„Der prominente Schauspieler XY ist am Montag im Alter von 65 Jahren gestorben. Er nahm sich mit einem todbringenden Mittel das Leben.“ Solche Nachrichten sind bisher in Deutschland so gut wie nicht zu lesen. Der Grund dafür liegt im sogenannten Pressekodex, einer Selbstverpflichtung deutscher Medien.
In der Richtlinie 8.7 des Pressekodex heißt es: „Die Berichterstattung über Selbsttötung gebietet Zurückhaltung. Dies gilt insbesondere für die Nennung von Namen, die Veröffentlichung von Fotos und die Schilderung näherer Begleitumstände.“
Diese Regel hat der Deutsche Presserat aus Angst vor Trittbrettfahrern verfasst, die über Suizide lesen. Deshalb fügen viele Medien – auch PRO – bei Artikeln über dieses Thema auch Hinweise über Hilfsangebote für Menschen an, die entsprechende Gedanken hegen.
Hilfe bei Suizidgedanken
Denken Sie darüber nach, sich das Leben zu nehmen? Holen Sie sich Hilfe, zum Beispiel bei der Telefonseelsorge. Unter der kostenlosen Rufnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die Ihnen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können.
Doch die Richtlinie des Pressekodex‘ trifft auf eine veränderte rechtliche und gesellschaftliche Realität. Das Bundesverfassungsgericht hat 2020 entschieden, dass es ein Recht gibt, selbstbestimmt aus dem Leben zu scheiden – und dabei sogar auch die Hilfe anderer Menschen anzunehmen. Die Rede ist von Suizidassistenz.
Der Bundestag konnte sich jüngst nicht darauf verständigen, wie die Beihilfe zur Selbsttötung gesetzlich geregelt werden kann. Zwei Anträge unterschiedlicher Parlamentariergruppen konnten nach einem zähen parlamentarischen Verfahren bei der Abstimmung nicht die erforderliche Mehrheit erzielen. Nun gibt es keine Regelung der Suizidassistenz, denn das Bundesverfassungsgericht hatte in einem Urteil aus dem Jahr 2020 ein bestehendes Gesetz gekippt, mit dem der Gesetzgeber der gewerblichen Beihilfe zur Selbsttötung Einhalt gebieten wollte.
Das ändert nichts an der Tatsache, dass in Deutschland ein Recht auf Selbsttötung existiert. Der Pressekodex hingegen sieht deutliche Einschränkungen in der Berichterstattung darüber vor. Passt das zur gegenwärtigen Rechtslage?
Kodexänderung wird nicht diskutiert
Der Presserat jedenfalls sieht keinen Handlungsbedarf. Eine gesonderte Regelung, wie in einem Fall von assistiertem Suizid berichtet werden soll, gibt es bislang nicht. Eine Änderung der Richtlinie 8.7 ist vorerst auch nicht geplant. Die Praxis des Deutschen Presserats sieht eigenen Angaben zufolge vor, dass Richtlinien in der Regel nur dann geändert oder ergänzt werden, „wenn sie nicht mehr ausreichen, aktuelle Beschwerden über Berichterstattung presseethisch zu bewerten“.
Das könnte bedeuten, dass über geplante und legale Suizide genauso berichtet werden soll wie bisher: Nämlich möglichst zurückhaltend und so, dass keine Details publik werden. Bisher sind nach Angaben des Presserats im Zusammenhang mit assistiertem Suizid keine relevanten Beschwerden beim Presserat aufgelaufen.
Beschwerden beim Presserat über Berichterstattung im Zusammenhang mit assistiertem Suizid sind dort höchst selten. Im Archiv findet sich eine Entscheidung aus 2021 über einen Bericht in einer Illustrierten, indem es um eine „Suizidkapsel“ geht. Die Beschwerde haben die Mitglieder des Pressrates damals als unbegründet zurückgewiesen. Die Berichterstattung verstoße nicht gegen presseethische Grundsätze, die Beschwerde sei daher unbegründet, zudem sei die Berichterstattung als „Teil einer gesamtgesellschaftlichen und politischen Diskussion“ zu sehen.
Im engeren Sinne beschrieb der Artikel lediglich die Apparatur, mit der ein Suizid durchgeführt werden kann, nicht jedoch eine konkrete Selbsttötung. Es lag daher „keine Suizidberichterstattung im Sinne der Ziffer 8, Richtlinie 8.7 vor“, auch wenn dem Presserat die Darstellung „in einigen Textpassagen als zu einfach und kritiklos“ erachtete. „Ansonsten sind keine Beschwerden zu assistiertem Suizid eingegangen, eine Kodexänderung wird ebenfalls nicht diskutiert“, teilte der Presserat auf PRO-Anfrage hin mit.