Matthias Kleiböhmer und seine Frau Daniela haben viele Gemeinsamkeiten. Eines unterscheidet die beiden aber: Er ist Christ, für sie ist und bleibt der Glaube an Gott keine Option. Sie kennen sich schon seit ihrer Jugend. Matthias engagierte sich damals in der örtlichen Kirchengemeinde. Daniela nahm an deren Freizeiten teil und bald gehörten sie zur selben Clique. 16 Jahre später, nachdem Danielas erster Mann gestorben war, wurden beide ein Paar.
Matthias wollte schon immer Pfarrer werden. Als am Ende seines evangelischen Theologiestudiums das Examen ansteht, gibt es viele potenzielle Pfarrer. Zu viele. Er wird stattdessen Fundraiser und wechselt von der westfälischen in die bayerische Landeskirche. Dort entwickelt er ein Konzept zur Mitgliederbindung, das heute noch genutzt wird. Als die zwei ein Paar werden, verlagert Matthias seinen Lebensmittelpunkt wieder nach Nordrhein-Westfalen. Er beginnt bei der „Stiftung Creative Kirche“ in Witten und entwickelt und organisiert viele Großveranstaltungen.
In Danielas Familie spielt der Glaube eine untergeordnete Rolle. „Ich bin getauft und konfirmiert. Sonst waren wir höchstens an Weihnachten in der Kirche.“ Schon als Jugendliche hält sie Kirche für ein „Selbsthilfe-Konstrukt der Menschen“. Mit ihrem damaligen Pfarrer diskutiert sie über Gott und die Welt, erhält aber aus ihrer Sicht keine relevanten Antworten. Als Mikrobiologin arbeitet sie aktuell als wissenschaftliche Redakteurin.
Kirche und Glaube sind für sie etwas für Menschen, die mit ihrer eigenen Bedeutungslosigkeit nicht klarkommen: „Ich habe nie das Gefühl gehabt, dass ich das für mich persönlich brauche.“ Auch viele kirchliche Rituale sind ihr fremd. Als Wissenschaftlerin blicke sie sehr rational auf die Dinge.
Christliche Partner schwer zu finden
„Wir wussten, dass wir nicht den gleichen Zugang zum Glauben haben, als wir 2007 ein Paar wurden“, erinnert sich Matthias. „Daniela war ein so großes Geschenk, dass diese Diskrepanz kein Ausschlusskriterium für mich war.“ Bis heute können sie ihre kontroversen Meinungen aber gut aushalten, „weil wir sonst viele gemeinsame Werte haben“. Natürlich bleibe es ein Thema der Beziehung, aber nicht das Beherrschende. Beide bestätigen, dass sie die grundlegenden Fragen dazu geklärt haben.
In einer Predigt in einem digitalen Gottesdienst während der Pandemie spricht Matthias darüber, wie er die Situation als einziger Christ in der Familie erlebt. Er erhält über 90 Zuschriften dazu. Weil er kein lesenswertes Buch zum Thema kennt, schreibt er es selbst. Vom ersten Verlag erhält er eine Absage. Dessen Zielgruppe würde keine Nichtchristen heiraten, hieß es. Im zweiten Anlauf findet er dann einen Verlag, in dem er das Thema platzieren kann.
So entstand sein Werk „Sonntagmorgensingle“. Dass Christen in Gemeinden heute ihren Partner finden, ist für ihn die „Idealvorstellung“. Schon er habe jedoch als junger Erwachsener eine christliche Partnerin mit der Lupe suchen müssen. Deswegen legt er auch Wert darauf, Christen stärker zu vernetzen und hilfreiche Angebote zu schaffen. Auf das Buch habe er viele positive Reaktionen erhalten, „auch aus eher konservativen Gemeinden“.
Kinder sollen selbst entscheiden
Und wie hält es das Paar in dieser Frage bei der Erziehung ihrer neun- und zwölfjährigen Kinder? Aus Danielas Sicht braucht es eine „gesunde Portion Naivität“, um an Gott zu glauben. Trotzdem findet sie es gut, wenn der christliche Glaube anderen helfen kann. Die Kinder sollen später selbst einmal entscheiden, ob das für sie gilt: „Ich habe ihnen ja nichts Besseres anzubieten.
