Die Berliner Tageszeitung „taz“ ist nicht gerade als Missionsblättchen bekannt. Seit jeher steht sie für linksliberalen Journalismus. Was die „taz“ wie kaum ein zweites Medium kann: bissig-humorvolle Überschriften, gerne auch mal jenseits aller Tabus.
Am Dienstag titelte die Zeitung: „Berlusconi schon wieder vor Gericht“ – und der Leser rieb sich zunächst die Augen. War Silvio Berlusconi nicht gestorben? Die Auflösung gab die verwendete Bebilderung. Unter den schwarzen Lettern prangte groß Michelangelos Gemälde „Das Jüngste Gericht“, das Berlusconis Landsmann um 1540 gemalt haben soll und die Sixtinische Kapelle ziert.
Silvio Berlusconi hatte zeitlebens für Skandale gesorgt, seien es sexuelle Eskapaden („Bunga Bunga“) oder Steuerbetrugsfälle. Vor allem aber galt der mit 86 Jahren verstorbene Politiker als Wegbereiter des Rechtspopulismus in Italien. Also des Gegenteils dessen, wofür die „taz“ stehen will.
Nun liegt die Frage nahe, warum ausgerechnet ein eher areligiöses linkes Blatt auf der Titelseite das Jüngste Gericht herbeisehnt. Womöglich ist der Grund ganz einfach: Weil die christliche Hoffnung auf Gerechtigkeit am Ende der Zeiten nämlich doch nicht so absurd ist, wie es unsere angeblich so aufgeklärte Gesellschaft meint. Weil wir uns danach sehnen, dass am Ende das Gute obsiegt, und dass sich Menschen für ihre Taten verantworten müssen. In Zeiten des russischen Krieges gegen die Ukraine ein umso aktuellerer Gedanke.