Scholz warnt vor abnehmendem Respekt

Bei einem Empfang der Evangelischen Kirche hat Bundeskanzler Olaf Scholz vor abnehmendem Respekt in der Gesellschaft gewarnt. Ratsvorsitzende Annette Kurschus kritisierte die jüngste Asylpolitik der EU.
Von Anna Lutz

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mahnte am Mittwoch in Berlin vor Kirchenvertretern, es gebe eine abnehmende Bereitschaft in der Gesellschaft, den Anderen auszuhalten. Dabei gebe es in der Politik in der Regel kein einfaches Schwarz oder Weiß. 

Demokratie bedeute, auch andere Haltungen zu respektieren. Im Kompromiss liege keine Schwäche. Stattdessen mache das Ringen darum die Gesellschaft aus. 

Mut zur Klarheit brauche es dennoch, etwa in der Migrationspolitik: „Nicht alle, die zu uns kommen, fliehen vor Krieg und Verfolgung“, sagte der Kanzler. Das gelte es, zu berücksichtigen, gerade, „weil wir Geflüchteten in Not auch künftig helfen wollen“.

Foto: PRO/Martin Schlorke
Bundeskanzler Olaf Scholz am Mittwoch beim Johannisempfang der EKD

Scholz sprach beim jährlichen Empfang der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in der Französischen Friedrichstadtkirche. Neben dem Kanzler waren etwa Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD), Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), CDU-Generalsekretär Mario Czaja, und seine Amtskollegin bei den Grünen, Emily Büning, gekommen. 

Kurschus übt harte Kritik am Migrationskompromiss

Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Präses Annette Kurschus, übte in ihrer Rede hingegen harte Kritik am jüngsten Kompromiss der Europäischen Union zum Asylrecht: Europa habe damit „den kleinsten gemeinsamen Nenner in der Migrationsfeindlichkeit gesucht und gefunden“. Man könne sich damit nicht zufriedengeben.

Weiter fragte sie: „Wie realistisch ist eigentlich die Idee, wir müssten, wenn auch notgedrungen und zähneknirschend, die Rechte von Schutzsuchenden einschränken und könnten dabei zugleich ein weltoffener Kontinent und eine weltoffene Gesellschaft bleiben?“

Wie könne ein Europa, das sich selbst als Hort grundlegender Menschen- und Freiheitsrechte verstehe, diejenigen, die diese Rechte suchen, tausendfach in geschlossene Grenzlager und Familien und Kinder hinter Gitter bringen, fragte Kurschus. „Und dann sind da seit einigen Tagen die 700 zusätzlichen Fragezeichen, die mit dem entsetzlichen Bootsunglück vor Griechenland hinter den angeblichen Durchbruch in der Migrationspolitik gesetzt wurden.“

„Wer wir sind und was uns unsere sogenannten Werte wert sind, das zeigen wir auch und gerade im Umgang mit Geflüchteten.“

Präses Annette Kurschus

Eine Antwort Europas auf das Sterben im Mittelmeer fehle noch immer schmerzlich. „Wer wir sind und was uns unsere sogenannten Werte wert sind, das zeigen wir auch und gerade im Umgang mit Geflüchteten“, so Kurschus.

Im Blick auf den Mitgliederschwund der Kirche sagte sie: „Wir werden weniger haben und wir werden weniger sein.“ Dennoch werde die Kirche nicht der Versuchung erliegen, sich das Schrumpfen schön zu reden. Genauso werde die Kirche sich aber auch nicht „selbst verzwergen“ indem sie zu politischen Fragen schweige. 

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