Der letzte Fußabdruck soll grün sein

Ein nachhaltiger Lebensstil wird vielen Menschen immer wichtiger. Wie steht es um Ökologie und Nachhaltigkeit, wenn das Leben zu Ende ist? Spielt es aus christlicher Sicht eine Rolle, in welcher Form jemand bestattet wird?
Von Norbert Schäfer
Beerdigung, Grab

Der Wunsch, die Umwelt für die nachfolgenden Generationen zu bewahren, gewinnt auch über die eigene Lebenszeit hinaus an Bedeutung. „Das Thema Nachhaltigkeit ist in der Bestattung angekommen“, sagt Elke Herrnberger, die Pressesprecherin im Bundesverband Deutscher Bestatter. Alle in der Branche müssten sich mit dem Thema beschäftigen. „Wer den eigenen ökologischen Fußabdruck zu Lebzeiten optimiert hat, möchte das auch für seinen letzten Weg.“ Doch die reinen Zahlen weisen noch nicht darauf hin. In Deutschland werden rund 75 Prozent der Bestattungen als Feuerbestattung durchgeführt. Tendenz steigend. Für jede Einäscherung und die dafür vorgeschriebenen hohen Temperaturen werden je nach Stand der Technik im Krematorium mehrere Kubikmeter Gas benötigt. Bei einer Erdbestattung muss dagegen keine Energie in Form von Verbrennungswärme zugeführt werden. Es mag ­pietätlos klingen, aber: Das spart CO2.

Dem Wunsch, möglichst umweltbewusst zur letzten Ruhe gebettet zu werden, trägt beispielsweise die „Grüne Linie“ Rechnung. Das Siegel zertifiziert Bestatter, die ökologisch nachhaltige Beisetzungsformen anbieten. Dabei sollen möglichst viele Bestandteile in den natürlichen Kreislauf zurückgelangen. Dazu gehört unter anderem, dass das Holz für den Sarg, der Stein für das Grabmal, die Blumen für Dekoration und für den Grabschmuck aus der Region stammen. Bestattungstextilien und alle Bestandteile sollen möglichst vollständig aus Naturstoffen bestehen, die biologisch abbaubar sind. Zudem gilt es dabei, sämtliche Transportwege kurz zu halten, um Emissionen zu vermeiden.

Der ökologische Gedanke setzt sich auch in den Kommunen immer stärker durch. „Teilweise sind es bereits die Friedhofsordnungen, die vorschreiben, dass nur noch abbaubare Produkte in die Erde eingebracht werden dürfen“, sagt Herrnberger. Das solle verhindern, dass chemische Stoffe in den Boden kommen, die dort nicht hingehören. Bis die Organismen im Boden einen Leichnam zu Erde zersetzt haben, dauert es Jahre, je nach Beschaffenheit des Bodens sogar Jahrzehnte. Ein Grund dafür, warum auf vielen Friedhöfen der Platz für eine Grabstätte knapp wurde.

Schneller geht es bei einer „Reerdigung“. Hierbei greift die Technik der Natur unter die Arme und verkürzt den Verwesungsvorgang. Der Leichnam wird dazu in einem sargähnlichen Behältnis aus recyceltem Kunststoff – einem sogenannten Kokon – auf ein Substrat aus Heu und Stroh gebettet, das mit Aktivkohle angereichert ist. „Die Transformation des Körpers in Erde durch die natürlichen Mikroorganismen erfolgt durch einen aeroben Prozess – also in Anwesenheit von Sauerstoff – mittels kontrollierter Luftzufuhr und Befeuchtung“, erklärt Pablo Metz, der die neue Bestattungsform mit einem Pilotprojekt in Deutschland einführen möchte. Die Technik schafft den Mikroorganismen optimale Bedingungen. Im Kern ist der Vorgang eine Kompostierung, die nach 40 Tagen abgeschlossen ist. Der tote Körper eines Menschen ist in der Zeit bis auf die großen Knochen und möglichen Implantate gänzlich zu Erde zerfallen. Die wird dann auf einem Friedhof beigesetzt. Das ist auch für Urnen vorgeschrieben: Außer bei der Seebestattung in einer Urne müssen physische Reste eines toten Menschen an einem zu diesem Zwecke gewidmeten Ort, einem Friedhof oder Bestattungswald, beigesetzt werden.

Die Gesamtkosten für eine Bestattung liegen in Deutschland im Durchschnitt bei 4.500 Euro. Das hat die Verbraucherinitiative Bestattungskultur „Aeternitas“ errechnet. Die Kosten für ein Grabmal von 2.000 bis 3.000 Euro kommen bei einer klassischen Grabstätte noch dazu. See- und Baumbestattungen, Gemeinschaftsgrabanlagen, Urnenwände und Rasengräber sehen entweder keine oder nur eine kleine Steinplatte vor und sind deshalb in der Regel günstiger. Dienstleistungen wie zum Beispiel die Überführung, Einäscherung, Abwicklung der Trauerfeier und Formalitäten sowie die örtlichen Friedhofsgebühren machen einen größeren Teil der Bestattungskosten aus als Sarg oder Urne. Auch aus Kostengründen entschieden sich viele Angehörige für eine Feuerbestattung, erklärt Alexander Helbach, Presse-Referent bei „Aeternitas“. Er appelliert hinsichtlich der CO2-Bilanz einer Einäscherung zu Besonnenheit: „Ich halte es für wichtig, dies auch immer in Relation zu anderen Lebensbereichen zu setzen. Und hier nimmt die Bestattung eines Menschen sicherlich eine Sonderrolle ein.“