Es freut mich, wenn Gott für sie ein hilfreicher Ansprechpartner ist.“ Die Kirche sei im Dorf sehr präsent und mache eine gute Arbeit: „Das werde ich ihnen nicht vorenthalten. Ich habe von den kirchlichen Angeboten als Jugendliche selbst profitiert.“
Für das Familienleben sei es bedeutsam, einen zeitlichen Ausgleich für die kostbaren Stunden zu finden, wenn Matthias den Gottesdienst besuche. Der Familienvater möchte seinen Kindern vermitteln, dass sich eine Beziehung mit Gott lohnt und das Leben bereichern kann. Der 47-Jährige findet es schade, dass seine Frau das nicht für sich annehmen kann: „Sie hat verstanden, dass wir Christen über eine Dimension im Leben verfügen, die ihr fehlt.“
Natürlich hofft er, dass sich das irgendwann ändert: „Aber sie ist ein Mensch mit Prinzipien. Es bringt deswegen nichts, sie krampfhaft davon zu überzeugen.“ Kleiböhmer zitiert den Theologen Dietrich Bonhoeffer, der von einem erfüllten Leben trotz unerfüllter Wünsche gesprochen habe: „Das könnte auf meine Frau zutreffen. Ich würde nicht sagen, dass ihr Leben defizitär ist.“
„Ich habe nie das Gefühl gehabt, dass ich das für mich persönlich brauche.“
Daniela Kleiböhmer
Der kritische Blick seiner Frau helfe ihm, wenn er Predigten vorbereitet: „Daniela hält mir den Spiegel vor. Sie fragt mich dann, ob ich das wirklich so glaube.“ Sie lege auch den Finger in die Wunde, wenn Kirche nicht authentisch und glaubwürdig sei. Zudem sei sie „sehr sensibel dafür, ob das, was ich predige, und das, was ich lebe, übereinstimmen“. Hin und wieder bitte seine Frau ihn auch, ihr theologische Sachverhalte noch einmal zu erklären. Nicht so begeistert wäre er dagegen, wenn sie sich über seinen Glauben lustig machen oder herablassend äußern würde: „Es braucht eine Art Grundrespekt für die Haltung des anderen.“
Es sei elementar wichtig, dass Partner über ihren Glauben sprechen, um zu wissen, was der andere vermisst. Er selbst sucht sich im beruflichen Umfeld und in der Gemeinde Menschen, mit denen er seinen Glauben teilen kann. „Am wichtigsten ist es, seine eigene Position zu haben. Kritisch wird es, wenn sich jemand in seiner Sichtweise bedroht fühlt und das Gefühl hat, sich rechtfertigen zu müssen.“
Gott sammelt den Zweifler ein
Weil für ihn der christliche Glaube so hilfreich ist, kann er sich nur sehr schwer vorstellen, warum andere ihn ablehnen. „Gott steht ja auf dem Marktplatz und fordert alle auf, kostenlos bei ihm einzukaufen. Schade, dass so viele Menschen das Angebot ablehnen.“
Er hofft, dass sich seine Kirche verändert – auch im Blick auf die Menschen, die das nicht glauben können: „Wir müssen diesen Menschen hinterherlaufen. Kirche soll die frohe Botschaft der Bibel weitersagen, versteht aber häufig die grundlegenden Muster der Kommunikation nicht. Wir müssen den Glauben alltagstauglich und möglichst barrierefrei anbieten, damit Menschen mit ihm in Kontakt kommen.“ Dazu gehörten auch Predigten aus der Lebenswirklichkeit der Menschen, zu der Pastoren etwa Relevantes aus christlicher Sicht sagen können.
„Gott steht ja auf dem Marktplatz und fordert alle auf, kostenlos bei ihm einzukaufen. Schade, dass so viele Menschen das Angebot ablehnen.“
Matthias Kleiböhmer
Mit der damaligen Entscheidung der Landeskirche, ihn nicht zum Pfarrer auszubilden, hat er seinen Frieden gemacht. Mittlerweile hat er sich zum Prädikant der Landeskirche ausbilden lassen und feiert regelmäßig Gottesdienste in Witten – auch an seinem aktuellen Wohnort in der Nähe von Unna. „Bei wichtigen Diensten oder als ich eingeführt wurde, hat mich meine Frau natürlich begleitet.“
Nach dem Gottesdienst habe seine Frau dann kritisch angemerkt, dass sehr viel über ihn und wenig über Gott geredet werde: „Das habe ich dann in der Predigt zum Thema Vergebung nachgeholt“, erklärt er mit einem Schmunzeln. „Ich begleite Matthias in den Gottesdienst, aber ich kann ihn nicht mitfeiern“, ergänzt seine Frau. Auch bei Veranstaltungen der „Creativen Kirche“ fühle sie sich fremd, wenn sie den Frömmigkeitsstil erlebe: „Außerdem opfere ich nicht gerne Zeit für etwas, was mich nicht weiterbringt.“
An Weihnachten waren sie auch gemeinsam im Gottesdienst, den Matthias gehalten hat: „In einem improvisierten Krippenspiel hat meine Frau sogar mitgemacht.“ Der Gottesdienst erfülle aber auch eine soziale Funktion, weil sich hier der ganze Ort treffe. An anderen Feiertagen oder im Urlaub geht er meistens, wenn er nicht selbst im Dienst ist, alleine in den Gottesdienst, um aufzutanken. In Glaubenskrisen denkt er manchmal darüber nach, ob auch ein Leben ohne Gott funktionieren kann.
Dann ist er froh, wenn Gott ihm ein Zeichen gibt und ihm Verantwortung überträgt: „Ich habe oft das Gefühl, dass Gott mich wieder einsammelt.“ Häufig denkt er dann an den Spruch, den er zu seiner Konfirmation erhalten hat. „Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dem fließen Ströme von lebendigem Wasser.“ (Johannes 7,38). Das ist der Auftrag, an dem er sich und seinen Glauben messen lassen will. Vor kurzem haben sich seine Kinder nach reiflicher Überlegung taufen lassen. Es kann also sein, dass der Platz neben Matthias Kleiböhmer im Gottesdienst demnächst häufiger besetzt sein wird.
Matthias Kleiböhmer: „Sonntagmorgensingle“, Gütersloh, 192 Seiten, 18 Euro.
Der Artikel ist erstmals in der Ausgabe 5/2023 des Christlichen Medienmagazins PRO erschienen. Das Heft können Sie hier kostenlos bestellen.