Am Freitagabend wurde der sächsische SPD-Politiker Matthias Ecke in Dresden brutal zusammengeschlagen. Dabei erlitt er so starke Verletzungen, dass er im Krankenhaus operiert werden musste. Er war gerade dabei, Plakate für die anstehende Europawahl aufzuhängen, für die er in Sachsen als Spitzenkandidat seiner Partei antritt.
Es war nicht der einzige Angriff an dem Abend: Kurz vorher wurde in der Nähe auch ein Wahlkampfhelfer der Grünen attackiert – womöglich von denselben Schlägern. Einer der Tatverdächtigen, ein 17-jähriger Jugendlicher, hat sich mittlerweile gestellt.
Der Fall sorgt bundesweit für Entsetzen. Wie weit ist es mit unserer Demokratie gekommen? Das Klima des politischen Diskurses kippt gefährlich in eine unversöhnliche Richtung.
In Essen werden ein Bürgermeister und ein Bundestagsabgeordneter der Grünen beleidigt, der Lokalpolitiker erhält sogar einen Schlag ins Gesicht. Die Bundestagsabgeordnete Katrin Göring-Eckardt wird in Brandenburg in ihrem Wagen bedrängt und am Wegfahren gehindert. Ein Vermummter bewirft einen niedersächsischen AfD-Landtagsabgeordneten mit einem Ei und schlägt ihm ins Gesicht. Alles ist in den vergangenen fünf Tagen passiert.
Keine Toleranz fürs Einschüchtern
Die Liste von Fällen beschimpfter Politiker, demolierter Infostände, zerstörter und gestohlener Plakate in den vergangenen Wochen und Monaten ließe sich mühelos verlängern. Alle Parteien sind davon betroffen, AfD und die Grünen besonders oft von körperlicher Gewalt: Im vorigen Jahr gab es 86 solcher Fälle gegen AfD-Mitglieder und 62 gegen Grüne. Sogenannte Äußerungsdelikte trafen die Grünen so oft wie AfD, SPD, CDU und FDP zusammen, wie eine Kleine Anfrage im Bundestag ergab.
Dass nun sogar ein Politiker krankenhausreif geprügelt wird, hat eine besonders negative Qualität. Über die Motive des Angriffs gibt es im Moment noch keine Informationen. Aber auch unabhängig davon dürfen wir als Gesellschaft Einschüchterungsversuche, Drohungen oder eben sogar Gewalt gegen Politiker nicht tolerieren. Die Partei darf dabei keine Rolle spielen.
Es grundsätzlich darum, wie die politische Kultur in einem demokratischen Gemeinwesen aussehen soll. Und das lebt nun einmal davon, dass die Bürger Menschen wählen, die ihrerseits deren Interessen vertreten und für ihre Positionen werben und einstehen sollen.
Die meisten Menschen werden es ablehnen, tatsächlich körperliche Gewalt anzuwenden. Aber vor wüsten Beschimpfungen und Diffamierungen schrecken weniger zurück – zumal, wenn diejenigen, über die man herzieht, es nicht hören können. Das trägt ebenfalls zu einem Klima bei, das Menschen herabsetzt, die sich politisch oder anderweitig gesellschaftlich engagieren.
Schnell zum Hören, langsam zum Zorn
Auch Christen sind nicht immun dagegen, wie sich leicht an Leserbriefen, Online-Kommentaren oder diversen E-Mail-Verteilern ablesen lässt. Das betrifft Themen außerhalb wie innerhalb christlicher und kirchlicher Kreise. Dabei sollten wir einen Unterschied machen!
Der Apostel Paulus stellt Zorn, Wut, Bosheit, schandbare Worte in eine Reihe mit Unzucht, schändlichen Leidenschaften und Gier (Luther-Übersetzung) – Verhaltensweisen des „alten Menschen“, der nicht von Jesus bestimmt ist. Vielmehr sollen Christen ihren Glauben durch Erbarmen, Freundlichkeit, Sanftmut und vor allem Liebe strahlen lassen (Kolosser 3).
Sollte das nicht auch gegenüber den Menschen gelten, die in Politik und Gesellschaft Verantwortung tragen? Jakobus mahnt, schnell zum Hören zu sein, aber langsam zum Reden und langsam zum Zorn: Also erstmal hinhören, statt sich der Wut hinzugeben.
Mag sein, dass die Politik oder auch die Medien es einem oft schwer machen. Aber wer, wenn nicht Menschen, die Jesus nachfolgen, könnte hier vorangehen und zu einem Klima beitragen, das bei aller Diskussion und Kritik andere Menschen achtet?
Kinder und Jugendliche beobachten Erwachsene, Nichtchristen beobachten die Frommen in ihrem Umfeld. Wenn Jesus-Nachfolger die gleichen Etiketten ankleben und ins selbe Wut-Horn stoßen wie andere auch, machen sie es jenen leichter, noch ein bisschen lauter und derber zu werden.
Vor der anstehenden Europawahl und drei Landtagswahlen, die das Zeug haben, die politischen Gewichte weiter aus der Mitte hinauszuschieben, sollte der Angriff auf Matthias Ecke ein Warnruf sein: Wir brauchen einen Klimawandel im besten Sinne. Hin zu einem Klima grundsätzlichen Respekts und Anstands. Dann können wir herzhaft über Sinn und Unsinn, Für und Wider politischer Ideen, Pläne und Entscheidungen streiten.