„Wir wollen die mediale Lebensader dieses Landes sein“, erklärte der ARD-Vorsitzende Kai Gniffke am Dienstag auf der Digitalkonferenz „Republica“ in Berlin. Damit sprach er vor allem den zahlreichen Mitarbeitern öffentlich-rechtlicher Rundfunksender Mut zu, die neben vielen Digitalfans das Publikum der Konferenz ausmachen.
Manche aber brachte er wohl auch zum Stirnrunzeln. Kein Spartenkanal für „Misanthrope“ solle die ARD sein, deshalb gehörten zum Programm neben Nachrichten auch Unterhaltung und Sport.
Dass es den Sendern der ARD nach wie vor nicht gelingt, einen größeren Anteil der Menschen unter 50 Jahren zu erreichen, verpackte er optimistisch: „Wir haben eine Chance, mit Traditionsmarken junges Publikum zu erreichen.“ Nur eben online und nicht linear.
Kritik: Irrelevante Inhalte für Jüngere
„Wir sind sehr viel mehr als eine Kaffeefahrt für Alte“, sagte Gniffke. Die ARD sei eben nicht nur das Erste Deutsche Fernsehprogramm. Das soll nicht zuletzt die Mediathek beweisen. Deshalb „evangelisiere“ er stetig zum Thema Digitalisierung im Medienhaus. „Wir haben kein Erkenntnisproblem, nur die Umsetzung fällt schwer.“
Wie eine Debatte um die Aufstellung eben jenes Programms aussehen kann, zeigte ein Panel mit Reportern und Programmverantwortlichen der ARD und dem Journalisten Tilo Jung, Erfinder des Internet-Formats „Jung und Naiv“.
Dieser holte weit aus, um seiner Kritik über das Digitalprogramm des Rundfunks Nachdruck zu verleihen: Ein großer Teil der Berichterstattung mit jüngerer Zielgruppe, „New Journalism“ genannt, fokussiere Themen wie Lifestyle, Gesundheit, Kriminalität und Partnerschaft.
„Irrelevant“ sei das in Zeiten einer gesellschaftlichen und politischen Systemkrise. „Wir erleben einen apolitischen Journalismus, der nicht auf die Grundsätze des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eingeht. Wir berieseln die Leute mit Bullshit“, sagte Jung.
„Amerikanisierung des TV-Journalismus“
Wenn Politik für eine junge Zielgruppe aufbereitet werde, dann häufig im Rahmen von Comedy oder bewusst lockeren Formaten. Das werde der Schwere der Themen nicht gerecht. Jung nannte das eine „Amerikanisierung des TV-Journalismus“ und meinte damit Formate wie das „Magazin Royale“ des Satirikers Jan Böhmermann und „Reschke Fernsehen“.
Auch der ARD-Reporter Georg Restle stimmte zu und beklagte eine Marginalisierung großer, auch politischer Themen durch zunehmend „gefühlige“ Formate. Im Gegenzug gebe der Rundfunk ernsthafte Formate auf.
Christine Strobl, Programmdirektorin der ARD, widersprach vehement: „Wir müssen begreifen, dass wir nicht das machen können, was wir selbst toll finden.“ Stattdessen müssten junge Menschen abgeholt werden. „Wir können den Leuten nicht vorschreiben, wie sie konsumieren.“ Mit neuen Formaten erreiche die ARD Menschen, die sie vorher nicht erreicht habe.
Die von Jung für ihr Format „Reschke Fernsehen“ kritisierte Journalistin Anja Reschke stimmte ein: Sie sei dankbar für das Internet und den Aufbruch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Gute Recherche finde nach wie vor ein Publikum. Das habe sich auch mit neuen Formaten nicht geändert.