Der Theologe Justus Geilhufe ist der Ansicht, dass Bekehrung auch in Strukturen und Formen der Landeskirchen noch möglich ist. Am Rande des „Willow Creek Leitungskongresses“ 2024 in Karlsruhe erklärte Geilhufe: „Wir machen in der Landeskirche im Grunde nichts, was irgendwie als modern oder als neu gelten kann. Aber wir können das, was uns unsere Väter und Mütter hinübergegeben haben, so füllen, dass Menschen sagen: ‚Ich möchte diese Botschaft, aus der die Christen leben, auch in meinem Leben haben.‘“
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Landeskirchen stecken nach Einschätzung des Theologen in einer „riesengroßen Identitätskrise“. Geilhufe: „Wir als Landeskirchen – oder wir als EKD – haben das Gefühl, dass eigentlich nichts mehr von dem, was wir bewahrt und gepflegt haben, für heute noch eine Geltung hat.“ In den 10-Uhr-Gottesdiensten der Landeskirche, ihren alten Kirchen und Pfarrhäusern sieht der Pfarrer, Autor und Podcaster aber „nicht eine Bürde, sondern Heimatorte, die wir haben, die uns tragen“.
Der Gedanke, Kirche sei immer reformbedürftig („Ecclesia semper reformanda“), dürfe sich nicht vordringlich auf Strukturen und Formen beziehen, sondern auf „das Innere, die Seele der Kirche“. Es werde mitunter der Eindruck erweckt, die Gebäude, die Ämterstrukturen, die Art der Gottesdienste müssten immer wieder angepasst werden. Das könne durchaus hier und dort der Fall sein. „Ich erlebe aber, was vor allem erneuert werden muss – und das muss permanent geschehen – ist das Herz, der Geist, die Seele, die in der Kirche steckt. Nämlich, dass wir Menschen da draußen suchen und mit dem Evangelium erreichen wollen.“ In dem Punkt sei er mit „Willow Creek“ und auch mit den vielen Referenten einer Meinung.
Nicht aus Angst heraus „alles rundum erneuern“
Als Pfarrer erlebe er nicht die Sehnsucht bei den Menschen, dass diese etwas komplett Neues von der Kirche wollten. „Was ich erlebe ist, dass die Menschen gezeigt bekommen wollen, wie sie jetzt da hineinfinden können“, erklärte der Pfarrer. Er scheue sich davor, zu sagen, Pfarrhaus und Kirche müssten zunächst abgerissen werden, damit etwas Neues entstehen könne. „Darin sehe ich, für die Umstände, unter denen wir leben, keinen Sinn“, sagte der Pfarrer einer Kirchengemeinde im Großschirma. Der Ort in Sachsen hat rund 6.000 Einwohner, davon sind zehn Prozent Kirchenmitglieder. Durch die Sozialisation in der DDR hätten viele Menschen in den neuen Bundesländern keinen Berührungspunkt mehr mit dem christlichen Glauben. Den Menschen müsse erklärt werden, worum sich der christliche Glaube drehe.
Geilhufe warnte vor dem Drang, in den Kirchen und Gemeinden „aus einer Angst“ heraus „alles einmal rund und rundum erneuern“ zu wollen, um zu Wachstum und Bekehrungen zu kommen. „Ob auf lange Sicht neue Gemeindeformen, Gottesdienstformen und Strukturen tatsächlich einen ganz anderen Effekt erzielen, als das die Landeskirchen mit traditionellen Gottesdiensten tun, das lassen wir mal Gottes Zukunft entscheiden“.
An der dreitägigen Veranstaltung nehmen laut Angaben der Veranstalter 5.700 Teilnehmer vor Ort in der „DM-Arena“ Karlsruhe sowie 1.300 weitere an zehn Übertragungsorten teil.
„Willow Creek Deutschland“ (WCD) ist nach eigenen Angaben die „führende Ermutigungs- und Inspirationsplattform“ für Gemeinden und Non-Profit-Organistationen. Der Kongress richtet sich an Christen, die ihren Glauben neu beleben und ihre Fähigkeiten weiterentwickeln und die Zukunft der Kirche mitgestalten möchten. WCD motiviert haupt- und ehrenamtliche Kirchen- und Gemeindemitarbeiter auf Kongressen und durch Literatur für ihre Dienste.
Seit 1996 hat WCD bislang 39 Kongresse mit mehr als 180.000 Teilnehmern organisiert. Im Februar 2020 musste der Leitungskongress am gleichen Ort wegen der Corona-Pandemie abgebrochen werden. Nach der Pandemie fand 2022 ein Kongress in Leipzig unter dem Motto „Connect“ statt. Vorsitzender von „Willow Creek Deutschland“ ist Pastor Ulrich Eggers.