Die Idee, bei Instagram einen Account zu erstellen, kam Ina Jäckel im Corona-Lockdown im März 2020. „Wir mussten uns auf einmal Gedanken machen, wie wir auf digitalem Wege mit den Menschen unserer Kirchengemeinden in Kontakt bleiben“, sagt die 38-jährige Pastorin aus dem norddeutschen Leer gegenüber PRO. Den Namen „dingens.von.kirchen“ fand Jäckel witzig, und so war der Instagram-Account geboren.
Schon bald stellte sich ein größeres Interesse ein – nicht so sehr aus der eigenen Kirchengemeinde, sondern aus der ganzen Republik. „Das hat auf einmal viele schöne neue Möglichkeiten eröffnet, mit Menschen in Kontakt zu kommen, auch mit kirchenfernen Menschen“, sagt Jäckel, die seit sechs Jahren Pfarrerin im evangelisch-lutherischen Kirchenkreis Emden-Leer ist. Inzwischen hat Jäckel 13.000 Follower.
Die interessiere besonders, wie das Leben im Pfarrhaus so abläuft. Jäckels Ehemann ist ebenfalls Pastor, das Paar hat vier Kinder. Die beiden teilen sich anderthalb Stellen in zwei benachbarten Gemeinden in Leer. „Ich zeige dort auch etwas von meiner eigenen Frömmigkeit“, sagt Jäckel. Für viele sei es wertvoll, einmal eine Pfarrerin ganz ungezwungen zur Kirche und zum Glauben fragen zu können. Was bedeutet mir das Gebet, was Weihnachten? Wie erziehe ich meine Kinder? Was ist Taufe? Kurz: „Wie sieht der Glaube bei einer modernen Frau und gläubigen Christin aus?“
Manchmal komme es ganz von allein zu tiefgründigen Gesprächen über den Glauben. „Etwa wenn die Menschen wissen wollen, wie ich mit Beerdigungen klarkomme, viele wollen wissen, worum es bei Pfingsten geht.“ Mindestens drei Stunden am Tag verbringe die Pastorin mit der Arbeit mit ihrem Instagram-Account.
Seit Anfang des Jahres hat ihre Landeskirche Jäckel ganz offiziell eine Viertel-Stelle für den Bereich Kirche und Social Media zugeteilt. „Spätestens in der Pandemie wurde klar: Diese Form von Kirche spricht die Leute an“, sagt Jäckel. „Offenbar hat es auch etwas damit zu tun, dass der Kontakt sehr niederschwellig ist. Digital geht man viel leichter auf eine Kirchenangehörige zu.“ Auch digitale Gottesdienste bieten Jäckel und ihr Mann regelmäßig über die Video-Chat-Software Zoom an.
Bei vielen löst die moderne Pfarrerin auch Irritationen aus, wie sie berichtet. „Alles, was weiblich assoziiert ist“, sagt Jäckel. So mokierten sich manche etwa über ihren Lippenstift, den roten Nagellack, ihre Ohrringe oder ein Piercing im Gesicht. Auch rote Schuhe mit Absätzen kamen bei manchen nicht gut an, als Jäckel das einmal ausprobierte. Aber schon ein Rock unter dem Talar ist nicht für alle okay. Als Jäckel mit ihrem Kind schwanger war und ihr Bauch unter dem Talar bei einer Beerdigung deutlich sichtbar war, wurde sie sogar einmal angespuckt.
Mit „Dingenskirchen“ unterwegs im Fernsehen
Als Jäckel im November 2022 zu Gast in der NDR-Fernsehtalksendung „3 nach 9“ mit Giovanni di Lorenzo und Judith Rakers war, bekam sie viel Zuspruch für ihre Arbeit von den Talkgästen, zu denen etwa die Schauspieler Sky du Mont und Hannes Jaennicke gehörten. Die Sängerin Sarah Connor war begeistert von der Pastorin, die „endlich mal die Kirche entstaubt“, und bot spontan an, einmal in Jäckels Gemeinde aufzutreten.
„Der Umgang mit den anderen Gästen war unglaublich freundlich, wertschätzend und interessiert“, erinnert sich Jäckel gegenüber PRO. Das sei nicht immer selbstverständlich – manchmal bekomme sie als Pfarrerin auch die ganze Ablehnung zu spüren, die Menschen gegenüber der Kirche aufgebaut haben.
Seit Ende letzten Jahres hat Jäckel eine eigene Sendung im NDR. Sie trägt den Titel „Dingenskirchen“ und entsteht in Zusammenarbeit mit der evangelischen und der katholischen Kirche. Im Sommer vergangenen Jahres wurde sie von der Kirchenredaktion des NDR zu einem Casting eingeladen, die war wegen des Instagram-Kanals auf Jäckel aufmerksam geworden. Nun befragt Jäckel vor der Kamera unterschiedliche Menschen an ihrem Arbeitsort zu einem bestimmten Thema.
Selbstoptimierung und der Zwang, immer besser zu werden, war Thema in einer Sendung, eine andere behandelte die Frage: „Was ist heute Luxus?“ Ein Obdachloser sagte Jäckel darin, für ihn sei bereits der Kaffee vom Bäcker Luxus; der Verkäufer von teuren Designer-Klamotten erzählte, seine Kunden gäben mehrere Hundert Euro nicht nur für schönes Design aus, sondern auch für eine bessere Qualität. Für eine Mutter, die Jäckel in einer Markthalle ansprach, ist schon Zeit purer Luxus. Insgesamt sollen acht Folgen für die erste Staffel von „Dingenskirchen“ abgedreht werden.
Für eine weitere Folge war Jäckel beim Musical „Mama Mia“ in Hamburg, um die Frage zu stellen: Welche Rollen spiele ich in meinem Leben eigentlich? Als Nächstes geht es für die Dreharbeiten auf einen Bauernhof in Niedersachsen. Warum suchte der NDR ausgerechnet eine Pfarrerin? „Gar keine so leichte Frage“, gibt Jäckel zu. „Eine Pfarrerin macht deutlich, dass Kirche auch dorthin kommt, wo die Menschen sind.“ Sie fügt hinzu: „Es kann nicht sein, dass die Kirche dort bleibt, wo sie lange war: hinter ihren Kirchenmauern.“
Dieser Artikel erschien zuerst in Ausgabe 4/2023 von „PRO – das christliche Medienmagazin“. Sie können die Ausgabe hier kostenlos bestellen oder online lesen.