Nach der Ausgabe von Lebensmitteln der Tafel in seiner Gemeinde in Berlin-Staaken holt Pfarrer Viktor Weber das Kirchenmobil aus der Garage, eine italienische Ape. Magnetschilder an dem dreirädrigen Gefährt werben für kostenlosen Kaffee, unbezahlbare Gespräche und fordern dazu auf, sich segnen zu lassen, „weil Du es wert bist“. Ein bis zweimal im Monat fährt Weber, im schwarzen Kollarhemd mit weißem Steg als Pfarrer erkennbar, mit dem Ape-Mobil auf Tour, um Menschen ein Getränk anzubieten und so in Kontakt zu kommen.
Der 43-jährige bietet Menschen, die Lebensmittel der Tafel aus der „Laib und Seele“-Ausgabestelle im Gemeindezentrum der evangelischen Kirche geholt haben, neben der Ape Kaffee, Tee, Wasser und Säfte an. Die meisten lehnen höflich ab. Weber wünscht ihnen trotzdem noch einen schönen Tag.
„Die Leute sind neugierig, natürlich erst einmal vorsichtig“, sagt der Pfarrer. Sie fragten sich, „müssen wir da etwas unterschreiben und kaufen, vielleicht unsere Seele verkaufen?“ Die Neugierde überwiege am Ende so oft, dass es sich jedes Mal lohne, mit dem Kaffeemobil auszufahren. Tiefschürfende religiöse Gesprächen führt er dabei eher selten: „Es ist eher Smalltalk oder es gibt gerade etwas, worüber sich die Leute aufregen.“
Das Projekt schafft Verbindung zur Kirche, ist Weber überzeugt: „Zum anderen höre ich ein bisschen, wo den Leuten der Schuh drückt.“ Menschen, mit denen er so ins Gespräch komme, hätten häufig finanzielle Sorgen. Und es gehe darum, wie das Zusammenleben zwischen Alteingesessenen und neuen Nachbarn aus anderen Kulturen funktionieren könne.
Eine ältere Frau aus Kiew lässt sich eine Tasse Kaffee einschenken und bedankt sich. Weber spricht sie auf Russisch an. Er kam 1989 als sogenannter Russlanddeutscher mit seiner Familie aus Kasachstan nach Deutschland. „Am Anfang konnte ich kein Deutsch, außer das Vaterunser“, lacht er.
Kontakt zu Kirchenfernen herstellen
Als Nächstes nimmt ein Mann, der im Auftrag der Caritas Menschen durch Beratung beim Stromsparen hilft, einen Apfelsaft. „Über ein Getränk kommt man gut ins Gespräch“, sagt er lächelnd und holt eine Energiesparlampe aus der Tasche. Dann packt Weber Tisch, Getränke, Gläser, Tassen und Flyer mit Informationen über die Gemeinde in die Ape und fährt zum zweiten Standort dieses Tages.
Ziel ist, buchstäblich ins Gespräch mit Menschen außerhalb der Kirche zu kommen. Mit dem dreirädrigen Kleintransporter verlässt er knatternd das Gelände. Allein der ohrenbetäubende Klang des Zweitakt-Motors und die Form des Rollermobils erregen Aufmerksamkeit. Weber ist auch im Internet aktiv, kommentiert auf der Plattform X aktuelle Ereignisse von Sportmeldungen bis zu Kirchensynoden. Ganz nebenbei bittet er dabei auch um Antworten auf die Frage, warum Menschen sich von der evangelischen Kirche ab- und Freikirchen zuwenden.
Am Ziel angelangt baut Weber auf dem Bürgersteig seinen Tisch wieder auf und bietet Passanten Kaffee oder einen Apfelsaft an. Ein kleines Mädchen lässt sich eine Apfelsaft-Schorle einschenken. Auf Aufforderung der Mutter bedankt sich das Mädchen artig. Eine andere Frau erkundigt sich, warum ihr Sohn keinen Platz im Konfirmanden-Unterricht bekommen hat und erfährt von Weber, dass der Junge noch nicht der dafür vorgesehenen Altersklasse angehört.
Ein älterer Herr auf einem Mountainbike bietet Bibeln aus der Haushaltsauflösung seiner Mutter an. Der wegen seiner unkonventionellen Art als Hipster-Pfarrer bekannte Weber empfiehlt ihm, sich an Antiquariate zu wenden. Ein Mann grüßt Weber fröhlich aus einer vorbeifahrenden Rikscha des kostenlosen Fahrdienstes der Kirchengemeinde Staaken. Mittlerweile ist der Apfelsaft lauwarm. Es ist Zeit, Tisch und Getränke wieder in die Ape zu packen und in die Garage zu fahren.