Bundestag soll erneut über Organspende abstimmen

Vier Jahre ist es her, dass der Bundestag ein Gesetz verabschiedet hat, das die Zahl der Organspenden steigern sollte. Eingetreten ist der erhoffte Effekt nicht. Nun soll erneut die Widerspruchsregelung zur Abstimmung gestellt werden.
Die „einseitige“ Benennung der Organspende als „Akt der Nächstenliebe“ müsse die Evangelische Kirche aus Sicht der Evangelischen Frauen aufgeben und auch diejenigen vertreten, die sich gegen eine solche entscheiden

Eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten startet einen neuen Versuch zur Durchsetzung der Widerspruchsregelung bei der Organspende. Das parteiübergreifende Bündnis stellte am Montag in Berlin einen Antrag vor, nachdem jeder volljährige und einwilligungsfähige Mensch zum Organspender würde, der dem zu Lebzeiten nicht widersprochen hat. Aktuell ist es andersherum: Ein möglicher Organspender ist, wer selbst zu Lebzeiten oder dessen Angehörige nach dem Tod zustimmen.

„Wir sind schlicht und ergreifend nicht zufrieden mit den Zahlen, die uns vorliegen“, sagte die SPD-Abgeordnete Sabine Dittmar bei der Vorstellung des Gruppenantrags. In Deutschland warteten nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation Ende vergangenen Jahres knapp 8.400 Patientinnen und Patienten auf ein Spenderorgan. Dem standen 2.900 Organspenden im Jahr 2023 gegenüber.

Erst 2020 hatte der Bundestag mehrheitlich gegen die Widerspruchsregelung gestimmt. Stattdessen verabschiedete das Parlament vor vier Jahren eine Erweiterung der Zustimmungslösung, die regelmäßige Information, Abfragen der Spendebereitschaft und die Einrichtung eines Online-Registers vorsah.

Den Antragstellern reichen die Ergebnisse nicht. Pro Quartal würden eine Million Beratungen über Organspenden von Hausärzten abgerechnet, und in Erste-Hilfe-Kursen würden Fahranfänger informiert, sagte Dittmar. An den Zahlen ändere das nichts. Das im März an den Start gegangene Online-Register für Erklärungen zur Organspende habe „zäh“ begonnen, ergänzte die CDU-Abgeordnete Gitta Connemann. Bis Montag sind dort nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums knapp 132.000 Erklärungen dokumentiert worden.

Die Befürworter der Widerspruchsregelung sehen sich von Umfragen bestätigt, die immer wieder ergeben, dass die überwiegende Mehrheit der Menschen in Deutschland der Organspende positiv gegenübersteht. Trotzdem hat nur eine Minderheit einen Organspendeausweis ausgefüllt, was in der Praxis dazu führt, dass oft die Angehörigen die Entscheidung treffen müssen. Es belaste Angehörige, den mutmaßlichen Willen des Verstorbenen zu interpretieren, sagte der Grünen-Abgeordnete und habilitierte Mediziner Armin Grau.

Die Angehörigen sollen nach der vorgeschlagenen Widerspruchsregelung kein eigenes Entscheidungsrecht mehr haben, mit der Ausnahme von Eltern minderjähriger Kinder. Trotzdem sollen Angehörige auch künftig gefragt werden, ob die Haltung zur Organspende bekannt ist oder jüngst geändert wurde. Über den Kopf der Angehörigen hinweg zu entscheiden, sei nicht geplant, erläuterte Grau.

Dittmar, Connemann und Grau stellten den Entwurf gemeinsam mit Petra Sitte (Linke), Peter Aumer (CSU) und Christoph Hoffmann (FDP) vor. Hoffmann hatte vor vier Jahren noch gegen die Widerspruchsregelung gestimmt. Heute müsse er erkennen, dass sich mit der auf Freiwilligkeit basierenden Regelung die Hoffnung auf mehr Spenden nicht erfüllt habe, sagte der Parlamentarier, der nun die Widerspruchsregelung unterstützt.

Insgesamt 21 Parlamentarier und Parlamentarierinnen haben den Antrag bislang mitgezeichnet, darunter Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und sein Amtsvorgänger Jens Spahn (CDU), die sich schon 2020 für die Einführung der Widerspruchsregelung eingesetzt hatten. Lauterbach erklärte am Montag: „Ohne dass wir allen zumuten, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen, werden die Organspendezahlen nicht signifikant steigen.“

Der Antrag wird Connemann zufolge nun in den Fraktionen vorgestellt, um parteiübergreifend um weitere Unterstützung zu werben, bevor er formell zur Beratung in den Bundestag eingebracht werden soll. Mit einer Abstimmung rechnet sie nicht vor Ende des Jahres, eher im Frühjahr 2025. Bekommt die Regelung diesmal eine Mehrheit, soll eine Aufklärungkampagne gestartet werden, um über die Neuregelung zu informieren. Zudem müssten sich die Meldeämter auf die Umsetzung vorbereiten. Die Gruppe schätzt, dass es nach dem Beschluss noch zwei Jahre dauern dürfte, bis die Widerspruchsregelung in der Praxis angewandt wird.

epd
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