Die Fakten: Mindestens jedes fünfte Kind in Deutschland lebt laut Studien in Armut. Das bedeutet häufig, dass sie viel schlechtere Aufstiegschancen haben als ihre Altersgenossen. Egal, wie beflissen ihre Eltern sind, reichen die aktuellen staatlichen Leistungen hinten und vorne nicht. Neue Kleidung, Schuhe, Nachhilfe, gutes und gesundes Essen, ein Musikinstrument lernen, Zoobesuch, Urlaube: Viele Kinder kennen das nicht, weil ihre Eltern zu arm sind.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) wollte dagegen mit der „Kindergrundsicherung“ etwas tun und zwölf Milliarden Euro im Jahr ausgeben. Das Geld muss sie aus Spargründen jetzt zum Großteil streichen. Es bleiben vorerst nur noch zwei Milliarden Euro übrig. Ein Anti-Armuts-Projekt droht zu scheitern, bevor es überhaupt gestartet ist.
Haben Sie auch die Empörung darüber in den Medien erlebt? Die zürnenden Kommentare in den Zeitungsspalten, die vielen Talkrunden zum Thema Kinderarmut? Nein? Ich auch nicht.
Stattdessen haben zwei weitere Familienthemen die Schlagzeilen bestimmt. Zunächst: Das Ehegattensplitting könnte abgeschafft werden (wobei jede Debatte darüber sinnlos ist, da ein solcher Schritt politischer Selbstmord wäre). Und: Paaren mit einem Jahreseinkommen von mehr als 150.000 Euro (bisher: 300.000) könnten ihren Anspruch auf Elterngeld verlieren, wenn sie zugunsten der Betreuung ihres Kindes im Job pausieren.
Staat muss in der Bekämpfung der Kinderarmut Prioritäten setzen
Wohlgemerkt liegt der Höchstsatz für Elterngeld bei 1.800 Euro pro Monat. Also einem Bruchteil des Gehaltes, das solche Verdiener ansonsten zur Verfügung haben. Laut „Spiegel“ fallen etwa fünf Prozent der Steuerpflichtigen in diese Einkommensklasse.
Das hält zahlreiche Kommentatoren im Blätterwald und auf Twitter nicht davon ab, sich über diesen „antifeministischen“ und angeblich unsozialen Schritt zu echauffieren. Ungeachtet der Tatsache, dass weiterhin wohl 95 Prozent der Mamas und Papas Elterngeld beziehen können. Das Jammern der Gutverdiener muss auf arme Menschen zynisch wirken.
Der Staat muss in der Bekämpfung der Kinderarmut Prioritäten setzen, auch wenn – oder gerade weil – arme Kinder kaum eine Lobby haben. Wenn schon nicht aus Barmherzigkeit, dann aus Eigeninteresse. Denn wenn Kinder dazu befähigt werden, der Armutsfalle zu entkommen, zahlen sie früher oder später selbst Steuern, statt dem „Staat auf der Tasche zu liegen“, wie böse Zungen es manchmal formulieren.
„Es ist erschreckend in dieser Gesellschaft, dass es Kinder gibt, die abgehängt sind“, sagt Bernd Siggelkow, Gründer des christlichen Kinderprojekts „Die Arche“. Er weiß, wovon er spricht. Die Arche lädt Kinder in kostenlose Feriencamps ein. Viele von ihnen waren noch nie im Urlaub. Dort lohnt es sich, anzusetzen. Ob mit einer Kindergrundsicherung oder mit anderen Maßnahmen. Hauptsache, es tut sich etwas.