Seine Satirebände füllten die Bücherregale der Bundesrepublik: Was Ephraim Kishon (1924-2005) schrieb, gehörte in den 1970ern zu den Lieblingsbüchern vieler Deutscher. Am 23. August vor 100 Jahren wurde der israelische Autor als Ferenc Hoffmann in Budapest in eine jüdische Familie hineingeboren. Er überlebte die Vernichtungspolitik der Nazis nur knapp durch Flucht aus einem Arbeitslager, viele Familienmitglieder wurden ermordet. 1949 emigrierte er, ohne ein Wort Hebräisch zu sprechen, nach Israel und erhielt bei der Einwanderung seinen neuen Namen.
„Schwer ist es, eine Bestsellerliste aus den siebziger Jahren zu finden, auf der der Name Ephraim Kishon fehlt“, schreibt der Literaturexperte Jörg Magenau: „Der israelische Humorist des Familienlebens und des israelischen Alltags war wie geschaffen für den deutschen Buchmarkt.“ 33 Millionen seiner weltweit 43 Millionen verkauften Bücher gingen in deutscher Sprache über den Ladentisch. Viele wurden fürs Fernsehen verfilmt. Magenau formuliert zugespitzt: „Ephraim Kishon war der Lieblingsjude der Nation, auch wenn er selber es als Ironie empfand, ausgerechnet in Deutschland am erfolgreichsten zu sein.“
„Nach allem, was er erlebt hatte, all den Demütigungen, die ihm in seiner Jugend aufs Grausamste angetan worden waren, linderte der Erfolg diese unheilbaren Wunden“, bilanzierte seine dritte und letzte Ehefrau Lisa Kishon-Witasek in ihrem Buch „Geliebter Ephraim“: „Wenn er arbeitete, dann pausenlos, sich schindend bis zur totalen Erschöpfung“, so beschrieb es die österreichische Schriftstellerin.
Kishon als Versöhner?
Immer wieder nahm Kishon die Bürokratie aufs Korn, etwa in der Groteske „Der Blaumilchkanal“: Der aus der Psychiatrie entflohene Kasimir Blaumilch reißt mitten in Tel Aviv mit dem Presslufthammer eine wichtige Verkehrsstraße auf, um einen Kanal zum Meer zu bauen. Die Behörden lassen das irre Vorhaben laufen, machen es sich zum Schluss sogar zu eigen: „Die offizielle Inbetriebnahme der Wasserwege erfolgte in feierlicher Weise durch den Bürgermeister.“ Tel Aviv sollte fortan den Beinamen „Das Venedig des Mittleren Ostens“ führen.
Viele Deutsche sahen in Kishon einen Brückenbauer zwischen Israelis und Deutschen. „Sie hatten diesen Wunsch nach Versöhnung. Kishon selbst hat sich überhaupt nicht als Versöhner oder Mittler verstanden“, sagte die Kishon-Biografin Silja Behre dem Evangelischen Pressedienst (epd): Sein Erfolg bei den deutschen Lesern sei ihm eine Genugtuung gewesen, aber er sei nicht sein Ziel gewesen. Ihr Buch „Ephraim Kishon: Ein Leben für den Humor“ ist im Juli erschienen.
Dem breiten Publikum sei nicht bewusst gewesen, dass Kishon nur knapp der Schoah entkommen sei. „Es ist nicht ganz so, dass Kishon darüber komplett geschwiegen hat. Seitens des Verlags und des Übersetzers kann man sagen, es sollte nicht in den Vordergrund gerückt werden“, fügte die promovierte Historikerin Behre hinzu: „Kishon hat das Thema NS-Zeit in Andeutungen immer einfließen lassen, sei es im Klappentext, sei es in einzelnen Texten, die auch früh auf Deutsch erschienen sind.“
Bibel als Lieblingsbuch
Nachdem sein kongenialer Übersetzer, der jüdische österreichische Schriftsteller Friedrich Torberg (1908-1979), gestorben war, übersetzte Ephraim seine Texte mithilfe des Verlages auf Grundlage der Roh-Übersetzung selbst ins Deutsche, wie Kishon-Witasek erklärte: „Bis ein Text druckreif war, schrieb Ephraim ihn immer wieder um. Ein einziges Wort an einer falschen Stelle und der Humor war zerstört.“
Kishons Titel bezogen sich oft auf biblische Themen: „Drehn Sie sich um, Frau Lot (1961), „Arche Noah, Touristenklasse“ (1962), „Nicht so laut vor Jericho“ (1970) oder „Kein Öl, Moses?“ (1974). Das sei kein Zufall gewesen, Kishon habe immer wieder die Bibel als sein Lieblingsbuch bezeichnet, weiß der Germanist Magenau: „Er scheute noch nicht einmal davor zurück, den Zimmermann Josef in einen Vaterschaftsprozess mit Gott zu verwickeln.“ Die „Fähigkeit zu lächeln“ sei das wertvollste Geschenk der Natur an den Menschen, schrieb Kishon einmal.
Liebe zu Israel
Die Existenz des Staates Israel war für ihn „das Wunder des 20. Jahrhunderts“, wie er 1999 der Zeitung „Die Welt“ sagte. Antisemitismus bezeichnete Kishon als „ekelhafte Krankheit“.
Kishon-Witasek strich heraus: „Er war immer pro Israel. Israel kritisieren bedeutete für ihn das Gleiche wie Antisemitismus.“ Und Israel bedeutete für ihn ein Stück Land auf dieser Erde, „wo seine tiefen Wunden heilen konnten, weil es dort keinen Antisemitismus gab. Der nach wie vor brodelnde Antisemitismus in der Welt bedrückte ihn tief.“
Kishon litt zeitlebens darunter, dass ihn die Literaturkritik in Deutschland als Trivialautor betrachtete. „Ein Schriftsteller gilt als seriös. Einer, der die Menschen lachen macht, kann doch nicht seriös sein. Stimmt’s?“«, fragt er launig in einem Text aus den 1970ern: „Erst wenn man stirbt, wird man ein Schriftsteller. Zu Lebzeiten ist man Humorist.“ Ephraim Kishon, Vater von drei Kindern, erlag am 29. Januar 2005 in seiner zweiten Heimat Schweiz einem Herzanfall. Er wurde 80 Jahre alt.