Kommentar

Rettet die Kitas

Die Kitas in Deutschland stehen vor dem Kollaps. Eltern wissen schon lange: Nichts ist sicher in Sachen Betreuung. Zeit, dass sich was ändert.
Von Anna Lutz

Eltern können aufatmen. So zumindest lasen sich die Nachrichten von vergangenem Freitag: Immer mehr freie Kitastellen in Berlin und Brandenburg, hieß es etwa beim RBB. „Weniger Kinder werden geboren und der breite Ausbau von Betreuungsinfrastruktur der letzten Jahre zeigt Wirkung“, texteten die Journalisten weiter.

Hat also das Bangen um einen guten Kitaplatz – berufstätige Eltern werden es kennen – ein Ende? Können Mütter und Väter künftig froh und zufrieden in den Arbeitstag starten, nachdem sie ihr glückliches Kind morgens in der Einrichtung ihrer Wahl abgegeben haben und es dort von einer lächelnden und gute gelaunten Fachkraft in Empfang genommen wurde, womöglich noch mit den Worten: „Heute haben wir einen tollen Ausflug geplant!“?

Die Antwort ist erwartbar: Natürlich nicht.

Denn trotz Kitaausbau, trotz der allein in der Hauptstadt laut Medien knapp 9.000 freien Stellen, ist die Lage in den Einrichtung dramatisch. Die Alice-Salomon-Hochschule in Berlin mit Fachrichtung Erziehung veröffentlichte am Donnerstag einen Aufruf zum Handeln. Das Kita-System stehe kurz vor dem Kollaps, heißt es darin. Denn was die zunächst positiv klingende Headline zu den freien Kitastellen nicht verrät: Es herrscht Fachkräftemangel.

Tausende Erzieher fehlen

125.000 Erzieher fehlen laut Paritätischem Gesamtverband in Deutschland. Und wenn man zudem den aktuellen Aufruf der Experten liest, wundert man sich kaum darüber, dass die Stellen nicht besetzt werden können. Demnach hat die Belastung des Personals seit der Pandemie stetig zugenommen. „Zeitdruck, Personalmangel und ungünstige Arbeitsbedingungen gefährden das Wohlbefinden und die Gesundheit der Fachkräfte.“ Zudem habe sich die Situation in den Kitas grundsätzlich verschlechtert. Knapp zwei Drittel der Erzieher sagen, sie könnten mit dem aktuellen Personalschlüssel nicht angemessen auf die Bedürfnisse der Kinder eingehen. Auch die räumlich-materielle Ausstattung sei nicht adäquat, das Geld zu knapp, um eine ausgewogene Ernährung für die Kinder zu gewährleisten.

Wer Kinder im entsprechenden Alter hat, der kennt es vielleicht selbst: Zwei Erzieher nehmen morgens zwei Dutzend Kinder in Obhut. Wer noch ein Gespräch sucht, etwa weil das Kind eine Verletzung mitbringt oder noch etwas wegen dem Abholen zu klären ist, kommt gar nicht bis zur Fachkraft durch, die dauerhaft von ihren Schützlingen umringt ist oder bereits von anderen Eltern in Beschlag genommen wurde. Mehr als „Hallo“ dringt gar nicht durch. Ausflüge in den Zoo oder auf den Spielplatz? Unter diesen Umständen ausgeschlossen. Und wenn dann auch noch die Kollegin krank wird, passiert, was ebenfalls zum desaströsen Gesamtbild gehört: Die Gruppe wird kurzfristig geschlossen, alle Eltern müssen ihre Kinder zuhause betreuen. Und können nicht auf der Arbeit erscheinen.

Die Kitakrise schadet allen

Seit der Pandemie ist das zu einem Dauerzustand in vielen Einrichtungen geworden, vor allem, wenn es auf den Winter und damit die Erkältungszeit zugeht. Wer also denkt, die Kitakrise sei nur ein Problem von Eltern, der liegt falsch. Sie sorgt dafür, dass berufstätige Mütter und Väter ihrer Arbeit nicht nachgehen können und bringen so einen wirtschaftlichen Schaden mit sich, der kaum zu beziffern ist. Ein Drittel aller Eltern musste seine Arbeitszeit aufgrund der Kita-Krise bereits reduzieren, erklären Experten. Eine Erhebung der Alice-Salomon-Hochschule zeigt zudem für Berlin: Bereits vor der Pandemie fühlte sich jedes fünfte Kind in seiner Kita unwohl. Die Lage dürfte sich stark verschärft haben.

Der Staat muss handeln und darf sich nicht länger auf dem Kita-Ausbau ausruhen. Denn ja, es gibt mehr Plätze für die Kinder (übrigens nach wie vor nicht genug, je nachdem, wohin man schaut). Das allein löst aber das Problem mitnichten. Es braucht bessere Personalschlüssel, eine bessere Bezahlung für Erzieher und Fachpersonal, bessere Ausstattung und mehr Finanzmittel für die Betreuung der Kleinsten.

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