„Dieses Leuchten als Zeichen der Hoffnung“

Caspar David Friedrich gilt zu seinem 250. Geburtstag als der bedeutendste Maler der Romantik. Der Glaube war ihm in seinem Leben und in seiner Kunst sehr wichtig. Fragen an Birgit Verwiebe, Kuratorin an der Alten Nationalgalerie in Berlin.
Von Christoph Irion
Der Mönch am Meer, Caspar David Friedrich

PRO: Frau Verwiebe, können Sie als Kunsthistorikerin, als Kennerin und Kuratorin den christlichen Glauben von Caspar David Friedrich auch in seinen Zeichnungen und Gemälden „herauslesen“?

Birgit Verwiebe: Caspar David Friedrich ist sehr religiös gewesen. Die Natur war für ihn wohl eine Schöpfung Gottes. Von seinem christlichen Glauben wissen wir aus Briefen und aus Berichten von Zeitgenossen. Friedrich hat ihn vielfach in seiner Kunst, in seinen Landschaften, in gemalten Stimmungen ausgedrückt. Ein Beispiel dafür ist das Bild „Kreuz im Gebirge“ von 1808: ein Fels, davor grüne Fichten und Tannen. Und oben auf dem Gipfel ein Christus am Kreuz beleuchtet von Sonnenstrahlen. Um das Bild gab es heftigen Streit. Friedrich wurde angegriffen, weil er eine Landschaft zum Altarbild gemacht hatte. Konservative Kritiker meinten, ein Altarbild müsse eine religiöse Szene zeigen, eine Landschaft wollten sie nicht akzeptieren. Befreundete Künstler und Gelehrte verteidigten Friedrich. Das „Kreuz im Gebirge“, auch „Tetschener Altar“ genannt, hat neue Wege für die Kunst eröffnet.

Wie hat die christliche Religion Caspar David Friedrich geprägt, wie kam sie in seine Bilder?

Er wurde 1774 in Greifswald als sechstes von zehn Kindern des Kerzenmachers Adolf Gottlieb Friedrich geboren. Friedrich wurde protestantisch erzogen. Schon als Kind hat er schmerzhafte Erfahrungen machen müssen: Seine Mutter starb, als er sieben war. Ein paar Jahre später ertrank sein jüngerer Bruder Christoffer vor seinen Augen – er war ins eisige Wasser gesprungen, um Caspar David zu retten. Dieses tragische Erlebnis hat Friedrich wohl lebenslang beschäftigt. Seine Religiosität wird ihm dabei geholfen haben, er wird darin Trost gefunden haben. Friedrichs Glaubenshintergrund war prägend in seinem Leben und in seinem künstlerischen Schaffen. So schrieb er über sein Bild „Das Kreuz an der Ostsee“: Das Kreuz möge Trost spenden.

Birgit Verwiebe ist Kuratorin an der Alten Nationalgalerie in Berlin, unter anderem für die Ausstellung „Caspar David Friedrich. Unendliche Landschaften“.

Das Selbstverständnis des Christentums und des christlichen Glaubens hat viel mit „Hoffnung inmitten von Hoffnungslosigkeit“ zu tun oder mit „Licht in der Dunkelheit“. In Caspar David Friedrichs Bildern dominieren düstere Töne. Viele Interpreten empfinden die Stimmungen als melancholisch oder gar bedrohlich und erklären das mit der tragischen Familiengeschichte – wie würden Sie es deuten? 

Es gibt Bilder von Friedrich, die Nacht und Dunkelheit zeigen. Zugleich aber malte er Landschaften in hellem Tageslicht oder bei Sonnenschein. Selbst wenn in einem Bild wie dem „Mönch am Meer“ im unteren Teil ein schwarzes Meer und ein wolkenverhangener Himmel erscheinen, so reißen oben dennoch die Wolken auf. Ein leuchtendes Blau ist dort zu sehen. Friedrich hat diesen Himmel mit Smalte gemalt. Smalte ist ein Pigment, das aus kobaltblauem, fein zerriebenem Glas gewonnen wurde. Es besitzt eine besondere Reflexionskraft. So erklärt sich das magische Blau des Himmels im „Mönch am Meer“ und auch in anderen seiner Bilder. Dieses Leuchten ist als Zeichen der Hoffnung lesbar. Friedrich schuf Bilder der Sehnsucht und der Zuversicht, aber auch des Zweifels. Darin werden existenzielle Fragen des menschlichen Lebens und seiner Endlichkeit berührt.

Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie/Deka/AndresKilger
Der Watzmann (1824-25) von Caspar David Friedrich

Abend- und Nachtstimmungen mit Mondschein, düstere Strände und Wälder, knorrige Bäume, zerfallene Ruinen und immer wieder Nebel – war Caspar David Friedrich ein Melancholiker?

