Marx: Das letzte Wort haben nicht die Mächtigen dieser Welt

Der Münchener Kardinal Reinhard Marx sieht keine Chance für einen Dialog mit der AfD. Gespräche „mit ideologisch verbohrten Funktionären“ hält er für wenig sinnvoll. Gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ verrät er, warum er trotzdem Hoffnung hat.
Von Johannes Blöcher-Weil
Reinhard Kardinal Marx

Heute beginnt der 103. Katholikentag in Erfurt. Vertreter der AfD sind nicht eingeladen. Bereits im Januar hatten die katholischen Bischöfe aus Ostdeutschland sich von der AfD distanziert. Die Partei sei für Christen nicht wählbar. Im Gespräch mit der „Süddeutschen Zeitung“ untermauert Münchens Kardinal Reinhard Marx dies.

Marx stellt erschrocken fest, dass eine in weiten Teilen rechtsradikale Partei wieder so groß werden konnte: „Ich kann nicht akzeptieren, dass ein Funktionär der AfD Mitglied eines Gremiums ist.“ Wer das eigene Volk für höherwertig halte, verlasse die gemeinsame Diskussionsgrundlage. Zudem instrumentalisiere die AfD gezielt christliche Themen wie den Lebensschutz. Er warne davor, den gefundenen Kompromiss aufzukündigen, da dies Radikale stärke und ein Kulturkampf-Thema schaffe.

AfD befördert Polarisierung

Die Demokratie und das Grundgesetz basierten auf einem christlichen Menschenbild: „Europa ist ohne diese Wurzeln nicht denkbar“, betont Marx. Das Leben gelinge am besten, wenn man mit anderen verantwortlich zusammenlebe und sich kein Mensch über den anderen erhebe.

Oft stehe aber das Denken „in Interessen und Mächten“ über der Moral und den Menschenrechten. Daraus folgten Polarisierung, Aggression und Gewalt, die die AfD mit ihren Positionen befördere. Für ihn als Christ sei der Mensch ein Ebenbild Gottes. Dies gelte es immer wieder herauszuheben.

Diesem Anspruch sei die Kirche nicht immer gerecht geworden. Sie könne auch nicht anderen Menschen vorschreiben, wie sie zu leben und was sie zu denken hätten. Es sei gut, dass sich Kirche hier wandle. „Für unseren demokratischen Staat sind authentische, glaubwürdige Institutionen, die den Bürgern Bindung und Identifikation ermöglichen, lebensnotwendig“, findet Marx. Auch Religion habe polarisiert oder sich als Machtmittel missbrauchen lassen.

Soziale Medien sind „riesiger Brandbeschleuniger

Marx sorgt sich darum, dass die Demokratie leidet, weil sich Kommunalpolitiker aus Furcht vor Angriffen zurückziehen könnten. Die sozialen Medien sieht er als „riesigen Brandbeschleuniger“. Es sei wichtig, die Narrative der Extremisten zu entlarven. Diese zeichneten ein Bild der Wirklichkeit, das es gar nicht gebe. Einerseits müsse man Nebengesellschaften vermeiden. Andererseits auch deutlich machen, wie ein Land ohne die Offenheit der Zuwanderung aussähe.

„Futter für die Radikalen“ sei es, wenn ein Kindergarten auf Sankt Martin oder Nikolaus verzichte, weil das christlich sei. Für Marx spricht nichts dagegen, zum Eigenen zu stehen und neugierig auf das Neue zu sein. „Man kann doch beides feiern: Nikolaus und Zuckerfest.“ Hier sei interreligiöser Dialog wichtig.

Dieser sei aktuell durch die Situation in Israel „religiös aufgeheizt“. Den interreligiösen Dialog könne man aber nur führen mit Menschen, „die Menschenrechte anerkennen und für die nicht die Vernichtung eines anderen Landes Staatsräson oder ein religiöses Motiv ist“. Unerträglich sei es, wenn der Hass auf Israel auf Generationen in junge Menschen hineingepumpt werde: „Das ist unerträglich.“

„Uns erwartet am Ziel ein liebender Gott“

Als Christ sei er von der Hoffnung getragen, dass das letzte Wort der Geschichte nicht mächtigen Herrschern, sondern Gott gehöre. Christen hätten eine Hoffnung, weil sie ein Ziel haben: „Und ich glaube, dass uns ein liebender Gott erwartet.“

In Erfurt findet von Mittwoch bis Sonntag der 103. Katholikentag statt. Dann werden etwa 20.000 Gäste in der Stadt erwartet. Die Zusammenkunft steht unter dem Motto „Zukunft hat der Mensch des Friedens“.

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