrag in dieser Woche entschuldigen, in dem die ‚dispensationalistische Eschatologie‘ in einem kritischen Tonfall herausgehoben wurde“, so Bennett. Darin sei unterstellt worden, dass diese theologische Denkrichtung „zu Gewalt und Ungerechtigkeit beiträgt“. Dabei sei nicht darauf hingewiesen worden, „dass viele Theologien als Rechtfertigung für Gewalt missbraucht und falsch angewandt wurden“.

Die dispensationalistische Theologie betont in Bezug auf Israel, dass Gottes Bund mit Israel als auserwähltes Volk weiter existiere. Dem entgegen stehen Auffassungen, dass die Kirche Jesu Christi das Volk Israel als erwähltes Volk ersetzt habe.

Kritik von messianischen Juden

Außerdem sei im Vortrag „zwar auf das Leiden des palästinensischen Volkes hingewiesen jedoch kein vergleichbares Mitgefühl für das Leiden des israelischen Volkes zum Ausdruck gebracht“ worden. „Auch die Sorge um viele andere Völker und Nationen der Welt, die sich derzeit in einem gewaltsamen Konflikt befinden, wurde nicht angemessen zum Ausdruck gebracht.“

Konkret ging es um einen Vortrag der Theologin Ruth Padilla DeBorst, den Bennett aber nicht beim Namen nannte. Padilla DeBorst ist gebürtige Kolumbianerin, die unter anderem am Western Theological Seminary in Michigan lehrt. Die Theologin hatte bereits auf der Lausanne-Konferenz 2010 in Kapstadt gesprochen und gehört dem progressiven Flügel der Evangelikalen an. Padilla DeBorst hatte die Zuhörer aufgerufen, für Gerechtigkeit einzustehen. In ihrem Vortrag hatte sie mehrere Aussagen über Israel, die Palästinenser und den Nahostkonflikt getätigt.

Wörtlich hatte sie über Dispensationalismus gesagt: „Was das Volk Gottes zu einem solchen macht, sind nicht oberflächliche Ausdrücke religiöser Frömmigkeit, christlicher Jargon, Anbetungslieder oder kolonialistische Theologien, die Unterdrückung unter dem Deckmantel einer Dispensationseschatologie rechtfertigen und finanzieren.“

Zudem hatte sie vor Gleichgültigkeit gewarnt gegenüber denen, die unter der „Geißel von Krieg und Gewalt in der ganzen Welt leiden“ und nannte dabei auch die „Geiseln, die sowohl von Israel als auch von der Hamas festgehalten werden.“ Für Kritik hatte die Aussage gesorgt, auch Israel halte Geiseln, was nicht der Wahrheit entspricht.

„Ehrliche und hilfreiche“ Gespräche

Das messianisch-jüdische Netzwerk „Lausanne Consultation on Jewish Evangelism“ (LCJE) hatte daraufhin Beschwerde eingelegt. Zunächst hatte Lausanne auf PRO-Anfrage auf einer Pressekonferenz mitgeteilt, es habe sich bei den Äußerungen Padilla Deborsts um eine „unglückliche Wortwahl“ gehandelt, für die sich Lausanne selbst so nicht entschieden hätte. Die Vorträge der Referenten wurden jeweils vor dem Kongress von den Verantwortlichen der Lausanner Bewegung gelesen.

Nach PRO-Informationen hatte es am Dienstagnachmittag Gespräche zwischen LCJE-Präsident Dan Sered, der Rednerin Ruth Padilla DeBorst und Konferenzdirektor Bennett gegeben, wie Sered bestätigte. „Die Gespräche waren ehrlich und hilfreich, um die tiefe Verletzung zu kommunizieren, die verursacht wurde.“ 

Padilla DeBorst habe sich bei Sered persönlich entschuldigt. Er sei dankbar und stolz, Teil der Lausanner Bewegung zu sein, „die nicht nur über Demut, Umkehr und Versöhnung spricht, sondern sie tatsächlich lebt.“ Er akzeptiere und schätze die Entschuldigung von Bennett und der Lausanne-Leitung. „Das ist die Kraft des Evangeliums, die mitten unter uns wirkt.“

In einem offenen Brief vom Mittwoch nahm Padilla DeBorst ebenfalls Stellung. Sie habe mit ihren Äußerungen zum Dispensationalismus niemanden verletzen wollen. Der Schmerz, den sie verursacht habe, tue ihr leid. „Was ich hier anspreche, ist die beunruhigende theologische Begründung, die manche Menschen anführen, um Unrecht gegen bestimmte andere Menschen zu begehen.“ Ihre Aussage über die angeblich von Israel gehaltenen Geiseln korrigierte sie nicht.

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