Die Republica ist ein Raumschiff. Und das nicht, weil der Anteil an Trekkies, also Fans der Science-Fiction-Serie „Star Trek“, bei der Digitalkonferenz überdurchschnittlich hoch sein dürfte.
Wer das Gelände der „Station Berlin“ betritt, der findet sich wieder zwischen Minirobotern, die beweisen, dass sie freundlich grüßen können. Man trifft „Bernd das Brot“ und die Maus aus der gleichnamigen Sendung, denn der KiKa ist mit einem Stand am Start. Man läuft vorbei an der anatomischen Zeichnung einer Vagina, die auf mangelnde Gleichberechtigung aufmerksam machen soll. Der Bücherstand verkauft die Biografie von der als Gast eingeladenen transsexuellen Journalistin Georgine Kellermann, gleich daneben liegt ein Gedichtband des jüdischen Publizisten Michel Friedman. Auch er war am ersten Tag der Konferenz für einen Talk zu Gast.
Die Panels sind strikt divers aufgeteilt: Es diskutieren und sprechen Männer und Frauen zu annähernd gleichen Teilen. Immer wieder betonen die Veranstalter, Gäste aus dem globalen Süden so gut es geht, einzubinden. Manchmal sei das schwer, wegen der Visa-Regelungen. Alle Zugänge auf dem Gelände sind barrierefrei, Toiletten gar nicht erst nach Geschlechtern getrennt. Jeder Referent gendert, so gut es ihm gelingt.
Wer sich die durch die Gänge und Ausstellungsräume huschenden Teilnehmer der Konferenz anschaut, der erkennt schnell: Tatsächlich gelingt den Machern ihr Vorhaben, die Gäste möglichst bunt zu mischen, ganz gut. Da sind Frauen mit Kopftuch, Junge, Alte, Menschen mit Prothesen, Rollstuhlfahrer, Unscheinbare und quietschbunt Gekleidete, Schwarze und Weiße.
Das Credo bröckelt
Ein Raumschiff in der Tat, denn ungefähr so ist auch jede Besatzung der Föderation in „Star Trek“ zusammengesetzt: Vielfältig und so wenig diskriminierend wie es nur geht. Nur ist das eben Science-Fiction, eine Utopie, und nicht das echte Berliner Leben, das auch geprägt ist von Clankriminalität, antisemitischen Uni-Protesten, Übergriffen auf Homosexuelle oder Migranten.
Toleranz ist so etwas wie das Credo der Nerds, doch auch dieses Bekenntnis – so idyllisch es auf den ersten Blick wirken mag – bröckelt bei genauerem Hinsehen. Denn mitnichten sind hier alle Teile der Gesellschaft vertreten, das liegt schon am Thema: Nicht jeder hat mit iPad und Smartphone Zugang zur digitalen Welt, wie er hier vorausgesetzt wird. Und politisch geht es weiter: Die Republica ist ein linkes Forum für linke Teilnehmer. Und das zeigt sich nicht allein an den Unisex-Toiletten.
Der überwiegende Teil der politischen Speaker entstammt der aktuellen Regierung, wo die FDP vertreten ist, muss sie sich behaupten. Im vergangenen Jahr etwa wurde Verkehrsminister Volker Wissing von einem Gast als „Feind der Menschheit“ bezeichnet, wohl wegen der für ihn zu langsam voranschreitenden Verkehrswende. Ähnlich erging es Finanzminister Christian Lindner. Dass die Liberalen überhaupt eingeladen waren, erschien manchem offenbar schon als Affront. Die Grünen Robert Habeck und in diesem Jahr Annalena Baerbock hingegen wurden geradezu huldvoll beklatscht. Dieser Tage gibt es gleich zwei Veranstaltungen zur Abschaffung des Abtreibungsverbots auf der Republica. Kritische gemäßigte Stimmen dazu, etwa aus dem Raum der CDU? Kommen nicht vor.
Die Republica hat ihre eigene Agenda. Sie ist ein klar definierter politischer Raum. Und das schmerzt. Denn ein Hauptthema der Konferenz ist dieses Mal der Umgang mit Populismus und die wachsenden Zustimmungswerte für die AfD. Und viele der Referenten betonten vor allem eines: Um dem Rechtsruck zu begegnen und das Feld nicht den Populisten zu überlassen, sei es wichtig, andere Meinungen anzuhören und ernst zu nehmen – freilich, sofern sie nicht radikal sind. Journalist Korbinian Frenzel etwa analysierte, die Deutschen hätten in den vergangenen Jahren ein Schwarz-Weiß-Debattendenken etabliert: Bist du nicht meiner Meinung, dann höre ich dich nicht an. Egal ob zum Thema Corona, Gender, Israel oder Ukraine. Das ist deshalb so fatal, weil wir eigentlich das Gegenteil brauchen: lebhafte und gesunde Debatten jenseits der Grenzen der eigenen Blase.
Es ist schade, dass die Republica bei aller angestrebten Diversität allzu oft nur die eigene Blase bedient. Ich wünsche den Veranstaltern für das kommende Jahr den Mut für echten demokratischen Streit – auch bei Themen wie Feminismus oder dem Kampf gegen den Klimawandel.