Albert Einstein, der nach Meinung vieler Physiker eigentlich ein Dutzend Nobelpreise verdient hätte, bekam genau einen. Und zwar für die Entdeckung eines Effekts, der in unserer heutigen Zeit wieder wichtiger geworden ist: Der „Photoelektrische Effekt“ beschert uns die Möglichkeit, mittels Solar-Paneelen auf Dächern die kostenlose Energie der Sonne anzuzapfen.
Die Verleihung dieses Nobelpreises jährte sich 2022 zum hundertsten Mal. Der Astrophysiker und Fernsehmoderator Harald Lesch nutzte die Chance bei einem Vortrag im vorigen Jahr, um ganz nebenbei eine interessante Frage an die Kirchen zu richten.
Der Physiker, der vor einigen Jahren gegenüber dem Christlichen Medienmagazin PRO bekannte: „Ich bin von Kopf bis zur Sohle Protestant“, projizierte das Foto einer Kirche an die Wand. Ihr Dach war überzogen mit Solarzellen. „Lux fit electricae“ – Licht macht elektrische Energie – nannte Lesch das Foto.
Der Physiker betont nicht nur in seinen Vorträgen und in seinen Fernsehsendungen immer wieder die Dringlichkeit von Maßnahmen gegen den Klimawandel. Lesch ist auch Mitglied des Bayerischen Klimarats und der evangelischen Kirche. Ihm ist nicht entgangen: „Alle unsere Kirchen sind in Ost-West-Richtung ausgerichtet. Heißt: Sie haben immer eine perfekte Südseite.“
Sein Vorschlag: Die Kirchen könnten doch Solar-Panels auf ihre Dächer montieren und behaupten: „Wir haben es schon immer gewusst!“ Physikalisch betrachtet liege die Effizienz eines klassischen Kirchendachs bei 95 bis 100 Prozent, sagte Lesch.
Ästhetischer Anspruch sollte beachtet werden
Bislang stand vor allem eine Hürde im Weg, wenn Photovoltaik-Anlagen (PV) auf jahrhundertealten Kirchendächern installiert werden sollten: der Denkmalschutz. Doch mit der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), die seit Anfang des Jahres vollständig in Kraft ist, kommt Bewegung ins Spiel. Demnach liegt die Errichtung von PV-Anlagen „im überragenden öffentlichen Interesse“, und ihr muss gegebenenfalls ein höherer Wert zugemessen werden als dem Denkmalschutz.
Bei der Tagung der Bauamtsleitenden in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im April 2022 wurde das Papier „PV-Anlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden und Kirchendächern“ erarbeitet. Darin bekennen sich die Experten der Kirche „klar zu Photovoltaik auf kirchlichen Gebäuden“. Diese seien eine „zu akzeptierende Zeitschicht“ und „ein wesentlicher Baustein auf dem Weg zur Klimaneutralität der Evangelischen Kirche“.
Weiter heißt es: „Wir als Kirche sehen uns in einer besonderen Verantwortung und Vorbildfunktion zur Bewahrung der Schöpfung.“ Dem besonderen ästhetischen Anspruch von Sakralgebäuden sollen die Anlagen aber auch gerecht werden und „ruhige und gleichmäßige Flächen“ bilden.
„Die EKD prüft, ob und falls ja, auf welchen Gebäuden PV-Anlagen installierbar sind“, heißt es in einer von der EKD 2022 veröffentlichten Klimaschutzrichtlinie. Das vom Physiker Lesch vorgerechnete Potenzial der Kirchendächer, die zur güldenen Sonne ausgerichtet sind, hat sich offenbar auch in der Kirche herumgesprochen.
„Durch die Solarenergie ließe sich auf den Dachflächen der kirchlichen Gebäude eine große Menge Energie gewinnen, die auf dem Weg zur Netto-Treibhausgasneutralität äußerst nützlich wäre“, weiß Oliver Foltin von der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST). Der Leiter der Fachstelle Umwelt- und Klimaschutz der EKD in Heidelberg berät die Landeskirchen in Fragen des Klimaschutzes. „PV-Anlagen auf Dächern sind mit die wirtschaftlichsten Maßnahmen“, sagt Foltin.
