Die Zahl der Obdachlosen hat allein in Paris im Vergleich zum Vorjahr um 16 Prozent zugenommen, berichtet der Deutschlandfunk (DLF). So wie anderswo auf der Welt seien kirchliche Einrichtungen oft Anlaufstellen für die Wohnungslosen. „Sie bieten auch jede Woche Bibelstunden an“, heißt es im Bericht der Sendung „Tag für Tag“. Eine christliche Einrichtung sorgte nun mit einer Bibel speziell für Obdachlose für Schlagzeilen.
Die DLF-Reporterin Suzanne Krause besuchte die Präsentation der neuen Bibel, die sogar als Weltpremiere gefeiert wird. Rund 100 Personen hätten sich eigens vor der Evangelischen Obdachlosenmission („Mission Évangélique Parmi Les Sans-Logis“, MEPSL) im 10. Pariser Arrondissement versammelt. „Hier finden Bedürftige kostenlose Duschen, Waschmaschinen, eine Postadresse, Frühstück und ein warmes Abendessen sowie zwei Bibelstunden pro Woche“, berichtet die Journalistin.
Die „Alliance biblique française“, die Französische Bibelallianz, teilte mit, sie sei von mehreren Vereinen und Organisationen, die für Obdachlose arbeiten, angefragt worden, ob die Veröffentlichung einer Bibel für Obdachlose möglich sei. Das Ergebnis ist „Die Straßenbibel“.
„Jeder muss einen Zugang zu biblischen Texten haben“, sagte Gilles Boucomont, protestantischer Pastor und Erfinder der Straßenbibel. Eine gewöhnliche Bibel weiche nach dem ersten Regen auf. Daher ist die Obdachlosen-Bibel wasserdicht.
Das Buch im DIN-A-5-Format hat eine Schutzhülle mit Reißverschluss. In der Schutzhülle kann der Besitzer auch wichtige Dokumente wie Ausweise oder Geld unterbringen. „Die Bibel soll für jeden Obdachlosen ein ‚Schatz‘ sein“, sagte Boucomont. „Das Cover soll schön sein und den Besitzer ehren.“ Die Schrift ist so groß, dass auch Menschen mit Sehschwierigkeiten sie lesen können.
Die Übersetzung ist in einfacher Sprache verfasst. QR-Codes führen zu vorgelesenen Passagen.
Eric Gélanor, der Leiter der Gemeinde „Mission évangélique parmi les Sans-Logis“, sagte: „Eine Bibel ist immer etwas Kostbares. Man wirft sie nicht einfach weg. Der eine oder andere liest vielleicht abends darin und wird von einem Satz angerührt. Solch ein Satz kann sie vielleicht retten. Vielleicht nicht sofort, vielleicht dauert es Jahre.“ Er selbst sei einmal im Gefängnis gelandet und er habe dort in der Gideon-Bibel und einen Absatz aus dem Johannes-Evangelium immer wieder gelesen.
Die Kosten für die Herstellung einer Straßenbibel liegt bei 20 Euro. Vereine, die mit Obdachlosen arbeiten, zahlen 5 Euro pro Bibel. Den Rest von 15 Euro müssen durch Spenden eingenommen werden. Die erste Auflage umfasst 10.000 Exemplare der Straßenbibel.
Vier Jahre habe die Entwicklung der Bibel gedauert, sagte Boucomont. Er fügte hinzu: „Diese Bibel kann Menschen dabei helfen, mit Obdachlosen zu beten. Man denke einmal darüber nach: Jesus selbst war eine Art wohnungsloser König.“ Die Pastorin Caroline Bretonesse fügte hinzu: „Wer sich mit den Menschen auf der Straße unterhält, merkt, dass sie auch spirituelle Bedürfnisse haben. Sie suchen auch nach einem Sinn in ihrem Leben. Den können sie in der Bibel und in der Geschichte Gottes mit seinem Volk finden.“ Im DLF-Bericht heißt es weiter, zur Präsentation der Straßenbibel seien auch Vertreter der Bibel-Allianz aus den USA gekommen. „Dort stößt die französische Initiative auf offene Ohren.“
Umsiedlung von Obdachlosen wegen der Olympischen Spiele
Angesichts der bevorstehenden Olympischen Spiele in Paris werden offenbar Obdachlose aus Paris vertrieben. Laut einem Bericht der „Neuen Zürcher Zeitung“ beklagte etwa der Bürgermeister von Orléans, dass die Zahl der Obdachlosen in seiner Stadt stark ansteige, die rund 130 Kilometer südlich der Hauptstadt liegt. Der parteilose Bürgermeister Serge Grouard protestiert, dass heimlich Hunderte Obdachlose aus der Hauptstadt in seine Stadt „transferiert“ wurden. Grouard ist überzeugt, dass die Umsiedlungsaktionen mit der Imagepflege im Rahmen der Organisation der Pariser Olympischen Sommerspiele 2024 zu erklären sei. Die Region Paris habe vor der Olympia-Show mit Gästen aus aller Welt alles Interesse, sich im allerbesten Licht zu zeigen.
In Deutschland leben schätzungsweise 50.000 Männer und Frauen auf der Straße, mehr als 600.000 sind wohnungslos. Ein nationaler Aktionsplan soll dabei helfen, bis 2030 die Obdach- und Wohnungslosigkeit in Deutschland zu überwinden. Noch ist das Land weit davon entfernt. Die Zahl der Wohnungslosen wächst stetig.