Analyse: Keine Partei setzt christliche Wertvorstellungen vollumfänglich um

Wie christlich sind die Wahlprogramme der Parteien zur Landtagswahl in Sachsen am 1. September? Der Frage geht eine Untersuchung im Auftrag der Kirchen nach.
Von Johannes Blöcher-Weil
Der sächsische Landtag in Dresden

Wenn die Sachsen im September ihren Landtag wählen, spielen auch religiöse Themen eine Rolle. Das katholische und das evangelische Büro Sachsen sowie die katholische Erwachsenenbildung haben analysieren lassen, wie christlich die sächsische Politik ist. Dabei kam heraus: Keine Partei, die eine realistische Chance auf den Einzug in den sächsischen Landtag hat (CDU, SPD, Grüne, AfD, BSW, Die Linke und FDP), setzt die christlichen Wertvorstellungen programmatisch „vollumfänglich um“.

Für die Analyse untersuchten Wissenschaftler der Theologischen Fakultät Paderborn unter der Leitung von Peter Schallenberg die Felder Bildungs-, Familien- und Gesundheitspolitik, Integrations-, Wirtschafts- und Sozialpolitik sowie Klima- und Umweltpolitik. Die Aussagen in den Wahlprogrammen der aussichtsreichsten Parteien wurden der christlichen Sozialethik und den Sozialworten der beiden großen Kirchen in Deutschland gegenübergestellt.

Ein Thema ist die Migration. Ein respektvoller Umgang mit Flüchtlingen und Migranten sei für Kirchen selbstverständlich. Dabei gelte es, die Interessen der Migranten, ihrer Angehörigen und der Menschen im Zielland auszutarieren. Die Parteien sehen einen Schlüssel zur Integration im Erlernen der deutschen Sprache.

Familiennachzug begrenzen?

Einige Parteien schlagen vor, die Sprachkurse für Migranten auszuweiten oder Verwaltungsanträge mehrsprachig zur Verfügung zu stellen. Die CDU fordert dezidiert, Familiennachzug zu begrenzen. Unter fast allen Parteien besteht Konsens, die Möglichkeiten gesellschaftlicher Teilhabe zu fördern. Die AfD möchte religiöse Gesichtsverschleierung im öffentlichen Raum verbieten und Moscheeverbände überwachen.

Auch die Rückkehr von Flüchtlingen thematisieren die Parteien. Die Linke setzt sich dafür ein, allen Geflüchteten, die sich seit mindestens drei Jahren in Sachsen aufhalten, ein Aufenthaltstitel zu erteilen. Union, AfD und das BSW fordern eine konsequente und zügige Abschiebung von Migranten ohne Asylstatus, wobei die Forderungen der AfD am weitesten gehen.

Auffallend ist die Diskrepanz der Familienbilder der einzelnen Parteien: Die Grünen und auch die SPD definieren Familie als einen Ort, an dem Menschen gemeinsam Verantwortung übernehmen. Dagegen steht das traditionelle Familienmodell, das die Familie als eine Partnerschaft von Mann und Frau definiert, am ausgeprägtesten bei der AfD.

Die christlichen Kirchen sehen Ehe und Familie als Leitbild und Grundlage der menschlichen Gemeinschaft, in der sich Vertrauen und Liebe entwickelt. Im Blick auf andere Lebensformen und Fragen des Lebensschutzes am Lebensende gebe es zwischen den Konfessionen unterschiedliche Auffassungen. Die christliche Sozialethik betone stets die gleiche Würde beider Geschlechter.

Zum Thema Suizid führt die Untersuchung lediglich die Postionen der Kirchen an. Nicht jedoch, ob dazu die Wahlprogramme der Parteien etwas hergeben. In der Suizid-Debatte hatten die Kirchen darauf gedrungen, die sozialen Bedingungen erträglich zu gestalten. Der Staat dürfe sich nicht darauf beschränken, assistierten Suizid gesetzlich zu verbieten, ohne zugleich die Unterstützungsangebote auszubauen.

AfD verneint menschengemachten Klimawandel

Weit auseinander liegen die Aussagen der Parteien beim Thema Abtreibung. Linke und Grüne möchten einen flächendeckenden einfachen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen schaffen. Die Union lehnt diese Aufweichung ab, die AfD möchte die aktuelle Regelung sogar noch verschärfen.

Beim Thema Klima- und Umwelt, dass die Verfasser der Studie unter dem Aspekt Bewahrung der Schöpfung bewerten, polarisiere die AfD mit ihrem Narrativ, es gebe den menschengemachten Klimawandel nicht. Alle anderen Parteien teilen hingegen das Ziel des Klimaschutzes, wobei sich die Maßnahmen unterscheiden.

Im Bereich Bildung wollen viele Parteien bereits in Kita und Grundschule ansetzen und dort Kernkompetenzen wie Lesen, Schreiben und Rechnen vermitteln. Eine Forderung der AfD lautet, den Anteil nicht-deutschsprachiger Kinder in Kindertagesstätten auf 10 Prozent zu begrenzen, um die angemessene Sprachentwicklung der anderen Kinder nicht zu beeinflussen. Die AfD falle durch einen kritisch-ausgrenzenden Blick auf Kinder mit Migrationshintergrund auf, schreiben die Autoren.

Kirchliche Initiative „Für alle. Mit Herz und Verstand“

Als einzige Partei möchte das BSW die Vermögenssteuer wieder einführen. Das sieht die christliche Sozialethik kritisch, weil damit weder der Schutz des Privateigentums noch der unternehmerischen Freiheit gewährt sei. Alle Parteien teilen das Ziel, Altersarmut zu vermeiden. Diesen Wunsch hatten die Kirchen in ihrem letzten Sozialwort deutlich unterstrichen.

Die Kirchen selbst wollen ihren Beitrag für ein vitales Christentum und einen lebendigen Glauben leisten. Dies sei eine starke Basis für eine lebendige Demokratie. Dazu gehöre es, Menschen als Gottes Geschöpfe zu betrachten, sich mit den Schwachen zu solidarisieren und für eine lebendige Glaubenspraxis einzutreten. Demokratie brauche Religion und das Christentum.

In Sachsen hatten die katholischen Bischöfe sowie der evangelische Landesbischof die gemeinsame ökumenische Initiative „Für alle. Mit Herz und Verstand“ ins Leben gerufen. Diese ermutigt die Wähler dazu, „bei der Wahlentscheidung zu berücksichtigen, dass Menschenwürde, Nächstenliebe und Zusammenhalt“ für alle Menschen gelte.

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