Transsexualität bei jungen Menschen oft nicht dauerhaft

Junge Menschen haben in den vergangenen zehn Jahren immer öfter eine Diagnose im Bereich Transsexualität bekommen. In weniger als der Hälfte der Fälle ist diese allerdings langfristig von Bestand, zeigt eine aktuelle Studie.
Von Jonathan Steinert
Junge Frau, Identität

Zwischen 2013 und 2022 haben die psychiatrischen Diagnosen von Störungen der Geschlechtsidentität bei jungen Menschen um das Achtfache zugenommen. Stellten Ärzte im Jahr 2013 bei Fünf- bis 24-Jährigen 22,5 Fälle unter 100.000 Krankenversicherten fest, stieg der Anteil in den folgenden zehn Jahren auf 175. Am häufigsten sind Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren betroffen, junge Männer haben die Diagnose überwiegend zwischen dem 20. und 24. Lebensjahr bekommen. 

Zu diesem Ergebnis kam ein Forscherteam um den Professor für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Universität Ulm Christian Bachmann. Sie werteten dafür die bundesweiten Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Vereinigungen in Deutschland für diesen Zeitraum und die Altersgruppe aus: Daten von mehr als 13 Millionen Versicherten. Die Studie erschien in der aktuellen Ausgabe des Deutschen Ärzteblattes.

Die Beobachtung, dass die Diagnosen im Bereich Transsexualismus zugenommen haben, deckt sich der Studie zufolge auch mit anderen Untersuchungen. Bachmann und seine Kollegen konnten zudem belegen, dass diese Diagnosen nur in etwas mehr als einem Drittel der Fälle nach fünf Jahren noch gesichert Bestand haben. Auch das stimme mit früheren Erkenntnissen überein. Der Anteil schwankt je nach Alter und Geschlecht, aber über alle Altersgruppen hinweg wurde bei weniger als jedem Zweiten nach fünf Jahren noch eine Störung der Geschlechtsidentität diagnostiziert.

Häufig gleichzeitig weitere psychische Störungen

In vielen Fällen gehen mit einer gestörten Geschlechtsidentität weitere psychiatrische Erkrankungen einher. Im Jahr 2022 betraf das von 22.624 Fällen fast drei Viertel. Am häufigsten wurden zusätzlich depressive Störungen und Angststörungen diagnostiziert. Emotional instabile Persönlichkeitsstörungen vom Borderline-Typ, Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen und posttraumatische Belastungsstörungen machten jeweils einen Anteil von zehn bis 17 Prozent an weiteren Diagnosen aus. 

Einen Grund für die häufigeren Transsexualitäts-Diagnosen konnten die Forscher aus den Daten nicht ablesen. Dass die Diagnosen nicht von Dauer sind, könnte nach Einschätzung der Mediziner daran liegen, dass die Geschlechtsidentität im Jugendalter grundsätzlich fluide sein kann. Sie sehen darin aber auch einen Hinweis darauf, dass ein umfassendes standardisiertes Verfahren notwendig sein könnte, um eine solche Störung zu diagnostizieren.

Mediziner, die jugendliche Patienten zu geschlechtsangleichenden Therapien beraten, sollten die begrenzte Stabilität der Diagnose und die parallel auftretenden psychischen Erkrankungen berücksichtigen, raten die Studienautoren – insbesondere solange es keine Erkenntnisse aus kontrollierten klinischen Studien über Langzeitwirkungen und Folgen von solchen Therapien gebe, wie Studienautor Bachmann gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung deutlich machte. Operationen und Hormontherapien könnten gravierende und unumkehrbare Folgen haben. Er gab in der Zeitung außerdem zu bedenken, dass das öffentliche Klima nicht zu Studien über das Thema ermutige, da es stark politisch aufgeladen sei.

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