Nachhaltiges Leben über den Tod hinaus

„Im Blick auf die Friedhofs- und Trauerkultur zeigt sich in Deutschland in eklatantem Ausmaß die Säkularisierung und Pluralisierung unserer Gesellschaft“, sagt der evangelische Theologe Rolf Hille. Bis vor Kurzem seien Bestattungen ein wichtiger Beitrag der Volkskirchen in der Öffentlichkeit gewesen und hätten dazu beigetragen, die christlichen Inhalte als Kasualien deutlich zu machen. Inzwischen sei das durch die Pluralisierung der Bestattungskultur und aller damit verbundenen weltanschaulichen Hintergründe nicht mehr so. Mit einzelnen Ausnahmen: „Was das für Kirche und Öffentlichkeit bedeutet, ist in übergroßer Dimension an dem Beerdigungsgottesdienst für Queen Elizabeth II. deutlich geworden.“ Dieser Gottesdienst hat weltweit Millionen Menschen vor den Fernseher gelockt.

Vom biblischen Befund des Alten Testaments her sei klar, dass Tote in der Erde bestattet werden: „Du bist Erde und sollst auch wieder zu Erde werden“ (Genesis 3, 19). Im Buddhismus und Hinduismus sei es selbstverständlich, dass unter dem Aspekt der Reinkarnation die Verstorbenen verbrannt würden. „Die Toten sollen aus dem Kerker des Leibes als befreite Seelen mit der Gluthitze und dem Rauch aufsteigen in die universale Welt. Die Auffahrt der Seele in die universale Welt ist eine Voraussetzung für die sogenannte Wiedergeburt.“ Aus dem Sphärischen steigt dann nach diesen religiösen Überzeugungen die Seele wieder herab in die körperliche Gestalt eines Menschen oder Tieres, und zwar je nach der Qualität des im Leben erworbenen Karma. „Diese Auffassung ist mit der biblischen Sicht nicht vereinbar“, erklärt Hille. „Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass man das hinduistische und buddhistische Verständnis nicht mit der Praxis der Urnenbeisetzung hierzulande identifizieren darf.“

„Du bist Erde und sollst auch wieder zu Erde werden.“

Genesis 3, 19

Der Theologe sieht in den verschiedenen Formen der Bestattung für unsere Gesellschaft eine Ermessensfrage. „Es kommt schließlich weniger auf die Form der Bestattung an als vielmehr auf die symbolische Bedeutung, die man mit den einzelnen Formen einer Beerdigung verbindet.“ Bei anonymen Bestattungen auf ausgesparten Grünflächen der Friedhöfe oder „Friedwäldern“ sieht Hille jedoch eine Spannung zu dem biblischen Verständnis von der Einmaligkeit und Würde der Person. „In diesem Zusammenhang ist allerdings zu bedenken, dass anonyme Bestattungen in der Regel durch die Mobilität der modernen Gesellschaft bestimmt sind.“

„Mit dieser Praxis ist der biblischen Wahrheit bezüglich der Einmaligkeit des menschlichen Lebens und seiner Würde nicht mehr Rechnung getragen.“ Hille rät zu sensiblem Umgang mit dem Thema. Wie in allen relevanten gesellschaftlichen Bereichen sollten Christen ihre spezifische, von der Bibel her bestimmte Position deutlich machen.

In der kirchlichen Praxis spielen die Fragen nach der Bestattungsform oder den Kosten kaum eine Rolle. „Wenn ich Angehörige zum Trauergespräch besuche, ist die Entscheidung über die Bestattungsform bereits mit dem Bestatter geklärt“, sagt Veronika Mavridis, evangelische Pfarrerin in Rottenburg an der Laaber in Niederbayern. Die Pfarrerin hat es in ihrem Kirchspiel in den meisten Fällen mit Urnenbestattungen zu tun. Überwiegend spielen nach Einschätzung der Pfarrerin dabei rein praktische Überlegungen eine Rolle: Der Wunsch des Verstorbenen oder der Angehörigen sei in der Regel, keine Last mit der Grabpflege zu hinterlassen. Für Mavridis ist die Form der Bestattung aus theologischer Sicht unerheblich. „Ich glaube, dass Gott so mächtig ist, dass er aus jeder Art von Staub wieder den Körper formen könnte. Wichtig ist die Hoffnung auf die Auferstehung und ein Leben bei Gott.“

Unter dem Aspekt der ökologischen Nachhaltigkeit nach dem Lebensende gibt die Bibel also einen klaren Hinweis: Der Mensch verwest und wird zu dem Material, aus dem Gott ihn geformt hat. Aus christlicher Perspektive entscheidender ist ein nachhaltiger Lebensstil im Sinne einer Beziehung zu Jesus Christus. Denn er hält das Leben in Fülle bereit – das auch jenseits seiner physischen Grenzen nachhält.

Dieser Text ist zuerst in der aktuellen Ausgabe des Christlichen Medienmagazins PRO erschienen. Abonnieren Sie PRO kostenlos hier.

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