Rezension

Buch von Tanja Kinkel: Gilt Gottes Bund mit Noah noch heute?

Die bekannte deutsche Roman-Autorin Tanja Kinkel versucht sich in ihrem neuen Buch an einer theologischen Betrachtung der menschengemachten Umweltzerstörung. Man kann fast schon von einer Bibelarbeit sprechen. Hat der Mensch noch Hoffnung?
Von Jörn Schumacher

Das Alte Testament berichtet von dem großen Schiff, das Noah auf Anraten Gottes baute, damit nicht alle Menschen und Tiere durch die Sintflut von der Erde vertilgt würden. Die Geschichte von Noah und seiner Arche wird häufig herangezogen, wenn es um einen Blick auf die heutige Umwelt geht und wie der Mensch mit ihr umgeht. Die Roman-Autorin Tanja Kinkel nimmt diese Bibelgeschichte zum Anlass, theologisch auf die Umweltkatastrophen von heute zu blicken. Besonders wichtig ist ihr dabei ein Punkt: Gott hat nach der Sintflut einen Bund mit dem Menschen geschlossen.

Kinkel stellt ihrem Buch ein Zitat von Papst Franziskus voran: „Der Schöpfer verlässt uns nicht, niemals macht er in seinem Plan der Liebe einen Rückzieher, noch reut es ihn, uns erschaffen zu haben. Die Menschheit besitzt noch die Fähigkeit, zusammenzuarbeiten, um unser gemeinsames Haus aufzubauen.“ (Aus der Enzyklika „Laudato si“ aus dem Jahr 2015.) Dieser Bund, von dem in 1. Mose 9 die Rede ist und der durch einen Regenbogen repräsentiert wird, zieht sich wie ein roter Faden durch Kinkels Buch. Das päpstliche Zitat gibt dabei die Richtung vor: Der Mensch hat noch Hoffnung, wenn er sich nur anstrengt.

Zwei Dinge beeindruckten Kinkel an dem biblischen Text über Noah nach eigener Aussage besonders: Erstens, dass dieser Bund nicht nur speziell mit Noah geschlossen wurde, sondern zugleich mit allen nachfolgenden Generationen. Zweitens, dass dieser Bund ebenso mit den Tieren besteht. „Nie wieder sollen alle Wesen aus Fleisch vom Wasser der Flut ausgerottet werden“, zitiert die Autorin die Bibel gleich mehrfach, und das „nie wieder“ setzt sie fett, als beschwöre sie diese Zusage Gottes geradezu. Besteht also noch Hoffnung?

Können Umweltsünden vergeben werden?

Kinkel erspart dem Leser größtenteils die bekannten Daten und Fakten zum Klimawandel. Angesichts von zunehmenden Hochwässern, Waldbränden und dem Aussterben von immer mehr Tier- und Pflanzenarten muss man auch kein Genie sein, um zu verstehen: Der (Um-)Welt geht es nicht gut. Und schuld daran ist der Mensch. Könnte man wie der Heilige Franziskus die Tiere verstehen, würden sie uns sicher Dinge sagen wie „Die Meere sind voller Plastik. Helft uns!“ oder „Wir fühlen Schmerz und Angst. Behandelt uns mit Respekt und Mitgefühl.“ Und sicher: „Massentierhaltung ist grausam.“

Kinkel stellt klar: Derjenige, der den Bund nach der Sintflut gebrochen hat, war jedenfalls nicht Gott. Es war der Mensch. Gott sei in seiner Schöpfung gegenwärtig, stellt Kinkel fest und zitiert mehrere Theologen, die in der Schönheit der Natur Anlass für die Bewunderung Gottes sehen. Was also, wenn der Mensch seinerseits den Auftrag, die Schöpfung zu bewahren, einzuhalten nicht in der Lage ist?

