Die Europäische Union will Medien vor politischer Einflussnahme schützen. Deshalb plant sie ein neues Gesetz, das in allen EU-Staaten gelten soll: das sogenannte „Europäische Medienfreiheitsgesetz“. Es soll garantieren, dass Journalisten und Redaktionen frei und unabhängig arbeiten können. Außerdem soll es die Vielfalt in der Medienlandschaft sichern.
Anlass für das Gesetz seien zum Beispiel Vorgänge in osteuropäischen Ländern in den vergangenen Jahren, schreibt Frederik Ferreau vom Institut für Medien- und Kommunikationsrecht der Universität zu Köln in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Es komme zum Beispiel vor, dass Führungspositionen bei öffentlich-rechtlichen Medien in diesen Ländern von Regierungen ausgetauscht und dass Werbeanzeigen staatlicher Unternehmen nur noch in regierungstreuen Medien geschaltet würden.
Auch wenn einige wenige Leitmedien in einem Land einem Oligarchen gehörten und von diesem oder sogar vom Staat selbst kontrolliert würden, könne man nicht mehr von unabhängigen Medien sprechen.
Dem will die EU mit dem Medienfreiheitsgesetz also entgegenwirken. Einen ersten Entwurf gab es bereits im vergangenen September. Doch der stieß auf viel Widerstand, vor allem aus den westlichen Mitgliedsstaaten.
Protest gegen den ersten Entwurf
Im vergangenen Herbst protestierten bereits die deutschen Medien- und Zeitungsverleger gegen die erste Fassung des Gesetzesentwurfs, darunter auch der „Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger“ (BDZV) und der „Medienverband der freien Presse“ (MVFP). Sie fürchteten, dass die Presse einer „weitreichenden Aufsicht durch eine europäische Medienbehörde unterworfen“ werden solle.
Weil es so viel Kritik an dem Entwurf gab, rügte der Bundesrat im November 2022 die EU für das Gesetz – ein seltener Fall. Am 21. Juni einigte man sich nun auf einen überarbeiteten Entwurf. Doch auch die aktuelle Version sorgt für harsche Kritik.
Der Grund: Das Medienfreiheitsgesetz sieht das Einrichten einer EU-weiten Medienaufsicht vor. Auf EU-Ebene soll es ein sogenanntes „European Board for Media Services“ geben, dem Vertreter sämtlicher Regulierungsbehörden der Mitgliedstaaten angehören. Diese Vertreter wiederum sollen dann die Medienaufsicht über ihre jeweiligen Länder haben. Das „Board“ kann Stellungnahmen abgeben, zum Beispiel zu Zusammenschlüssen von Medienunternehmen, und gibt Leitlinien zu möglichen Fusionen vor. Die Länder haben sich danach zu richten.
FAZ-Autor Ferreau veranschaulicht die Problematik, die sich daraus für Deutschland ergibt, wie folgt: Das sei so, als würden die Landesregierungen den Landesmedienanstalten vorgeben, „wie sie die gesetzlichen Regelungen zur Vielfaltssicherung anzuwenden haben“.
Die Aufgaben, die das „Board“ übernehmen soll, liegen in Deutschland bei den Landesmedienanstalten. Sie sind staatsfern organisiert.
Quellenschutz nicht mehr garantiert
Ein weiterer Kritikpunkt der Gegner des Gesetzes: Der Entwurf verbietet zwar das Ausspähen von Redaktionen, allerdings „unter dem Vorbehalt der Verantwortung der Mitgliedstaaten für die nationale Sicherheit“. Wenn es der „nationalen Sicherheit“ dient, könnten Journalisten also zum Beispiel ihre Quellen preisgeben müssen, könnten Redaktionen durchsucht oder abgehört werden.
Das widerspreche einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2019, schreibt Ferreau. Das besagt, dass selbst bei „Geheimnisverrat durch Presseinformanten aus den Reihen der Nachrichtendienste nicht die Durchsuchung von Redaktionsräumen“ erlaubt ist. Außerdem könnten journalistische Quellen versiegen, weil diese Angst davor haben, vom Staat aufgedeckt zu werden.
Ein dritter Punkt klingt auf den ersten Blick erst einmal vernünftig: Redaktionen sollen ihre Entscheidungen darüber, was und wie sie berichten, unabhängig von dem Unternehmen oder Verlag treffen, zu dem sie gehören. Unternehmenseigentümer sollen also nicht beeinflussen dürfen, was publiziert wird.
Doch „in Deutschland bildet die unternehmerische Teilnahme am Meinungsbildungsprozess den eigentlichen Kern der Pressefreiheit“, erklärt FAZ-Autor Ferreau. Pressefreiheit bedeutet nicht, dass neutral oder ausgewogen berichtet werden muss. Verleger können zum Beispiel ihre Publikationen nach einer bestimmten Weltanschauung ausrichten oder auch nach einer politischen Tendenz. Es ist zum Beispiel bekannt – und auch völlig rechtens – dass einige Medien in Deutschland eher konservativ geprägt sind, andere eher liberal. Das spiegelt sich auch in der Berichterstattung wider. Das geplante Medienfreiheitsgesetz bedrohe diese Vielfalt der Medienlandschaft, die in Deutschland dadurch entsteht.
Neuer Gesetzesentwurf überzeugt nicht
Der „Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger“ (BDZV) und der „Medienverband der freien Presse“ (MVFP) erklärten, dass auch der überarbeitete Entwurf des Gesetzes viele Mängel aufweist. Zusammen mit mehr als 400 Verlagen, Zeitungen, Zeitschriften und Verbänden aus der gesamten EU haben sie ihre Bedenken in einem einen offenen Brief an die zuständigen EU-Gesetzgeber geschickt.
Vieles im geplanten Gesetz sei „kontraproduktiv“ für die Pressefreiheit. „Medienfreiheit und Pluralismus werden nicht dadurch erreicht, dass die Medienregulierung europaweit harmonisiert und in funktionierende und seit langem etablierte rechtliche Rahmenbedingungen in den Mitgliedstaaten eingegriffen wird“, ist dort zu lesen.
Besonders hierzulande gebe es mit dem Deutschen Presserat ein funktionierendes Element der Selbstkontrolle. Das solle nun aber einer EU-Aufsichtsbehörde unterstellt werden. Das bedrohe die Pressefreiheit. Die EU missachte damit außerdem, dass die Presse in den einzelnen EU-Staaten jeweilig dem nationalen Recht unterliegt. Auch „Reporter ohne Grenzen“ schloss sich der Kritik an.