Presserat erteilt 2023 mehr Rügen als je zuvor

Der Presserat hat im vergangenen Jahr 73 Rügen ausgesprochen. Die Selbstkontrolle der Print- und Onlinemedien monierte vor allem Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht.
Von Norbert Schäfer
Große Auswahl an Zeitungen

Der Deutsche Presserat hat 2023 so viele Rügen erteilt wie noch nie. Das hat das Selbstkontrollorgan der Print- und Onlinemedien am Mittwoch zur Veröffentlichung des Jahresberichtes 2023 mitgeteilt. Insgesamt 73-mal verhängte der Presserat demnach seine schärfste Sanktion für besonders schwere Verstöße gegen den Pressekodex. 2022 hatte der Presserat laut dem Bericht 48 Rügen ausgesprochen, 2021 waren es 60.

Das Beschwerdeaufkommen stieg 2023 dagegen nur leicht gegenüber dem Vorjahr. 2023 sind 1.850 Einzelbeschwerden eingegangen, 2022 waren es 1.733. Besonders die Frage, ob die betreffenden Medien sorgfältig recherchiert und Informationen sorgfältig wiedergegeben haben, interessierte die Leser. Regional- und Lokalzeitungen waren am häufigsten Gegenstand der Beschwerden.

Manko: Journalistische Sorgfaltspflicht

Besonders häufig rügte der Presserat, wenn in den Redaktionen die journalistische Sorgfaltspflicht (Ziffer 2 des Pressekodex) missachtet wurde. Dazu gehörten irreführende Überschriften, lückenhafte Recherche und wenn Beschuldigte keine Stellung gegen erhobene Vorwürfe beziehen konnten. 22-mal erteilte der Presserat für solche Verstöße eine Rüge. Ebenso häufig rügte der Presserat, wenn Redaktionen dem Persönlichkeits- und Opferschutz (Ziffer 8 des Pressekodex) nicht genügend Beachtung schenkten.

Jeweils elfmal rügte der Presserat, dass in Berichterstattung die Wahrung der Menschenwürde (Ziffer 1 des Pressekodex) nicht genügend beachtet wurde, oder dass es sich bei den Artikeln um Sensationsberichterstattung (Ziffer 11 des Pressekodex) handelte. In zehn Fällen war nach Ansicht des Presserates die mangelnde Trennung von Werbung und Redaktion (Ziffer 7 des Pressekodex) zu rügen.

„Gerade in Krisenzeiten wünschen sich Leserinnen und Leser eine Berichterstattung, die ethischen Standards gerecht wird“, erklärte die Sprecherin des Presserats, Kirsten von Hutten, in einer Pressemitteilung. „Redaktionen sollten Fehler transparent korrigieren, mit der Leserschaft das Gespräch suchen und ihre Arbeit erklären, wenn sie kritisiert werden.“

Begriff „Juden-Hasser“ erregte Gemüter

Zur Berichterstattung über den Angriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 und den Krieg in Israel und Gaza gingen im vergangenen Jahr 83 Beschwerden beim Presserat ein. Insgesamt wurden darin bei 67 Artikeln von Print- und Onlinemedien Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht (Ziffer 2 des Pressekodex) vermutet. Zweifel bestanden unter anderem an Angaben über Opferzahlen. Zudem wurden Formulierungen wie „Überfall“ statt „Terror“ als verharmlosend von den Lesern empfunden. Allerdings hat der Presserat bei den Beschwerden zur Berichterstattung über den Krieg in Israel „bislang keinen Verstoß gegen den Pressekodex“ feststellen können. In 59 der 83 Fälle wurden die Beschwerden als unbegründet oder „offensichtlich unbegründet“ abgewiesen.

Zahlreiche Beschwerden hatten laut Bericht die Berichterstattung über Pro-Palästina-Demos in Deutschland zum Gegenstand. Die Bezeichnung der Demonstranten in den Artikeln als „Juden-Hasser“ empfanden die Beschwerdeführer demnach als falsch, oder diskriminierend gegenüber Muslimen. Der Presserat wies die Beschwerden als offensichtlich unbegründet ab mit dem Hinweis, dass in den Artikeln die antisemitischen Äußerungen der Demonstranten deutlich geworden seien. Über die verbliebenen 24 Beschwerden sollen die Ausschüsse in ihrer Sitzung im März 2024 befinden.

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