Seelsorger für Sterneköche und Servicepersonal

Gottesdienste spätabends mit Gulaschsuppe und Gourmethäppchen: Pfarrer Lasi kümmert sich im Schwarzwald als Seelsorger um die Beschäftigten von Hotels und Restaurants. Und hat gemerkt: Pfarrer und Gastronomen haben viel gemeinsam.
Gastronomie-Pfarrer Matthias Lasi im Hotel Tanne in Baiersbronn-Tonbach im Schwarzwald

Matthias Lasi sitzt in einer urig eingerichteten Gaststube und trinkt einen Cappuccino. Das Hotel Tanne in Baiersbronn-Tonbach im Nordschwarzwald ist mittlerweile fast zu seiner zweiten Heimat geworden. Denn hier geht der „Gastronomie-Pfarrer“ nicht nur mit Freunden gerne mal etwas trinken, er hat dort auch ein zweiwöchiges Praktikum gemacht, Omelette für die Gäste gebacken und in der Küche geholfen: „Ich wollte sehen, wie es hinter der Küchentür zugeht.“

Als sich einmal der Azubi morgens verspätet habe, habe Praktikant Lasi den Orangensaft gepresst und allein mit ihr alles für das Frühstück zubereitet, erinnert sich Servicekraft Heike Kaufmann und lacht: „Da hat er mir wirklich aus der Patsche geholfen.“

Seit genau zwei Jahren ist der 60-Jährige neben seiner Arbeit als Pfarrer für die Evangelische Kirchengemeinde Schwarzenberg auch mit einer halben Stelle für die Gastronomie- und Tourismusseelsorge im Kirchenbezirk Freudenstadt zuständig – als bundesweit einziger Gastronomie-Pfarrer, wie er sagt. Sein Schwerpunkt liege vor allem auf dem Gastro-Bereich, denn: „Touristen können in den Kirchengemeinden die normalen Gottesdienste besuchen – Menschen in der Gastronomie nicht.“ Zur regulären Gottesdienstzeit am Sonntagmorgen ebenso wie an den Feiertagen herrscht in Hotels und Restaurants nämlich Hochbetrieb.

Gottesdienste für Gastro-Mitarbeiter

Und in Baiersbronn spielt die Gastronomie eine besonders große Rolle: Der kleine Schwarzwaldort wurde auch schon mal „Gourmethauptstadt“ genannt. Dort gibt es mehrere bekannte Hotel-Restaurants mit Sterneköchen hinter dem Herd, zwei von ihnen sind mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet.

Der Theologe bietet dreimal im Jahr „Gastro-Gottesdienste“ an, bei denen auch die katholischen Kollegen beteiligt sind: am Dienstag nach Ostern um 21 Uhr, zum Abschluss der Touristensaison im November und am Dienstag nach Epiphanias (6. Januar), dann wird am späten Abend ein Weihnachtsgottesdienst gefeiert. „Hier kann man nach dem Feiertagsbetrieb zur Ruhe kommen“, sagt Lasi.

Im Anschluss an den Weihnachtsgottesdienst gibt es einen Empfang bei einer traditionellen Gulaschsuppe und edlen Häppchen, die die Gastronomen mitbringen. So kommen die 200 bis 300 Besucher und Besucherinnen aus den unterschiedlichsten Gastro-Betrieben aus Baiersbronn auch miteinander ins Gespräch.

„Seelennahrung nach Feierabend“

Hildegard Haist von der Rezeption des Hotels Tanne schätzt es, dass sich die Kirche einen Gastronomie-Pfarrer leistet und damit zeigt, dass ihr die Branche wichtig ist: „Ich war lange in Bayern tätig, und hätte es schön gefunden, wenn es dort auch einen extra Pfarrer für uns gegeben hätte.“

In der Zeit vor Weihnachten gehen Lasi und sein Team aus Ehrenamtlichen mit dem Friedenslicht von Bethlehem in die Betriebe, laden zum Gastro-Gottesdienst und zu Gesprächen ein. Außerdem bietet er den Restaurants und Hotels „Seelennahrung nach Feierabend“ an: einen christlichen Impuls zu einem Thema, das sich die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Betriebes selbst auswählen.

Vor seiner Zeit als Gastronomie-Pfarrer arbeitete Matthias Lasi, der mit einer Ukrainerin verheiratet ist, als Auslandspfarrer in der evangelischen Gemeinde in Kiew. Zu Kriegsbeginn musste er das Land verlassen. Dort hatte er wegen der sowjetischen Vergangenheit des Landes viel mit atheistisch geprägten Menschen zu tun, wie er erzählt: „Es ist herausfordernd, die christliche Botschaft in den Alltag zu übersetzen und zum Beispiel klarzumachen, was es bedeutet, dass an Weihnachten Gott Mensch wird oder durch Ostern Vergebung und Hoffnung möglich ist.“

„Pfarrer und Gastronomen haben viel gemeinsam.“

Auch in der Gastronomie nimmt er einen Traditionsabbruch wahr: Vor allem in Hotels, die nicht mehr familiengeführt seien, gebe es häufig Gastronomen, die mit Kirche nichts anfangen könnten, weil sie diese schlicht nicht mehr kennen würden.

„Dabei haben Pfarrer und Gastronomen viel gemeinsam“, sagt Lasi mit einem verschmitzten Lächeln. „Wir haben ähnliche Arbeitszeiten und wollen beide Menschen glücklich machen: Ein Gastronom möchte, dass die Gäste durch Essen und Wellness glücklich und zufrieden sein Haus verlassen, und ein Pfarrer möchte, dass die Gemeinde glücklich aus dem Gottesdienst geht, weil sie aufgebaut wurde und stärkende Gedanken mit in die Woche nimmt.“

Vielen Gastronomen mache die angespannte Personal-Situation zu schaffen, weiß der Seelsorger: „Köche sind sehr umworben, und wenn eine Fachkraft ausfällt, bekommt man sie kaum ersetzt.“ Er findet es schade, dass sich nur noch wenig junge Menschen eine Ausbildung in diesem Bereich vorstellen können, und wirbt ein wenig: „Dabei sind die Arbeitsbedingungen oft besser, als man denkt, es gibt oft eine übertarifliche Bezahlung und in manchen Betrieben kaum Fluktuation, weil alle sich wohlfühlen.“

Der Gastronomie-Pfarrer hat auch zu einigen Baiersbronner Sterneköchen Kontakt und sagt: Sie sind trotz ihres Ruhmes ganz normale Leute geblieben. Einmal hat er einen Sternekoch zu sich nach Hause zum Essen eingeladen, wie er erzählt: „Und er hat dankbar das selbst gekochte Essen genossen.“

epd
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