Die Social-Media-App Tiktok, bekannt für ihre Kurzvideos, könnte in den USA bald verboten werden. Vergangene Woche stimmte das US-Repräsentantenhaus für ein Gesetz, das einen Eigentümerwechsel erzwingen möchte.
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass der chinesische Konzern Bytedance, dem Tiktok gehört, die App an ein nicht-chinesisches Unternehmen verkaufen soll. Geschieht das nach einem möglichen Inkrafttreten nicht innerhalb von sechs Monaten, könnte die Anwendung in amerikanischen App-Stores verboten werden. Eine große Mehrheit von 352 Abgeordneten im Repräsentantenhaus stimmte für das Gesetz. Nur 65 waren dagegen.
Als Nächstes muss der Senat über das geplante Gesetz abstimmen. Nur wenn der auch zustimmt, kann es beschlossen werden. Die Stimmungslage dort sei weniger eindeutig, berichtet unter anderem der „Spiegel“. Es gebe sowohl aufseiten der Demokraten als auch bei den Republikanern Befürworter und Gegner. US-Präsident Joe Biden teilte mit, er sei für das geplante Gesetz und wolle es auch unterzeichnen, wenn es dazu komme.
Meinungswechsel bei Trump
Der ehemalige US-Präsident und erneute Präsidentschaftskandidat Donald Trump hat sich dagegen ausgesprochen. Sein Grund ist aber womöglich eher der, dass er dem Konzern Meta damit schaden möchte. Auf seiner eigenen Social-Media-Plattform „Truth Social“ schrieb er laut Spiegel: „Ich möchte nicht, dass Facebook profitiert.“ Trump behauptet weiterhin, der Konzern von Mark Zuckerberg habe die Präsidentschaftswahl 2020 zu seinen Ungunsten beeinflusst. Sollte Tiktok in den USA verboten werden, gäbe es neben X (ehemals Twitter) nur noch Meta mit seinen verschiedenen Netzwerken wie Instagram und Facebook als Platzhirsch bei den Social-Media-Apps.
Bytedance-Investor Jeff Yass soll außerdem die aktuelle Wahlkampagne von Trump mit Spenden unterstützt haben. Trump bestreitet aber, dass dies der Grund sei, warum er gegen ein TikTok-Verbot ist.
Während seiner Amtszeit als Präsident hatte Trump das genaue Gegenteil befürwortet und ebenfalls versucht, Tiktok an amerikanische Investoren verkaufen zu lassen. Und gedroht, dass die Plattform sonst verboten würde. Das scheiterte jedoch daran, dass US-Gerichte das als Bedrohung der Redefreiheit werteten. Ein ähnlicher Vorstoß zu einem Tiktok-Verbot aus dem Bundesstaat Montana liegt deshalb ebenfalls auf Eis.
Deshalb ist auch unklar, ob das aktuell geplante Gesetz Aussicht auf Erfolg hätte. Es könnte wegen der verfassungsrechtlich verankerten Redefreiheit angefochten werden.
Sorge vor chinesischer Spionage
Der Grund, warum die USA Tiktok so gerne in amerikanischer Hand wüssten, sind unter anderem Spionagebefürchtungen. Immer noch ist nicht klar, ob und welche Informationen der Nutzer am Ende beim chinesischen Staatsapparat landen. Bytedance investierte zwar Milliarden, um diese Befürchtungen auszuräumen und die Daten westlicher Tiktok-Nutzer in Irland und Texas zu speichern. Bei einer Anhörung vor dem US-Kongress von Tiktok-Chef Shou Zi Chew vor gut einem Jahr räumte der jedoch ein, dass trotzdem Daten an Bytedance und damit nach China fließen.
Ende 2022 wurde bekannt, dass Mitarbeiter des Konzerns mithilfe von Nutzerdaten und IP-Adressen „Forbes“-Journalisten ausspähten, die über die Techbranche berichteten. Justizministerium und FBI ermittelten anschließend gegen das soziale Netzwerk. Die entsprechenden Tiktok-Mitarbeiter wurden anschließend entlassen.
Angst vor Propaganda
Größer sei die Sorge unter amerikanischen Politikern jedoch, dass die chinesische Regierung Tiktok als Propagandawerkzeug nutzen könnte, berichtet die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ). Denn das soziale Netzwerk sei mittlerweile zu einem Medienkonzern herangewachsen. Fast ein Drittel der jungen Amerikaner unter 30 Jahren nutze die App regelmäßig als Nachrichtenquelle, zeigten Statistiken des Meinungsforschungsinstituts Pew. Es gehe eher darum, dass einzelne Nutzer Inhalte für große Massen produzierten und weniger um soziale Interaktion.
Der Vergleich zu einer Rundfunkanstalt liege daher nahe. Und der ausländische Besitz von Rundfunkanstalten sei in den USA streng geregelt. Ausländer dürften nicht mehr als 20 Prozent an amerikanischen Rundfunkanstalten halten, erklärt die SZ.
Tiktok selbst erklärt im Zweifelsfall, dass Bytedance gar nicht in Chia gemeldet sei, sondern auf karibischen Inseln. Doch der Hauptsitz des Unternehmens mit den meisten Unternehmeranteilen liegt in Peking.
„Bytedance hat keine Chance, in China aktiv zu sein, wenn die Kommunistische Partei es nicht will“, zitiert die SZ Antonia Hmaidi vom Mercator-Institut für Chinastudien in Berlin. Sie beschäftigt sich mit der chinesischen Digitalbranche. „Bytedance hat vorwiegend chinesische Mitarbeiter. Der Algorithmus wird in China entwickelt. Die Firma muss sich an chinesische Gesetze halten. Chinesische Staatsbürger müssen mit den Sicherheitsbehörden kooperieren“, erklärt Hmaidi.
Wirkliche Beweise, dass China die Inhalte auf Tiktok kontrolliert oder für sich nutzt, gibt es nicht. Allerdings fanden Forscher der Rutgers-University in New Jersey vergangenes Jahr heraus, dass Themen, die der Kommunistischen Partei Chinas nicht passen, in dem Netzwerk deutlich unterrepräsentiert sind und den Nutzern weniger ausgespielt werden. Zum Beispiel, wenn es um Proteste in Hongkong oder um die Uiguren geht.
Chinas Regierung bezeichnete das geplante US-Gesetz als „Mobbing-Verhalten“. Und die Nutzer selbst rief das Netzwerk zum Protest auf. „Schützt eure verfassungsmäßigen Rechte“, sagte Tiktok-Chef Shou Zi Chew. „Sorgt dafür, dass eure Stimmen gehört werden.“ Die Nutzer sollten weiterhin ihre Inhalte auf der Plattform teilen – mit Verwandten, Freunden und mit „euren Senatoren“. Außerdem werde man alles Mögliche unternehmen und rechtliche Mittel einsetzen, um die Plattform zu verteidigen, erklärte das Unternehmen selbst. Nach eigenen Angaben hat Tiktok 170 Millionen Nutzer in den USA. Weltweit sollen es 1,5 Milliarden sein.