Frauenausschuss diskutiert Sexkaufverbot

Soll Sexkauf bestraft werden? Eine Vorlage der Union dazu liegt derzeit im Frauenausschuss des Bundestages. Heute tauschten Experten Argumente aus – und waren sich erwartungsgemäß uneinig.
Von Anna Lutz
Prostitution ist in Deutschland: wie die Politik damit umgehen soll, darüber wurde heute wieder im Bundestag gestritten

Am Anfang der Anhörung zum Thema „Sexkauf verbieten“ stand ein brutaler Blick in die Realität. Alexander Dierselhuis, Polizeipräsident in Duisburg, berichtete vom Kampf deutscher Behörden und Beamter gegen Zwangsprostitution. Er habe Frauen gesehen, „die die Initialen ihrer Zuhälter auf den Hals tätowiert bekommen, um sie als Eigentum zu kennzeichnen“ oder trotz massiver Verletzungen im Genitalbereich weiterhin zur Prostitution genötigt würden.

Es gebe ein „massives Vollzugsdefizit“ der Polizei. Prostitution spiele sich in einem abgeschotteten Milieu ab. Niemand spreche mit der Polizei, die Frauen wagten nicht, Missbrauch anzuzeigen oder gegen Zuhälter auszusagen. Er beobachte ein „massives Dunkelfeld schon im jetzigen System“. 

Deshalb, und das mag nach diesen Schilderungen nicht überraschen, ist Dierselhuis für die Einführung eines sogenannten „Nordischen Modells“, wie es die Unionsfraktion im Deutschen Bundestag vorgeschlagen hat. Ein Sexkaufverbot, so sagte er, würde den Markt verkleinern. Es würde einen „einfach nachzuweisenden Tatbestand“ schaffen, Prostituierte würden geschützt, auch vor den Zuhältern, gegen die sie heute nicht auszusagen wagten. 

Laut dem Vorschlag der Unionsfraktion sollen ausschließlich Freier und Zuhälter, nicht aber die Prostituierten bestraft werden. Letzteren bietet der Vorschlag der Union breite Ausstiegshilfen. Die Vorlage wurde im Februar erstmals in Parlament beraten und in den zuständigen Ausschuss überwiesen. Die Anhörung im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend folgte am Montag. Die Perspektive des Polizeipräsidenten war dort freilich nur die eine Seite.

Sexkaufverbot „extrem diskriminierend“

Für die Juristin Margarete von Galen ist ein „Sexkaufverbot der falsche Weg“. Schließlich könne ein Beruf nicht einfach abgeschafft und vor allem Frauen nicht das Recht abgesprochen werden, selbst über ihre eigene Tätigkeit zu entscheiden. Das wäre in ihren Augen „extrem diskriminierend“. Stefanie Kohlmorgen vom „Bündnis der Fachberatungsstellen für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter“ forderte mehr Personal bei der Polizei und Aufklärungskampagnen statt einer emotionalisierten Debatte. „Dinge verschwinden nicht einfach dadurch, dass sie verboten werden“, sagte sie.

Die Sozialarbeiterin Andrea Hitzke von der „Mitternachtsmission Dortmund“ beklagte, ein Verbot würde „Sexarbeit noch weiter in die rechtliche Grauzone drängen“. Gerade sozial schwache Personen würden durch ein Verbot noch mehr Gefahr laufen, ausgebeutet zu werden. Ganz anders sieht das ihr Berufskollege, der Sozialarbeiter der christlichen Einrichtung „Neustart e.V.“, in Berlin, Gerhard Schönborn. Er befürwortet ein Sexkaufverbot. Wenn er mit den Prostituierten auf der Straße spreche, dann bäten sie um Hilfe: „Sag ihnen, es muss sich was ändern, wir gehen hier kaputt“, zitierte er eine Frau. Die jetzige Prostitutionsgesetzgebung habe nichts Gutes für die Frauen getan.

Paradigmenwechsel dringend nötig

Auch Personen aus der Szene selbst kamen zu Wort. Die ehemalige Prostituierte und Buchautorin Huschke Mau erklärte, es brauche „dringend einen Paradigmenwechsel“ hin zu einem Verbot von Prostitution. Die Liberalisierung habe dazu geführt, dass Frauen „noch besser ausgebeutet werden können“. Frauen würden zu käuflichen Objekten degradiert. Sie sehe außerdem eine „Normalisierung sexueller Gewalt“. „Jeder Freier ist ein Täter“, sagte sie.

Ganz anders sieht das Johanna Weber, Sprecherin des „Berufsverbandes erotische und sexuelle Dienstleistungen“ und selbst Prostituierte. Es entstünden gerade sichere Arbeitsplätze in der Branche, deshalb müsse der liberale Weg weitergegangen werden, anstatt alles wieder zu ändern. „Das Sexkaufverbot schadet denen am meisten, denen es eigentlich helfen soll“, erklärte sie. 

Widerspruch kam von der Psychotherapeutin Brigitte Schmid-Hagenmeyer: „Gewalt ist in der Prostitution inhärent“, sagte sie. Die Hälfte der Prostituierten habe bereits Missbrauch als Kind erlebt. Niemals könne „Sex ohne Konsens“ ein „Fortschritt in der Gleichstellung“ sein, sagte sie in Richtung all jener, für die selbstbestimmte Prostituierung ein Recht statt eine Bürde für Frauen ist.  

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