Friedrich war wohl ein melancholischer Mensch. Die persönlichen Erfahrungen seit seiner Kindheit aber auch die Umbrüche des frühen 19. Jahrhunderts werden dazu beigetragen haben. Die napoleonische Besetzung und die Restauration haben ihm zugesetzt. Friedrichs Existenz als Künstler war nie wirklich abgesichert. Vor allem gegen Ende seines Lebens war er von Armut bedroht. Mit seiner Heirat 1818 änderte sich vorübergehend sein Gemütszustand. Das berühmte Bild „Kreidefelsen auf Rügen“, das nach seiner Hochzeitsreise entstand, drückt Zuversicht aus. Ja, Friedrich neigte zur Melancholie. Aber er war auch humorvoll und hat Späße gemacht, vor allem mit Kindern.

Inwiefern ist die Kunst von Caspar David Friedrich modern? Warum sind so viele Menschen aktuell davon fasziniert?

Die Kunst Friedrichs zieht heute ein großes Publikum in ihren Bann. Seine Bilder fesseln Auge, Herz und Verstand. In den weiten Himmeln und fernen Horizonten seiner Landschaften wird die Unendlichkeit spürbar etwas, das größer ist als der Mensch. Friedrichs Kunst spricht Menschen unterschiedlicher Konfessionen an. In die Alte Nationalgalerie kommen beispielsweise viele Besucher aus Japan: um Friedrich zu erleben. Friedrichs Rückenfiguren schauen in eine Unermesslichkeit, die ihnen letztlich ein Rätsel bleibt. Und so stehen auch wir vor seinen stillen Bildern, die immer wieder zum Betrachten einladen.

Foto: PRO/Christoph Irion
Das Eismeer (1823-24) von Caspar David Friedrich

Nachdem der Naturmaler Caspar David Friedrich in der Zeit der Industrialisierung in Vergessenheit geraten war, weckte seine Kunst 1906, auf der „Jahrhundertausstellung“ in Berlin, wieder ein riesiges Publikumsinteresse. Am 19. April startet die Alte Nationalgalerie die von Ihnen kuratierte Ausstellung „Caspar David Friedrich. Unendliche Landschaften“. Wie lange haben Sie diese spektakuläre Ausstellung, die mit den Schauen in der Hamburger Kunsthalle (bis Ende März) und Dresden (ab 24. August) einen großen Dreiklang bildet, vorbereitet?

Es hatte bisher noch nie eine große Ausstellung zu Friedrich an der Nationalgalerie gegeben. Vor vielen Jahren habe ich begonnen, über eine solche Ausstellung nachzudenken. Seit fünf Jahren arbeiten wir daran, unsere Schau zu planen und auf den Weg zu bringen. Es war von Anbeginn klar, dass wir ein eigenes Thema für Berlin entwickeln würden, das sich von den Themen der Ausstellungen in Hamburg und Dresden unterscheidet. So kam ich mit Bezug auf die eigene Sammlungs- und Ausstellungsgeschichte auch auf das Thema einer Wiederentdeckung. Friedrich wurde ja nach einer Zeit des Vergessens mit der legendären Jahrhundertausstellung 1906 an der Nationalgalerie wiederentdeckt. Dort waren damals 93 Werke von Friedrich zu sehen, so viele wie nie zuvor. Ich hatte die Idee, Bilder zusammenzutragen, die auf der Jahrhundertausstellung zu sehen waren. Das ist recht gut gelungen. Über 40 dieser Werke können wir zeigen. Mit ihnen sowie mit weiteren Friedrich-Werken habe ich Motivgruppen gebildet. So werden wir Säle haben, einmal mit Bildern der Küste und einmal mit Bildern von Gebirgen. Daneben zeigen wir einen Saal mit Bilderpaaren. Außerdem wird es Räume zur Maltechnik Friedrichs geben.

Der Journalist, Buchautor und Filmemacher Rainer Wälde hat sich bereits 1981 als Abiturient intensiv mit Caspar David Friedrich beschäftigt. Gemeinsam mit Kameramann Andreas Lehmann realisierte er 1989 auf den Spuren des Malers eine TV-Reportage für ERF Medien. Titel: „Ein Augenblick zur Ewigkeit“.

Sie beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit Caspar David Friedrich: Was bedeutet seine Kunst für Sie persönlich?

Friedrichs Kunst hat mir seit langem viel bedeutet. Er ist für mich einer der größten Künstler. Seine Bilder sprechen zu mir. Sie bieten Räume für Gedanken und Empfindungen. Ich glaube, man kann auf jeweils unterschiedliche Weise mit ihnen in Kontakt treten. Je nach eigenem Befinden betrachtet man seine Bilder jedes Mal neu. Man kann sie immer wieder anschauen. Dennoch sind sie nie vollständig zu entschlüsseln. Es bleibt immer etwas rätselhaft, das nicht erklärbar, aber spürbar ist. Friedrichs Malerei ist dadurch unerschöpflich.

Vielen Dank für das Gespräch!

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