Netflix-Serie: Wenn „Beef“ das Leben zerstört

Alles begann mit einer Lappalie auf einem Parkplatz, doch das Aufeinandertreffen von Danny Cho und Amy Lau sollte deren beider Leben zerstören. Die beliebte Netlifx-Serie „Beef“ handelt von Hass, der Unfähigkeit zur Vergebung und dem Sinn des Lebens.
Von Jörn Schumacher
Lobpreis bei der Netflix-Serie „Beef“

„Die beste Serie des Jahres“, schwärmt Kino.de. „Eine bessere Serie hatte Netflix lange nicht im Programm“, urteilt die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), Spiegel Online spricht von einem „Serien-Knaller“, die Zeit nennt die Serie „grandios“, die Süddeutsche Zeitung lobt: „fantastisch!“ Nicht nur die Feuilletons der deutschen Zeitungen sind voll des Lobes für die Netflix-Serie „Beef“. Kurz nach ihrer Veröffentlichung auf dem Streamingportal im April landete sie unter den Top 10 der beliebtesten Serien, kurzzeitig war sie sogar die beliebteste Serie überhaupt, wie das Portal mitteilte.

Die zehn Folgen handeln von zwei Asiaten in Los Angeles, die eigentlich nur wegen eines kleinen Vorfalls auf einem Parkplatz aneinandergeraten. Doch der Streit, der sich daraus entwickelt, ruiniert immer mehr beider Leben. Der englische Ausdruck „Beef“ wird – zunehmend auch im Deutschen – für „Streit“ verwendet. Die Serie vom südkoreanischen Regisseur Lee Sung Jin ist fast völlig mit asiatischen Figuren besetzt. Es spielt auch eine typisch amerikanisch-koreanische Freikirche eine Rolle.

Auf einem Parkplatz geraten Danny Cho (Steven Yeun aus „The Walking Dead“) und Amy Lau (die Komikerin Ali Wong) aneinander. Eigentlich sollte es mit viel Gehupe und bösen Blicken erledigt sein, doch Danny will es wissen: Er verfolgt wutentbrannt Amy in ihrem weißen SUV und will sich fortan an ihr rächen.

Amy wiederum reagiert auf Dannys Angriffe und wehrt sich ihrerseits. Der Zuschauer wird Zeuge einer Fehde, die sich immer mehr hochschaukelt. Zugleich lernt man die Charaktere besser kennen, die nur auf den ersten Blick fast nichts miteinander zu tun haben und in völlig verschiedenen Welten leben.

Echter Lobpreis

Danny, der erfolglose Bauunternehmer, verzweifelt immer mehr an dem Streit und seinen Auswirkungen. Eines Tages lernt er den Lobpreisleiter einer Freikirche kennen, und auf seine Einladung hin besucht Danny den Gottesdienst.

Der beeindruckt ihn zutiefst, er beginnt zu weinen, und ein wenig sieht es danach aus, als würde er sein Leben ändern und vor allem den Streit mit der erfolgreichen Unternehmerin Amy beenden wollen. „Was würde Jesus tun?“, fragt sich Danny, doch sein Cousin, gerade aus dem Knast entlassen, möchte viel lieber die Gemeinde finanziell ausnutzen.

Im amerikanischen Magazin Christianity Today schrieb ein koreanisch-stämmiger Christ, er sei beeindruckt von der Darstellung der Christen in der Serie. Raymond Chang, Vorsitzender der „Asian American Christian Collaborative“ und Geschäftsführer der christlichen Jugendorganisation „TENx10“, erkannte die dort gesungenen Lieder sofort wieder, wie er schreibt.

„Aber nicht nur die Lieder, die ganze Kirche in der Serie fühlt sich an, als ob sie direkt aus meinem Leben stammt.“ Es sei Pastor Jason Min aus Los Angeles gewesen, dessen Lobpreis-Band für die Szenen in der Serie spielte, weiß Chang. Der Pastor habe ihm erzählt, dass sie bei den Dreharbeiten den Lobpreis schon starteten, lange bevor die Kameras liefen, es sei ein echter Lobpreis im Film zu sehen. Auch viele Statisten seien echte Gottesdienstbesucher, so Chang.

Das Filmteam habe vollständig aus asiatischen Mitarbeitern bestanden. „Viele von jenen, die am Set gearbeitet haben, waren offenbar sehr beeindruckt von dem Lobpreis-Part“, berichteten Mitglieder der Gemeinde. Einige sagten, sie verspürten einen Frieden, und weil sie beim Dreh die Zeilen aus den Liedern hundertfach gehört hatten, seien diese nicht spurlos an ihnen vorübergegangen, berichtet Pastor Min.

Manche hätten erzählt, sie seien unsicher gewesen, ob das nun bedeute, dass sie wieder in die Kirche gehen sollten.

Immer wieder tauchen Andeutungen an den Glauben in der Serie auf, so trägt Danny an einer Stelle schon zu Beginn das T-Shirt einer christlichen Gemeinde. Amy, die Angst vor weiteren Angriffen Dannys ist, geht mit ihrem Mann ebenfalls in einen Gottesdienst und sagt zuvor zu ihm: „Wenn ich da heute Abend spirituell abdrifte, dann lass mich das einfach tun, ok?“

Die Story verleitet Rezensenten in jedem Fall dazu, über die tiefere philosophische Bedeutung nachzudenken. „Was hier eigentlich bloßgelegt wird, während sich Danny und Amy in jeweils halbstündigen Episoden bekriegen, ist der ungeheure Druck, unter dem die beiden Protagonisten in einer Gesellschaft stehen, die ständigen Erfolg verlangt, in der man sich andauernd mit den Errungenschaften anderer messen und die Beleidigungen und kleinlichen Ansprüche anderer ertragen muss, um ja nicht unter die Räder zu kommen“, schreibt die FAZ. „Aber unter der Oberfläche kreist hier alles um die Bemühungen der Figuren, dem lähmenden Gefühl der Einsamkeit und der Angst, nicht geliebt zu werden, zu entkommen.“

Für den Rezensenten der Süddeutschen Zeitung eine Quintessenz der Serie die Erkenntnis: „Es ist völlig egal, wie mächtig oder reich man ist; beide sagen: Irgendwas ist immer.“

Die Kritikerin des Magazins Glamour urteilt: „Man könnte meinen, es ginge um Hass oder um Road Rage oder um Zorn und Streit. Aber es geht um nichts davon. Es geht um Liebe und die Angst, dass man sie verlieren könnte.“

Am Ende seien sich die rivalisierenden Amy und Danny gar nicht so uneinig: „Sie machen Fehler und sorgen für so viel Unruhe und Tumult, dass es manchmal ein Wunder ist, dass sie noch Familie und Freunde haben. Aber so ist das eben mit der Liebe: Wenn sie echt ist, ist sie grenzen- und bedingungslos – trotz allem Beef.“

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