Samiras Fingernägel leuchten goldfarben, Ringe schmücken ihre Finger, ihr Kleid kombiniert Braun- und Rottöne mit Goldfasern, der Kopfschmuck ist aus demselben Stoff genäht. Rote Ohrringe und eine Halskette runden das Outfit ab. Samira hat es nicht nur selbst genäht, sie hat es auch selbst designt.
Samira lebt in Juba im Südsudan. Sie kam als Flüchtling in die Hauptstadt. Marodierende Banden hatten die Landbevölkerung mit Gewalt aus ihren Dörfern vertrieben, um ihre Viehherden dort zu weiden. „Landgrabbing“, Landraub, ist in vielen Ländern in Afrika verbreitet. Im von Bürgerkriegen zerrütteten Südsudan, das über keine stabile Regierung verfügt, sind die Menschen dem wehrlos ausgeliefert. Mittellos kam die Mutter von sechs Kindern bei Verwandten unter, hier ist zumindest das (Über-)Leben der Familie sicher. Doch welche Perspektiven hat sie? Samira hatte nicht die Möglichkeit, eine Schule zu besuchen, sie ist Analphabetin. Die Situation in Juba scheint ausweglos.
Samira stammt aus einer christlichen Familie, sie besucht regelmäßig die Gottesdienste einer nahegelegenen Kirche. Der Glaube gibt ihr auch in verzweifelten Momenten Hoffnung. Eines Tages erzählt der Pastor ihr von einem Projekt für Flüchtlingsfrauen: dem „women empowerment program“.
Dort werden Frauen in einem neunmonatigen Kurs zu Schneiderinnen ausgebildet. Sie lernen die Funktionen der Nähmaschine kennen. Sie erfahren, wie man Schnittmuster entwirft und bekommen in einfachen Grundzügen eine Einführung in Buchhaltung – also vor allem: Mehr Geld einzunehmen als auszugeben.
Ganz groß wird nach neun Monaten der Abschluss gefeiert: Mit einer Modenschau, deren Erlöse den Frauen zugutekommen, um eine Grundausstattung an Garnen und Stoffen anzuschaffen. Ihre Singer Nähmaschine bekommen sie geschenkt und können sich nach dem Kurs mit ihrem Können selbstständig machen. Viele nähen Schuluniformen oder auch Gewänder für die Chöre und Geistlichen in ihren Gemeinden.
Samira bekommt einen Platz in diesem Kurs und absolviert ihn als Jahrgangsbeste. Sie erklärt uns, dass sie selbst die beste Werbeträgerin für ihre Produkte ist. „Die Nachbarn sehen meine Kleidung und fragen, wie ich sie bezahlen kann. Ich lache und sage: Das habe ich selbstgemacht. Sie staunen und bestellen Kleider für sich und ihre Familie.“
500 Dollar kostet das gesamte Training für eine Person, internationale Hilfsorganisationen finanzieren die Kurse. Nicht viel aus westlicher Perspektive. Doch Samira ermöglicht diese Summe, ihre Familie zu ernähren. Und mehr noch. Wir fragen, wie ihre Kinder und Freunde auf ihre Ausbildung reagiert haben. „Anfangs waren sie skeptisch. Aber dann haben sie gesehen, was ich genäht habe. Heute kann ich sagen: Sie respektieren mich.“
Sie sagt es, und Stolz erfüllt ihren Blick.
Uwe Heimowski ist Leiter der christlich-humanitären Hilfsorganisation Tearfund. An dieser Stelle schreibt er einmal im Monat darüber, was er mit Menschen aus aller Welt erlebt.