Kommentar

Jugendliche rufen auf Tiktok zu Vergewaltigungen auf

Dieser Tage geht wieder einmal ein ekelhafter Trend auf Tiktok viral. Beworben wird der „Nationale Vergewaltigungstag“. Die Politik scheint dem wenig entgegensetzen zu können.
Von Martin Schlorke
Handy mit dem TikTok-Logo

Haben sie schon mal was vom „Nationalen Vergewaltigungstag“ gehört? Nein, dann sind sie scheinbar nicht auf Tiktok unterwegs – Gott sei Dank, ist man geneigt zu sagen. Die Plattform, die bereits die Verbreitung von so manchem geschmacklosen und tödlichen Trend unter Jugendlichen ermöglicht hat, ist nun erneut negativ aufgefallen und hat die Berliner Bildungs-Senatorin auf den Plan gerufen. Dieser Tage ging (erneut) das Gerücht auf Tiktok viral, dass der 24. April der „Nationale Vergewaltigungstag“ sei, an dem sexuelle Übergriffe straflos bleiben würden. Das ist selbstverständlich falsch! Und dennoch machten auch den vergangenen Tagen entsprechende Aufrufe auf Tiktok die Runde.

Die Landes-Politik schritt schließlich ein – jedenfalls im Rahmen ihrer eher begrenzten Möglichkeiten. Die Berliner Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) schrieb einen Brief an alle rund 800 Berliner Schulen und forderte das Lehrpersonal auf, über die Fake News aufzuklären. In Wuppertal reagierte gar die Staatsanwaltschaft und informierte die Polizei über den gefährlichen Trend. Das berichtet der WDR.

Lehrer können nicht die Probleme der Politik lösen

Es ist ein typischer – durchaus verständlicher – Reflex von Günther-Wünsch, die Lehrer in die Verantwortung zu nehmen. Doch es ist zu leicht, all das aufs Lehrpersonal abzuwälzen. Lehrer sollen über Fake News aufklären, die Situation im Nahen Osten erklären, Antisemitismus bekämpfen, ganz „normale“ Konflikte zwischen Schülern moderieren – und Wissensvermittlung steht ja auch noch auf ihrem Aufgabenzettel.

Verstehen Sie mich nicht falsch, es ist gut, dass vor diesem widerlichen Trend gewarnt wird, auch in der Kürze der Zeit. Aber es muss Aufgabe der Politik sein, Richtlinien für Soziale Plattformen zu schaffen, die solche Trends, Rassismus, Antisemitismus oder Misogynie direkt unterbinden oder gar nicht erst ermöglichen. Auch wenn Tiktok behauptet, solche Videos zu löschen – immerhin.

Vorbild USA?

In den USA ist die Politik da schon weiter, wenngleich andere Gründe eine wichtigere Rolle spielen. Am Mittwoch hat US-Präsident Joe Biden ein Gesetz unterzeichnet, das ein landesweites Verbot von Tiktok zur Folge haben könnte. Einziger Ausweg: Der Tiktok-Mutterkonzern „ByteDance“ verkauft sein US-Geschäft. Denn die USA befürchtet, dass „ByteDance“ unter dem Einfluss der chinesischen Regierung steht und Daten von amerikanischen Nutzern missbrauchen könnte.

Und auch die Europäische Union geht gegen Tiktok vor – wenngleich ein Verbot nicht konkret im Raum steht. Zwar warnen einige Politiker – auch Deutsche – ebenfalls vor dem chinesischen Einfluss. Vordergründig geht es der EU aber um die Einhaltung gültigen Rechts.

So warf die EU-Kommission kürzlich der Plattform vor, mit einer potenziell süchtigmachenden Belohnungsfunktion – man erhielt Punkte pro angeschautem Video – die psychische Gesundheit von Minderjährigen zu gefährden und damit gegen EU-Recht zu verstoßen. Daraufhin verschwand die Funktion wieder aus der europäischen Tiktok-Version. Das entsprechende Gesetz („Digital Services Act“) soll im Übrigen auch die Verbreitung von illegalen Inhalten und Desinformationen unterbinden.

Bleibt zu hoffen, dass das in Zukunft besser funktioniert oder entsprechende Konsequenzen gezogen werden.

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