Rezension

Wenn sich Sigmund Freud und C. S. Lewis getroffen hätten

Man hätte aus diesem Film mehr machen können. Dennoch ist „Freud's Last Session“ ein interessantes Gedankenspiel: Was wäre gewesen, wenn der überzeugte Atheist Sigmund Freud auf den christlichen Apologeten C. S. Lewis getroffen wäre?
Von Jörn Schumacher

Der Film lässt den Begründer der Psychoanalyse, Sigmund Freud, auf den bedeutenden christlichen Autoren C.S. Lewis treffen. Möglich wäre eine solche Zusammenkunft durchaus gewesen: Der jüdischstämmige Arzt flüchtete 1938 vor den Nazis ins Exil nach London. Dort lebte auch der junge Autor, der bekannt wurde für Werke wie „Die Chroniken von Narnia“ oder „Pardon, ich bin Christ“. Tatsächlich soll ein junger Mann kurz vor Freuds Tod im September 1939 den berühmten österreichischen Arzt in seinem Haus in London besucht haben, heißt es im Abspann des Films. Niemand weiß, ob es tatsächlich Lewis war.

In diesem Spielfilm ist es also „Freuds letzte Sitzung“, und es ist niemand Geringeres als der überzeugte Christ Lewis, der dabei sein darf. Das fiktive Treffen basiert auf einem Theaterstück von Mark St. Germain aus dem Jahr 2009, das wiederum auf dem Buch „The Question of God: CS Lewis and Sigmund Freud Debate God, Love, Sex, and the Meaning of Life“ von Armand Nicholi basiert. Premiere feierte der Film im Oktober 2023 beim Festival des American Film Institute, er lief bereits in ausgewählten Kinos der USA, seit kurzem ist er im (amerikanischen) Angebot von Netflix zu sehen.

Überrascht durch Sehnsucht

Zwischen dem überzeugten Atheisten Freud und dem bekehrten Zweifler Lewis entspinnt sich ein Gespräch über Gott und die Welt. Leider bleibt der Film hinter den Erwartungen zurück. Zwar ist Sir Anthony Hopkins als Freud brillant, und auch sein Gegenpart, Matthew Goode („Downton Abbey“), macht seinen Job gut. Doch inhaltlich bleibt der Austausch schwach; gemessen an der sprühenden Originalität des christlichen Apologeten C. S. Lewis, der in seinen Büchern ziemlich bestechende Gründe für den christlichen Glauben darlegt, wird in diesem Film zum bloßen Stichwortgeber degradiert. In einer Nebenrolle ist die Deutsche Liv Lisa Fries („Babylon Berlin“, „Kafka“) als Freuds Tochter Anna zu sehen, doch auch sie kann sich hier kaum entfalten.

Die beiden Geistesgrößen unterhalten sich größtenteils in Freuds Wohnung. Freud nimmt währenddessen eine Vielzahl an härteren Drogen sowie Alkohol zu sich. Er ist – wohl auch durch seinen lebenslangen Zigarrenkonsum – an Gaumenkrebs erkrankt, was ihn immer mehr einschränkt. Dennoch gibt sich der weltbekannte Arzt kampflustig, eitel, und ja: auch ein wenig arrogant. Er wähnt sich intellektuell dem jüngeren Lewis überlegen. Der muss schmunzeln über die wütende Verdammung des Menschen als solchen, und des Glaubens an Gott, die Freud an den Tag legt.

Lewis erklärt seinem Gegenüber, dass er schon als Kind dem Phänomen der Sehnsucht auf die Spur kam: Sein Bruder schenkte ihm eine kleine Keksdose, in der er eine kleine Natur-Szene in Miniatur nachgebaut hatte. Die Schönheit dieser kleinen Welt löste in Lewis die Sehnsucht aus, die er nie zuvor gespürt hatte, und die ihn sein Leben lang beschäftigen sollte. „Ich nannte das Gefühl Freude.“ Auch Freud ist das Gefühl der Sehnsucht bekannt, er überträgt es aber nicht auf eine Suche nach Gott. Für ihn ist klar: Wer an Gott glaubt, leidet unter einer Neurose. Lewis: „Was, wenn er keine Lüge ist? Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, wie schlimm es wäre, wenn Sie sich irren?“ Leider bekommen die Dialoge zum christlichen Glauben nie eine besondere Tiefe; das Denken des Psychoanalytikers steht im Film im Vordergrund. Lewis bleibt nur die Rolle des Zuhörers, der milde über die Torheiten eines alten Mannes lächelt.

Natürlich sprechen die beiden intensiv über die Beziehungen innerhalb der jeweiligen Familienmitglieder, die Vater-Figuren etwa. Lewis stellt – unter Zustimmung Freuds – fest: „Der Wunsch, dass Gott nicht existieren möge, kann genau so stark sein wie der Glaube daran, dass er es tut.“ Und natürlich geht es auch um Sexualität (Lewis, nachdem, er seit etwa einer Stunde beim großen Analytiker sitzt: „Wir haben uns jetzt schon so lange unterhalten, und erst jetzt erwähnen Sie das erste Mal Sex!“). Und auch der Andeutung, dass Freuds Beziehung zu seiner Tochter noch etwas komplizierter ist als man erwarten würde, nimmt einen (zu) großen Teil ein.

Der noch eher unerfahrene Regisseur Matt Brown hat unterschlagen, dass sich Freud tatsächlich in den letzten Jahren vor seinem Tod intensiv mit dem Judentum auseinandersetzte. Er schrieb das Buch „Der Mann Moses und die monotheistische Religion“. Er interessierte sich dabei vor allem für die Thematik des „Vatermordes“. Erst vor kurzem fertigte das finnische Künstlerpaar Jenni und Lauri Luhta einen Experimentalfilm dazu an. Immerhin thematisiert Brown mit einem Augenzwinkern, dass ausgerechnet Freud, der große Atheist, seine Wohnung offenbar voll gestellt hatte mit Statuen von Göttern. Das bleibt auch Lewis nicht verborgen, Freud erkennt selbst die Ironie darin: „Ich bin ein passionierter Ungläubiger, der von Glaube und Anbetung nur so besessen ist.“ Drei Wochen nach dem Besuch des Unbekannten beendete Freud sein Leben, klärt der Abspann auf.

„Freud’s Last Session“, Drama, 138 Minuten, Regie: Matt Brown, mit Anthony Hopkins und Matthew Goode

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