Gemeinsam mit seinem Kollegen Volker Teichert zog Foltin Ende 2022 für die EKD-Synode ein Fazit zu den Anstrengungen der Kirche auf dem Weg hin zur Klimaneutralität über die vergangenen fünfzehn Jahre. Es gebe eine „Kluft zwischen Zielen und Realität“, beklagen die FEST-Experten. Das für 2020 anvisierte Ziel von einer Minderung der Treibhausgasemissionen der Kirchen um 40 Prozent wurde mit einem Rückgang von lediglich 29 Prozent nicht erreicht.
Foltin empfiehlt unter anderem: „Als sichtbarste kirchliche Klimaschutzmaßnahme sollte der noch lange nicht ausgereizte Ausbau von Photovoltaikanlagen auf kirchlichen Dächern möglichst flächendeckend und schnellstmöglich umgesetzt werden. Auch hier sollten Sakralgebäude einbezogen werden.“
Solar als sichtbares Zeichen des gelebten Glaubens
Die bisherigen Klimaschutzkonzepte der Kirchen sind nicht nur in die Jahre gekommen, in Sachen Solaranlagen haben sie so gut wie nichts zu bieten. Die Evangelische Kirche im Rheinland (EKiR) hat sich 2016 die Mühe gemacht, das vorhandene Potenzial in Sachen Photovoltaik auf Kirchendächern auszurechnen. Die Experten berücksichtigten nur Gebäude, die in Sachen Ausrichtung, Denkmalschutz und Statik geeignet wären, und kamen auf 2.650 Gebäude (Stand 2015), sie brächten einen Stromertrag von 1.900.000 Kilowatt-Stunden.
Kürzlich brachte die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland eine Broschüre mit dem Titel „Photovoltaik für Kirchgemeinden und Kirchenkreise“ heraus. Sie enthält verständliche Erklärungen zum Thema Photovoltaik mitsamt technischer und rechtlicher Tipps für deren Installation auf Kirchen.
„99 Prozent unserer Kirchen sind denkmalgeschützt“, gibt Jörn Budde zu, Leiter des Umweltbüros der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO). „Wir haben rund 2.000 denkmalgeschützte Kirchen. Und die Denkmalpfleger fragen uns zu Recht: Warum muss die PV-Anlage im Ort ausgerechnet auf das denkmalgeschützte Gebäude? Es gibt doch auch die Industriehalle oder den Stall.“
Buddes Büro ist zuständig für die Umsetzung der Umwelt- und Klimaschutzkonzepte der Landeskirche. Die Idee Leschs verfolge seine Kirche schon seit Jahren, sagt Budde. Die Nachfrage steigt. „Viele Kirchengemeinden sehen eine Photovoltaik-Anlage im Sinne der Schöpfungsbewahrung als sichtbares Zeichen ihres gelebten Glaubens an“, so Budde.
Die gestiegenen Energiepreise durch den Ukraine-Krieg seien ein weiteres Argument. Aber nicht immer seien alle von der Idee einer PV-Anlage auf dem Kirchendach begeistert, weiß Budde. „Das ist derselbe Riss, der durch die Gesellschaft geht.“
Die römisch-katholische Kirche ist größter privater Grundbesitzer in Deutschland. Mit einem Vermögen in Grundbesitz, Immobilien, Geldanlagen und Beteiligungen von geschätzten 270 Milliarden Euro gäbe es also viel Potenzial, Sonnenenergie anzuzapfen. Im Jahr 2015 behandelte Papst Franziskus in seiner zweiten Enzyklika mit dem Titel „Laudato Si“ zwar schwerpunktmäßig Umwelt- und Klimaschutz; und in einer Botschaft zum Weltgebetstag für die „Bewahrung der Schöpfung“ betonte der Papst 2019 die „klimatische Notlage“, welche die Natur und das Leben bedrohe. Konkrete Ankündigungen oder Maßnahmen gibt es aus Rom indes nicht.
Die Deutsche Bischofskonferenz verweist auf Anfrage lediglich auf die einzelnen Bistümer. Deren Klimaschutzkonzepte sind bereits einige Jahre alt, Photovoltaik findet dort fast nur im Konjunktiv statt. Im Bistum Mainz gebe es laut einer Erhebung von 2018 insgesamt 17 Photovoltaikanlagen; das Bistum Eichstätt kam nach Auswertung von Fragebögen auf 35 Photovoltaikanlagen; „kaum“ Photovoltaikanlagen im kirchlichen Bereich gebe es im Erzbistum Paderborn, heißt es.
