Die Bedeutung der Religiosität und des katholischen Glaubens in Österreich sinken. Laut einer Studie der Universität Wien verstehen sich 27 Prozent der Befragten als „religiöser“ und knapp 24 Prozent als „spiritueller Mensch“. Gut 48 beziehungsweise 41 Prozent lehnen ein solches Selbstverständnis ab. Interessant dabei ist, dass sich 17 Prozent der Nicht-Religiösen als spirituell verstehen.
Etwas mehr als jeder Fünfte (22 Prozent) stimmt der Aussage zu, dass es einen Gott oder eine göttliche Wirklichkeit gibt. Knapp 36 Prozent glauben an ein höheres Wesen, eine höhere Energie oder geistige Macht. 15 Prozent der Befragten sind sich nicht sicher, „was sie glauben sollen“. Zugleich denken 47 Prozent zumindest manchmal über religiöse oder spirituelle Fragen nach.
Vier von zehn Befragten, die nicht richtig wissen, was sie glauben sollen, finden es überdies „gut für die Gesellschaft, dass manche Menschen an Gott glauben“. 30 Prozent sind der Ansicht, dass Religion wichtig für den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft ist. Für die Wissenschaftler zeigt dies, das Religion nicht generell abgelehnt wird, aber eher punktuell und selektiv ist.
Jeder Vierte würde gerne an Gott glauben
Viele der Befragten können sich selbst nur schwer einschätzen: Ein knappes Fünftel ist sich nicht sicher, ob es religiös ist. 27 Prozent sind sich unsicher, ob sie spirituell sind. Von diesen unsicheren Personen würden 23 Prozent gerne an Gott oder eine höhere Wirklichkeit glauben. Die Forscher begründen dies mit Zweifeln an tradierten Glaubensvorstellungen, aber auch einer gewissen Offenheit gegenüber Glaubensthemen.
Insgesamt glauben mehr Frauen als Männer und mehr Städter als die Landbevölkerung an eine Transzendenz. Bei der Parteienpräferenz und dieser Frage gibt es keine großen Unterschiede. So glaubt dort mindestens jeder Fünfte, bei ÖVP und SPÖ fast jeder Vierte an Gott oder eine göttliche Wirklichkeit.
Traditionelle Rituale wie Beten und Meditieren kommen zwar im Alltag der Menschen vor. Die meisten machen dies aber selten, zu besonderen Anlässen oder haben es früher einmal gemacht. Antrieb dafür ist es, zur Ruhe zu kommen und sich auf sich selbst zu besinnen. Für die Forscher zeigt sich hier eine Selbstzentriertheit und Nützlichkeitslogik. Etwas weniger Zustimmung geben die Befragten der Aussage, dass ihre Gebete Gespräche mit Gott/einer höheren Macht sind.
Sorge vor wachsendem Antisemitismus
Sorgenvoll blicken die Forscher auf den wachsenden Antisemitismus im Land. 32 Prozent der Befragten stimmen der Aussage zu, dass sich heute „in wachsendem Ausmaß wieder Macht und Einfluss der Juden in der internationalen Wirtschaft, Presse und Politik“ zeige. 34 Prozent lehnen dies ab. 38 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass Juden „seitens der österreichischen Politik zu viel Aufmerksamkeit genießen, während andere Minderheiten benachteiligt werden“. Etwa die Hälfte der Personen, die sich einer Form des Islam zuordnen, lehnen das Existenzrecht Israels ab.
Die Ergebnisse der Studie zeigen den schweren Stand den Muslime und der Islam im Land besitzen. 75 Prozent finden, dass sich Muslime „an die österreichische Kultur anpassen“ müssen. 57 Prozent sehen im Kopftuch ein Symbol der Unterdrückung der Frau. Knapp ein Drittel stimmt zu, dass die „Religionsausübung bei Muslimen eingeschränkt“ werden sollte. Nur drei von zehn Befragten sehen in den Muslimen „eine kulturelle Bereicherung“.
„Was glaubt Österreich?“ ist ein Kooperationsprojekt des Forschungszentrums „Religion and Transformation in Contemporary Society“ der Universität Wien unter der wissenschaftlichen Leitung von Regina Polak und Astrid Mattes-Zippenfenig und der ORF-Hauptabteilung „Religion und Ethik multimedial“ unter der Leitung von Barbara Krenn. Die wissenschaftliche Forschung wird vom Zukunftsfonds der Republik Österreich gefördert.
Im Rahmen der Studie wurden im Zeitraum von 19. April bis zum 14. Mai 2024 insgesamt 2.160 Personen im Alter zwischen 14 und 75 Jahren befragt, die ihren Wohnsitz in Österreich haben. Der Fragebogen wurde maßgeblich auf der Basis der Ergebnisse einer qualitativen Vorstudie entwickelt, die die Antworten von 1.261 Personen zu Glaubens-, Werte- und Sinnfragen analysierte.