Meinung

Kein Gesetz ist auch keine Lösung

Zwei Gesetze, die Sterbehilfe in Deutschland legalisieren sollten, sind im Deutschen Bundestag durchgefallen. Das stärkt Sterbehilfevereine. Und die AfD.
Von Anna Lutz

Sterbehilfe in Deutschland bleibt ungeregelt. Zwei Gesetzesvorschläge wurden von den Abgeordneten des Bundestages am Donnerstag mehrheitlich abgelehnt. Das bedeutet: Allein maßgeblich ist weiterhin ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2020, das vor allem eines betont: Das Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben. 

Was das Bundesverfassungsgericht damals entschied, ist weitreichender, als es die Bundesrepublik, ja sogar ein großer Teil des europäischen Raums, zuvor gesehen hat. Die Verfassungsrichter erklärten, jedem Wunsch auf Sterben müsse entsprochen werden, ganz unabhängig von den Motiven der Person, solange die Entscheidung frei getroffen wurde. 

Damit stellten die Richter die verantwortlichen Politiker vor eine unfassbar schwierige Aufgabe. Sie sollten abwägen zwischen Selbstbestimmung und Lebensschutz, aber ohne Ansehen der Motive des Einzelnen. Zugleich sollten sie die Freiheitlichkeit der Entscheidung sicherstellen. 

„Lieber kein Gesetz als ein schlechtes“

So erklärt sich der einerseits quälend lange Kampf um ein neues Gesetz – immerhin diskutieren Abgeordnete nun seit drei Jahren über eine Neuregelung. Streng genommen sogar schon seit 2012, denn es gab ja bereits den Weg zu einem Gesetz. So erklärt sich aber andererseits auch das Chaos, das kurz vor knapp dann doch noch um sich griff. Wenige Wochen, ja sogar Tage vor der Abstimmung wurden Vorlagen zusammengelegt und verändert, die Datenbank des Bundestages kam nicht mehr hinterher und Fachverbände zeigten sich fassungslos über kurzfristige Änderungen. 

„Lieber kein Gesetz als ein schlechtes“, lautete das Credo vieler Experten, zuletzt sagte das auch ausgerechnet ein Abgeordneter der AfD bei der Aussprache über die Vorschläge. Da kein AfD-Abgeordneter an einem der Vorschläge beteiligt war, ist davon auszugehen, dass die Fraktion geschlossen gegen beide Gesetze gestimmt hat – und damit das sprichwörtliche Zünglein an der Waage war. 

Die Entscheidung demonstriert also nicht nur die Macht, die die Rechtspopulisten mit knapp 80 Abgeordnetensitzen haben. Sie stärkt auch ausgerechnet die, die das ursprüngliche Gesetz von 2015 eigentlich schwächen wollte: Sterbehilfevereine. 

„Es gibt nun zwar kein Gesetz. Wohl aber gibt es Sterbehilfe in Deutschland.“

Denn es gibt nun zwar kein Gesetz. Wohl aber gibt es Sterbehilfe in Deutschland. Und ebenso gibt es Sterbehilfevereine in Deutschland. Die arbeiten nun – auch dank des Urteils der Bundesverfassungsrichter – uneingeschränkt weiter. Ein Schutzkonzept gibt es nicht. 

Hilfe bei Suizidgedanken

Denken Sie darüber nach, sich das Leben zu nehmen? Holen Sie sich Hilfe, zum Beispiel bei der Telefonseelsorge. Unter der kostenlosen Rufnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die Ihnen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können.

Aber gerade dieses braucht es. Der Staat muss sicherstellen, dass Alte, Kranke, psychisch Beeinträchtigte und sozial Schwache davor bewahrt werden, dass ihnen die Gesellschaft willentlich oder nicht einflüstert: Dein Leben ist nicht wertvoll. Du bist zu kostspielig. Du bist eine Last. Geh lieber selbstbestimmt, anstatt dich dieser Welt weiter aufzudrängen. 

Eine Politik, die den Lebensschutz ernst nimmt, muss sicherstellen, dass niemand unter Druck Sterbehilfe in Anspruch nimmt. Die Versuche, das zu regeln, sind heute gescheitert. Aber sie dürfen deshalb nicht ad acta gelegt werden. So ist den Abgeordneten der Fraktionen laut zuzurufen: Auf ein Neues nach der Sommerpause! Auch wenn es mühsam ist!

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