Was „funk“ journalistisch besser machen kann

Mit den Angeboten von „funk“ wollen ARD und ZDF junge Menschen erreichen. Die Formate stellen manch klassische journalistische Herangehensweise auf den Kopf. Eine neue Studie analysiert, wie das geschieht – und was „funk“ besser machen kann.
Von Jonathan Steinert
funk, Jugendangebot ARD und ZDF, Y-Kollektiv

Um Jugendliche und junge Erwachsene mit seinen Angeboten zu erreichen, geht der öffentlich-rechtliche Rundfunk seit 2016 einen besonderen Weg: ARD und ZDF verantworten gemeinsam „funk“. Das ist kein linearer Sender, sondern ein sogenanntes Content-Netzwerk, also eine Dachmarke, unter der verschiedene journalistische Videoformate und Kanäle laufen.

Produziert von den öffentlich-rechtlichen Anstalten oder von ihnen beauftragten Medienmachern erscheinen sie nur online auf der „funk“-Website, den Mediatheken, Youtube und anderen sozialen Medien.

Aber nicht nur bei der technischen Präsentation richtet sich das Angebot an der Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen aus. Auch die Art, wie dort Journalismus gemacht wird, unterscheidet sich oft von klassischen Herangehensweisen und Ressorts.

Meinungsstark und subjektiv

Charakteristisch sind hier vor allem „Presenter-Formate“, in denen die Person des Reporters, sein subjektives Erleben zum Teil der Geschichte wird. Die distanzierte, neutrale Berichterstattung ist bei dieser Art des Journalismus gerade nicht das Mittel der Wahl.

Wie genau das bei „funk“ aussieht und welchen Qualitätskriterien die Angebote genügen, hat der Medienwissenschaftler Janis Brinkmann von der Hochschule Mittweida für eine Studie der Otto-Brenner-Stiftung analysiert.

Dafür hat er alle bis 1. April 2022 veröffentlichten 1.155 journalistischen Beiträge der Formate systematisch untersucht, die in die Kategorie „Information“ und „Reportage“ fallen – dabei handelt es sich um „Y-Kollektiv“, „STRG_F“, „reporter“, „follow me.reports“ sowie „Die Frage“. Andere Wissens- und Informationsformate wie „MrWissen2go“ oder „Die da oben!“ wurden nicht einbezogen.

Brinkmann zeigt, dass die „funk“-Reportagen ganz überwiegend dem Muster des New Journalism folgen, der bereits in den 1970er Jahren in den USA populär war. Ein meinungsstarker, erzählender Journalismus, der viele Details und Szenen beschreibt und ein großes Gewicht auf subjektive Perspektiven legt.

Das passe zu den Mechanismen der sozialen Medien, führt Brinkmann aus. Alternative Formen des traditionellen Journalismus, der stärker auf objektiv informierende oder auch investigative Darstellungen, auf erklärende Formen oder Ratgeber setzt, kämen in diesen Formaten eher selten vor.

In fast allen „funk“-Reportagen äußerten die Journalisten ihre eigene Meinung, meist ohne erkennbare Trennung von den präsentierten Fakten. Die subjektive Perspektive zeige sich auch in den Quellen: Das sei in der Mehrheit der Fälle der Reporter selbst mit seinen Erlebnissen und Erfahrungen oder der Protagonist.

Unabhängige Experten oder Vertreter von Staat und Behörden kämen vergleichsweise selten zu Wort, noch geringer sei der Anteil, den etwa andere Medienberichte, Studien oder Dokumente an den verwendeten Quellen ausmachten.

Lebensweltthemen stehen im Vordergrund

Mehr als 90 Prozent der Beiträge in diesen Formaten richteten sich durch eine emotionale, unterhaltende Erzählweise an ihr Publikum. Auch die Reporter thematisierten ihre eigenen Gefühle zu einem Thema. Skandalbetonte, investigative Beiträge spielten aufs Ganze gesehen nur eine geringe Rolle. Wobei hiervon vor allem „STRG_F“ und „Y-Kollektiv“ einen höheren Anteil hätten.

Inhaltlich, so stellte Brinkmann fest, machten Lebensweltthemen, die sich etwa um Gesundheit, Partnerschaft, Sexualität, Kriminalität, Familie, Religion oder Jobs drehten, den größten Anteil aus. Der Forscher kommt außerdem zu dem Ergebnis, dass in etwa einem Viertel der Beiträge journalistische Relevanz fehlt – weil sie keine zeitlich aktuellen oder bedeutungsvollen Probleme thematisieren.

Vielfalt an Meinungen und Akteuren ließen die Formate zu einem Drittel vermissen. Und einen praktischen Nutzwert für den Alltag hätten weniger als die Hälfte der Beiträge. Stark seien die Formate vor allem hinsichtlich ihrer Erzählweise und der exklusiven, originellen Recherchen. Auch wiesen sie eine hohe Authentizität, Nähe zum Publikum und Glaubwürdigkeit auf.

Nicht nur Klicks generieren

Ist das nun Qualitätsjournalismus, der dem Anspruch des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entspricht? Brinkmann meint, dass sich hier durchaus ein neuer Typus von Qualitätsjournalismus etablieren könnte. Dafür sprächen die „erzählerische Tiefe (…), die emotionale Personalisierung, die authentische Subjektivität, die thematische Heterogenität, oder die konsequente Partizipativität“. Die Formate „entgrenzten“ die klassischen Darstellungsformen und passten sie an die Mechanismen der sozialen Medien an.

Diese Herangehensweise sei womöglich gerade im Online-Umfeld eine erfolgreiche Strategie, um die Aufmerksamkeit des jungen Publikums zu gewinnen. Auch durch die „offen subjektiven Haltungen und Meinungen“ der Reporter könnten Jugendliche Orientierung bekommen.

Verbesserungsvorschläge hat Brinkmann dennoch – ohne den spezifischen Charakter dieser Formate grundsätzlich infrage zu stellen. So könnten sie stärker aktuelle gesellschaftspolitische Ereignisse aufgreifen. Wenn etwa Sexualität zu oft thematisiert werde, entstehe der Eindruck, es gehe vor allem darum, viele Klicks zu generieren – das werde dem öffentlich-rechtlichen Anspruch nicht gerecht.

Ebenso müssten im Sinne dieses Auftrages „Auslandsthemen und die Perspektiven aus Lebensräumen abseits deutscher Großstädte“ stärker in diesen Formaten vorkommen. Auch mahnt Brinkmann mehr Transparenz im Umgang mit Quellen an und plädiert dafür, aus Gründen der Glaubwürdigkeit Meinung klarer als solche zu kennzeichnen.

Und schließlich kritisiert Brinkmann, dass ein zu starker Fokus auf den Reporter oder einen einzelnen Protagonisten der Vielfalt und der inhaltlichen Tiefe im Wege stehe. Auch aus einer subjektiven Perspektive müsse Journalismus dazu dienen, die Welt zu erkunden.

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