Tanja Kinkel: „Wir alle sind Noah. Über Menschen, Tiere und unsere Verantwortung für die bedrohte Erde“, Bonifatius Verlag, 128 Seiten, ISBN 978-3-98790-057-0, 12 Euro

Kinkel plädiert dafür, die Welt wieder als „ganze Schöpfung“ zu sehen und mehr „Geschwisterlichkeit“ walten zu lassen, um „uns alle als Teile eines Ganzen, einer Schöpfung, eines Bundes“ zu begreifen. Sie setzt der Sorge um die Schöpfung eine im Alten Testament gegebene Hoffnung entgegen. Doch so scharf sie den Bruch des Alten Bundes auch analysiert, so sehr übergeht sie gänzlich die Hoffnung, die das Neue Testament im „Neuen Bund“ in der Person Jesus Christus gibt, und an die Christen glauben. Kinkels Hoffnung, den Bund mit Gott doch noch einhalten zu können, sprich: die Erde zu retten, ist, theologisch gesprochen, auf die Welt gerichtet, nicht auf Gott. Auch wenn die eine Hoffnung nicht irgendwie „besser“ ist als die andere, so sagt die Bibel doch, dass die eine ewigen Bestand hat, die andere nicht.

Vielleicht liegt das Problem gar nicht darin, dass der Mensch die Schöpfung nicht zu schätzen weiß. Wahrscheinlich genießt jeder Umweltsünder in irgendeiner Weise seinerseits an anderer Stelle die Natur. Wer mit 180 Kilometern pro Stunde in einem SUV über Autobahn rast, wird von sich wahrscheinlich nicht unbedingt sagen, dass er die Natur hasst. Er hält es nur gerade nicht für notwendig, langsamer zu fahren oder sich ein sparsameres Auto zu kaufen.

Theologisch gesprochen ist das Problem nicht die Erkenntnis der (Umwelt-)Sünde, sondern das Unterlassen der (Umwelt-)Sünde. Biblisch gesehen steht der Mensch, in dieser Natur lebend, unweigerlich unter der Sünde. Paulus war klar: „Die Schöpfung ist ja unterworfen der Vergänglichkeit. (…) Denn auch die Schöpfung wird frei werden von der Knechtschaft der Vergänglichkeit zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick seufzt und in Wehen liegt.“ (Römer 8,20) So weit reicht Kinkels theologische Betrachtung dann aber leider nicht.

Foto: privat

Zur Person

Die 1969 in Bamberg geborene Tanja Kinkel gewann bereits mit 18 Jahren ihre ersten Literaturpreise. Ihre Bücher, historische Romane, Gegenwartsliteratur, Fantasy, Krimi, Thriller und Kinderbücher, wurden in mehr als ein Dutzend Sprachen übersetzt. Ihr bislang erfolgreichstes Werk heißt „Die Puppenspieler“. 1992 gründete sie die Kinderhilfsorganisation „Brot und Bücher“, welche die Bildung von Kindern in Afrika, Deutschland und Indien fördert. Der gemeinnützige Verein arbeitet vorwiegend mit christlichen Orden zusammen. Kinkel wurde 2009 mit dem Martinsmantel ausgezeichnet, einer Ehrung für sozial engagierte Christen. Sie sprach bereits 2010 auf dem Ökumenischen Kirchentag in München über den Bund, den Gott nach der Sintflut mit den Menschen und den Tieren schloss. Von diesem Thema inspiriert, schrieb sie bereits 2011 das Buch „Noahs Arche“.

Die Autorin erkennt: „Nein, das Paradies haben wir längst verlassen“, um dann ein irdisch ausgerichtetes „Aber“ hinzuzufügen: „Aber ist unsere Welt deshalb weniger erhaltenswert?“ Kinkels Lösung sieht dann eher pantheistisch aus: „Gott ist Immanenz und Transzendenz zugleich“, schreibt sie, und weiter: „Die Schöpfung ist kein abgeschlossener, sondern ein anhaltender Prozess.“ Mit dem Jesuiten Pierre Teilhard de Chardin meint sie: „Gott ist nicht der Schöpfer, indem er die Dinge von außen modelliert, er erschafft, indem er ‚von innen‘ her gegenwärtig ist, indem er die Materie beseelt, die dann gleichsam von selbst, aus einer Urkraft heraus zu wirken scheint.“ Das allerdings ist nicht biblisch.

Der „Bund“ zwischen Gott und den Menschen wurde in Jesus Christus erneuert; ohne ihn würde es keine ewige Hoffnung geben, und auch die Schöpfung würde niemals erlöst. Nicht nur wir sind in Christus eine neue Kreatur, sondern auch die Welt um uns herum wird, ja: muss untergehen, um in neuer, von Gott gewollter Herrlichkeit aufzuerstehen. Noahs Geschichte können Christen eben auch als Sinnbild für die Taufe betrachten: Ein Sterben des Fleisches im Wasser für eine Neugeburt im Geist.

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