Investition in kirchliche Solar-Fonds
Eine Frage, die bei jeder Kirchengemeinde bald aufkommt, wenn es um PV-Anlagen geht, ist die nach der Finanzierbarkeit. Hier kann ein „Solar-Fonds“ wie in Bayern helfen. Er ermöglicht es Kirchengemeinden, sich nachhaltig zu engagieren, ohne eigenes Geld einsetzen zu müssen und ohne jemanden zu finden, der sich in den nächsten mindestens 20 Jahren um die Solaranlage kümmern muss.
Das Konzept von Clemens Bloß, dem Geschäftsführer der „Evangelischen Solarfonds GmbH & Co. KG“, lässt sich so zusammenfassen: Auf der einen Seite sind Kirchengemeinden mit Dächern, aber ohne Geld, auf der anderen Seite sind Gemeinden mit Geld, aber ohne Dächer. Clemens Bloß bringt beide Parteien zusammen.
Die Finanzierung der Photovoltaikanlagen erfolgt über Einlagen der Gesellschafter und Darlehen, die von Seiten der bayerischen Landeskirche zur Verfügung gestellt werden. Die Kirchengemeinde selbst muss für die Installation der Anlage nichts bezahlen. Eine Gemeinde, die ein Dach verpachtet, spart bei jeder Kilowattstunde Strom, der von der Photovoltaikanlage genutzt wird, 15 Prozent gegenüber dem Preis, der für den Strom aus dem Netz bezahlt werden muss.
Am Ende der staatlich geförderten Nutzungsdauer kann die Gemeinde die Anlage für einen Euro übernehmen und den Ökostrom dann an einen Energieversorger zum Marktpreis verkaufen oder selbst nutzen. „Eine Kirchen-PV-Anlage amortisiert sich nach rund 13 bis 14 Jahren“, sagt Bloß.
Den ersten Solar-Fonds rief er 2010 im Dekanat Fürth ins Leben. Inzwischen sei die Nachfrage enorm gestiegen, sagt der gelernte Betriebswirt. Inzwischen betreut Bloß vier Fonds. Etwa 50 Kirchengemeinden treten als Investoren auf, rund 150 Gemeinden und kirchliche Institutionen stellen ihre Dächer zur Verfügung. In die Fonds seien so im Laufe der Zeit mehr als sechs Millionen Euro eingeflossen.
Aber muss es unbedingt das Kirchendach sein? Da ist auch Bloß skeptisch. Das Gebäude wird kaum öfter als einmal pro Woche genutzt, nämlich zum sonntäglichen Gottesdienst. Leider lässt sich der erzeugte Solarstrom schlecht speichern. Und um ihn an die umliegenden Gebäude zu schicken, müsste man Stromleitungen verlegen, das ist aber verboten. Da nehme man vielleicht doch besser die nicht-denkmalgeschützten großflächigen Gebäude im Ort, wie Ställe oder Lagerhallen.
„Erzeuge den Strom dort, wo er benötigt wird, lautet die Devise.“ Bloß rät daher Kirchen, erst einmal andere Gebäude für PV-Anlagen zu nutzen, etwa Kindergärten. Denn hier fielen Strombedarf und -angebot zusammen. Ebenso werde bei Krankenhäusern viel Strom gebraucht, die Solaranlagen auf den Dächer fielen aber kaum auf.
Die weltweiten Temperaturen steigen. Der Klimawandel ist Realität. Hoffentlich wird die „güldne Sonne“ nicht irgendwann zu einem Schreckenssymbol angesichts verdorrter Felder und ausgetrockneter Flussbetten. Wenn es schon nicht der Klimawandel ist, vielleicht sind es ja am Ende die Aussichten auf die Energiepreise, die Kirchen im Land dazu bringen, sich mit Photovoltaik auf dem Dach zu beschäftigen.
„Mein Auge schauet, was Gott gebauet, zu Seinen Ehren und uns zu lehren, wie Sein Vermögen sei mächtig und groß“ heißt es im Lied „Die güldne Sonne“. Und weiter: „Lass mich mit Freuden ohn alles Neiden sehen den Segen, den du wirst legen in meines Bruders und Nähesten Haus.“
Dieser Beitrag erschien zuerst in der Printausgabe 3/2023 des Christlichen Medienmagazins PRO. Das Heft können Sie hier kostenlos bestellen oder digital lesen.